- Politik
- Bürgergeld
Minimal ist schon zu viel
Der Gesetzesentwurf zum Bürgergeld droht im Bundesrat zu scheitern
Statt einer Verbesserung der Lebensbedingungen von Arbeitssuchenden hält das Bürgergeld nicht einmal einen vollständigen Ausgleich der gestiegenen Lebenserhaltungskosten bereit. Statt die Kürzung vom kläglichen Existenzminimum zu verbieten, bleibt ein Großteil der Sanktionen bestehen. Doch ein paar wenige Besserungen soll es beim Bürgergeld im Vergleich zu Harz IV geben. Aber selbst diese wenigen positiven Änderungen sind für manche schon zu viel des Sozialen. Es könnte sein, dass im Bundesrat keine Mehrheit für den Gesetzesentwurf gefunden wird.
Die Länderkammer wird sich am kommenden Montag damit befassen. Aber die Union hat damit gedroht, das Gesetz in der Sitzung zu blockieren. Es senke die Motivation, eine Arbeit anzunehmen, so die Argumentation. Bei einer Ablehnung müsste ein Kompromiss im gemeinsamen Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat gefunden werden. Trotz der Ankündigung der Union zeigte sich Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) am Donnerstag zuversichtlich, dass es am Montag bei der Sondersitzung des Bundestags eine Zustimmung geben könnte. Im Bundesrat seien »nicht CDU-Vertreter, sondern Ministerpräsidenten am Zuge«, so Heil. Der Union warf er vor, dass ihre Ablehnung der Pläne mit »Parteitaktik« zu begründen sei.
Auch Diakonie-Präsident Ulrich Lilie appellierte nach der Abstimmung des Bundestags an die Union, sie solle im Bundesrat den Weg frei machen. »Wenn das Gesetz im Bundesrat blockiert wird, würde nicht nur die dringende Erhöhung der Regelsätze ausbleiben. Auch die Verbesserungen beim Schutz der Wohnung und Förderung der beruflichen Weiterbildung wären erst einmal Makulatur«, so Lilie.
Dabei sind viele der von der Ampel-Koalition geplante Änderungen beim Arbeitslosengeld eigentlich gar nicht verhandelbar. So wird etwa mit der seichten Änderung der Sanktionspraxis nur einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2019 Folge geleistet. Gleiches gilt für die geplante Erhöhung der Regelsätze um rund 50 Euro, die eigentlich keine Erhöhung ist, sondern lediglich eine Anpassung an die Inflation. Doch schon vor den starken Preissteigerungen war der Regelsatz nach wissenschaftlichen Berechnungen um rund 180 Euro zu niedrig.
Wurde der Gesetzesentwurf zum Bürgergeld bisher von Sozialverbänden und Gewerkschaften als viel zu unzureichend kritisiert, erntete der Entwurf am Donnerstag nach der Bundestagsabstimmung, trotz Kritik an einer zu geringen Erhöhung, viel Zustimmung. Die Sorgen, dass nicht einmal die jetzt im Gesetzesentwurf stehenden wenigen Verbesserungen im Bundesrat durchkommen, scheinen zu groß zu sein.
»Der Beschluss des Bundestages ist für viele Millionen Menschen mit geringem Einkommen und ohne Arbeit eine gute Nachricht: Das Bürgergeld wird ihre Situation endlich verbessern«, erklärte etwa DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel. Auch sie rief den Bundesrat zur Zustimmung auf – und kritisierte die Union. Diese betreibe »auf dem Rücken der Menschen eine Schmutzkampagne« und nehme »rein aus parteitaktischen Gründen mitten in der Krise Spaltprozesse in der Gesellschaft billigend in Kauf«. Auch die Arbeiterwohlfahrt forderte die Länder auf, die Einführung des Bürgergelds im Bundesrat nicht zu blockieren. »Wer das Bürgergeld jetzt stoppt, hat den Bezug zur Realität verloren«, so der AWO-Vorsitzende Michael Groß.
Ob der Gesetzesentwurf zum Bürgergeld wirklich wie geplant zu Beginn des neuen Jahres eingeführt wird, hängt nun also von der Abstimmung der unionsgeführten Länder im Bundesrat ab. Und damit auch, ob Millionen Menschen in der Grundsicherung noch länger auf eine Anpassung der Regelsätze an die Preissteigerungen warten müssen.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.