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Nicht die feine englische Art
Der neue britische Premier Sunak hat bereits das erste Kabinettsmitglied verloren
Nach nur zwei Wochen im Amt erlebt der konservative britische Premierminister Rishi Sunak bereits die erste Krise: Am Dienstagabend nahm Staatsminister Gavin Williamson, der ohne Ressort am Kabinettstisch gesessen hatte, seinen Hut. Dass Williamson ein Rabauke ist, war lange bekannt. Der Tory-Abgeordnete hat sich über die Jahre einen Ruf erworben als ein Meister darin, im Hintergrund des Politbetriebs die Fäden zu ziehen und widerspenstige Abgeordnete, wenn nötig, unsanft zum Einlenken zu bringen.
Aber das war dann doch zu viel: Letzte Woche sind Vorwürfe gegen Williamson laut geworden, dass er Kollegen und Angestellte aufs Übelste beschimpft, schikaniert und bedroht habe. »Schneid dir doch die Kehle durch«, soll er einmal zu einem Mitarbeiter gesagt haben. Die Angelegenheit wirft auch ein schlechtes Licht auf seinen Chef. Denn Rishi Sunak soll von den Vorwürfen gewusst haben, bevor er ihm einen Job im Kabinett gab. Nach dem Tory-Chaos der vergangenen Monate will keine Ruhe einkehren. Dem Premierminister wird nun mangelnde Urteilsfähigkeit vorgeworfen. Angela Rayner von der oppositionellen Labour-Partei etwa bezeichnete die Amtseinsetzung von Williamson als eine »haarsträubende Fehlentscheidung«. Seit Tagen wuchs der Druck auf Sunak, seinen Minister zu feuern.
Die Affäre begann am Freitag. Da wurde bekannt, dass die Tory-Abgeordnete Wendy Morton im Oktober eine offizielle Beschwerde gegen Williamson eingereicht hatte. Es ging um einen Austausch von Whatsapp-Nachrichten einige Wochen zuvor. Darin beschwert sich Williamson bei Morton – damals Fraktionschefin –, dass manche Tory-Abgeordnete nicht zum Begräbnis der Queen eingeladen worden waren. Morton bestreitet, dass es sich um Bevorzugung handle und verweist auf die begrenzten Plätze. Daraufhin verfällt Williamson in wüste Flüche und schreibt schließlich: »Schauen wir mal, wie oft du uns noch verarschst. Alles hat seinen Preis.«
Am Montagabend kamen neue Enthüllungen ans Licht. Ein leitender Staatsbeamter sagte, dass Williamson seine Angestellten in der Vergangenheit »bewusst erniedrigt und eingeschüchtert« habe. Er bezieht sich auf die Zeit, als Williamson noch Verteidigungsminister war (2017–2019). Nebst der Aufforderung, sich die Kehle durchzuschneiden, habe Williamson ihm auch gesagt, er solle aus dem Fenster springen.
Überhaupt war es überraschend, dass Williamson erneut befördert wurde. Denn abgesehen von seiner Fähigkeit, für Parteidisziplin zu sorgen, ist er nicht durch besondere Kompetenz aufgefallen. Als Verteidigungsminister war er im Mai 2019 gefeuert worden, nachdem er vertrauliche Informationen preisgegeben hatte. Nichtsdestotrotz wurde Williamson kurz darauf von Boris Johnson zum Bildungsminister ernannt. Auch auf diesem Posten sorgte er für Kontroversen. Während der Pandemie entschied er zum Beispiel, dass die Resultate der landesweiten Matura-Prüfungen durch einen umstrittenen Algorithmus bestimmt werden sollen – heftige Kritik zwang ihn schlussendlich zu einer Kehrtwende, aber sein Ruf war im Eimer. Im September 2021 wurde er ein zweites Mal aus dem Kabinett geworfen.
Nach Ausbruch der jüngsten Kontroverse um Williamsons Ausfälligkeiten hatte Sunak zunächst verlauten lassen, er wolle abwarten, bis eine unabhängige Untersuchung zu den »ernsten Vorwürfen« gegen Williamson abgeschlossen sei. Dieser kam mit seinem Rücktritt einem immer wahrscheinlicheren Rausschmiss nun zuvor.
Und da ist noch eine Personalie, die Sunak in Bedrängnis bringt. Sie betrifft seine Innenministerin Suella Braverman: Sunak hatte die rechtskonservative Hardlinerin ernannt, obwohl sie nur wenige Tage zuvor – da noch unter Liz Truss – von genau diesem Amt zurückgetreten war, und zwar aufgrund eines Verstoßes gegen den Ministerialkodex. In den vergangenen zwei Wochen wurden zudem Vorwürfe laut, dass manche von Bravermans migrationspolitischen Entscheiden gesetzeswidrig gewesen seien. Dennoch stärkt ihr Sunak weiterhin den Rücken. Diese Zögerlichkeit des Premiers wird ihm von Kritikern als ein Zeichen von Schwäche ausgelegt: Um sich keine neuen Feinde zu machen, drücke Sunak lieber mal beide Augen zu.
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