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Solange die Sonne noch scheint
Friedrichshain-Kreuzberg bringt sein bisher größtes Solarpaket an den Start – und hadert trotzdem
Der womöglich zweitwärmste Oktober seit Beginn der Wetteraufzeichnung spielt den Beteiligten am Mittwochmorgen in die Hände. "Gemeinsam mit den Stadtwerken wollen wir die Dächer unserer öffentlichen Gebäude zum Glitzern bringen", kündigt Clara Herrmann (Grüne) an, während sie auf dem Dach des Georg-Friedrich-Händel-Gymnasiums an der Frankfurter Allee steht. Um Friedrichshain-Kreuzbergs Bezirksbürgermeisterin herum reflektieren dunkelblaue Photovoltaik-Panels das Sonnenlicht.
So wie hier soll es bald auf noch mehr Dächern des Bezirks aussehen: Friedrichshain-Kreuzberg hat ein neues Solarpaket bei den Berliner Stadtwerken beantragt. Das dritte seiner Art ist zugleich das umfangreichste. Acht neue Anlagen sollen Anfang 2023 montiert werden, insbesondere auf Schulgebäuden, etwa der Jane-Goodall- und der Galilei-Grundschule. Mit 484 Kilowatt-Peak werden die neuen Anlagen die bisherige Solarleistung des Bezirks verdoppeln. Die Einheit bezeichnet den höchstmöglichen Energieertrag bei optimaler Sonneneinstrahlung. Rund 450 Tonnen CO2 pro Jahr sollen durch das Paket eingespart werden.
"Sie wissen, wie dramatisch die Situation ist", sagt Herrmann, die sich über einen "Riesenschritt in Richtung klimaneutralen Bezirk" freut, zugleich aber Verbesserungspotenzial sieht. "Um der Klima- und Energiekrise zu begegnen, müssen wir das Tempo der Energiewende weiter stark erhöhen." Die Bürgermeisterin wünscht sich vor allem mehr Zusammenspiel aus Dachbegrünung und Photovoltaik. So könne man nicht nur dem Ziel der Schwammstadt näherkommen. Unter den richtigen Bedingungen könne Begrünung die Energiegewinnung der Solaranlagen sogar unterstützen – auch wenn es statisch eine größere Herausforderung darstelle.
Was auf dem Dach des Händel-Gymnasiums gelingt, scheitert an anderer Stelle jedoch am Denkmalschutz. "Wir haben natürlich Interesse daran, dass es nicht das letzte Paket bleibt", sagt Andy Hehmke (SPD), Schulstadtrat des Bezirks. Dach für Dach im bezirklichen Bestand würde gescannt. "Aber es wird auch Dächer geben, bei denen es nicht klappt." Hehmke appelliert an den Denkmalschutz, bestehende Auflagen zu prüfen und gegebenenfalls zu modifizieren.
Alle Berliner Bezirke, bis auf Charlottenburg-Wilmersdorf, haben für neue Solarprojekte bereits den Weg über die Stadtwerke gesucht. Die Tochtergesellschaft der Berliner Wasserbetriebe installiert dann nicht nur, sondern hält die Solaranlagen auch anschließend instand. Bei der Finanzierung greift ein in Berlin nicht unübliches Vorgehen: Das jeweilige Bezirksamt verpachtet die Dächer für einen symbolischen Betrag und pachtet im Gegenzug die darauf entstehenden Solaranlagen. Den Stadtwerken zufolge fallen durch den eingesparten Strom keine zusätzlichen Kosten für die Bezirksämter an. "Angesichts der steigenden Energiepreise rechnet es sich jetzt sogar noch schneller als sonst", sagt Schulstadtrat Hehmke. Die Investition, die die Stadtwerke für das dritte Paket in Friedrichshain-Kreuzberg tätigen, beläuft sich auf 785 000 Euro.
Bisher wurden die Stadtwerke berlinweit mit 139 Solaranlagen beauftragt, die zusammen auf 7,8 Megawatt-Peak kommen. Hinzu kommen Absichtserklärungen aus acht Bezirken für mehr als 430 Solaranlagen auf bezirkseigenen Gebäuden mit nahezu 30 Megawatt-Peak. Rechtlich bindend sind die Abkommen allerdings nicht.
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