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Erdgas soll im niedersächsischen Boden bleiben

Rot-Grün stellt Eckpunkte für gemeinsame Regierung vor

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 4 Min.
Kommen gut miteinander klar: Stephan Weil (SPD) und Julia Willie Hamburg (Grüne).
Kommen gut miteinander klar: Stephan Weil (SPD) und Julia Willie Hamburg (Grüne).

Gerade mal drei Wochen sind vergangen, seit die Wählerinnen und Wähler in Niedersachsen den Sozialdemokraten und der Ökopartei ausreichend Mandate gaben, die zu einem gemeinsamen Regierungsbündnis reichen. Die SPD hatte 33,4 Prozent, die Grünen 14,5 Prozent eingefahren. Erst am vergangenen Mittwoch hatten sich die künftigen Partner zu Koalitionsverhandlungen zusammengefunden. Zügig sollten sie verlaufen, und dieses Ziel ist erreicht worden. Zwar muss der Koalitionsvertrag noch von Sonderparteitagen bestätigt werden, zu dem sich Delegierte von SPD und Grünen am kommenden Wochenende in Hannover treffen, aber dabei dürfte es sich eher um Formsachen handeln.

Es seien die angenehmsten Koalitionsverhandlungen, die er je geführt habe, sagte Ministerpräsident Stephan Weil. Freundlich und nach vorn gerichtet seien die Unterredungen gewesen, auch als es um einen Schwerpunkt künftiger politischer Arbeit ging, die rasch erforderliche Bewältigung aktueller Krisen. Das Land wolle Hilfe leisten, vor allem dort, wo unmittelbare Not bestehe.

Klimaschutz sei ein wichtiges Ziel, dem sich die Partner widmen wollten, kündigte Weil an. Dabei solle darauf geachtet werden, dass Niedersachsen ein wirtschaftlich erfolgreiches Land bleibt. Im Bereich Bildung ist vorgesehen, allen Lehrerinnen und Lehrern, unabhängig davon, an was für einer Schule sie unterrichten, als Eingangsgehalt die Vergütungsgruppe A13 zu gewähren. Verstärkt werde sich das Land dem Wohnungsbau widmen, versprach Weil. 

Ein weiteres Ziel: »Vereinfachung«. Diese soll vor allem den Kommunen zugute kommen; an Bürokratieabbau bei der Bearbeitung von Anträgen sei hier beispielsweise gedacht. Vereinfachung müsse es auch mit Blick auf die Pflege geben. Die Pflegenden sollen sich wieder mehr und vor allem mit mehr Zeit ihren zu betreuenden Menschen zuwenden können, statt einen beachtlichen Teil ihrer Arbeit der Dokumentation, dem Ausfüllen entsprechender Papiere, widmen zu müssen. Auch in diesem Sinne stehe das Land auf Seiten der Pflegekräfte.

Nicht zu den von Weil und Julia Willie Hamburg erwähnten Themen zählte das die Koalitionäre einigende Nein zum Fracking, jenem Verfahren, bei dem ein Gemisch aus Wasser und Chemikalien unter hohem Druck in tiefere Gesteinsschichten gepresst wird. Dadurch gibt es Brüche im Gestein und durch diese wiederum kann bisher eingeschlossenes Erdgas austreten und gefördert werden. Zahlreiche Erdgasreserven liegen tief in Niedersachsen. Dort wird seit 2011 nicht mehr gefrackt, weil die verwendeten Chemikalien ins Grundwasser gelangen könnten. Befürwortet wird die umstrittene Methode zur Erdgasförderung unter anderem von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Beide erhielten aus Niedersachsen deutliche Absagen dazu.

Gelüftet haben die Koalitionäre am Dienstag auch den Schleier vor den Sitzen, die am 8. November, wenn sich der Landtag konstituiert, von den neuen Ressortchefinnen und -chefs eingenommen werden. Hamburg hatte mit dem Wirtschaftsministerium geliebäugelt, das war kein Geheimnis. Nun aber wird die Grünen-Politikerin, der Erziehungs- und Bildungsthemen nicht fremd sind, neue Kultusministerin. Sie löst in dieser Funktion Grant Hendrik Tonne (SPD) ab, dem nicht selten Kritik aus Interessenverbänden in puncto Unterrichtsversorgung und Lehrkräftemangel entgegen geschlagen war. Hamburg wird zudem Stellvertreterin von Ministerpräsident Weil. Kein offen erörtertes Thema war die Frage, weshalb der Grünen das Wirtschaftsministerium versagt blieb. Es heißt, die SPD habe auf diesem Ressort beharrt, an dessen Spitze nun der bisherige Umweltminister Olaf Lies steht.

Rot-Grün in Niedersachen droht Ärger mit Isegrim: Beim künftigen Umgang mit Wölfen könnte es zwischen SPD und Grünen in Niedersachsen Probleme geben

Diese Position, die auch die Sorge um Klimaschutz und Energie einschließt, bekleidet fortan Christian Meyer (Grüne), dem ein Regierungsamt aus seiner Zeit als Agrarminister (2013 bis 2017) zurzeit der damaligen rot-grünen Koalition nicht fremd ist.

Boris Pistorius bleibt Innenminister, Daniela Behrens Sozialministerin (beide SPD). Das Ministerium für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie regionale Entwicklung übernimmt die SPD-Landtagsabgeordnete Wiebke Osigus aus Aurich. Der Wolfsburger SPD-Bundestagsabgeordnete Falko Mohrs darf auf den Chefsessel im Ministerium für Wissenschaft und Kultur. Das Justizministerium übernimmt mit Kathrin Wahlmann ebenfalls eine Sozialdemokratin. Sie ist seit 2018 Richterin am Landgericht Osnabrück und war von 2013 bis 2017 Landtagsabgeordnete.

Gerald Heere heißt der künftige Finanzminister (Grüne) und in Miriam Staudte als Landwirtschaftsministerin haben die Grünen ein weiteres Kabinettsmitglied aus der Riege ihrer Landtagsabgeordneten.

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