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  • "Hyäne Fischer – Das totale Musical"

Hodenlos an die Macht

Eine sehr österreichische Angelegenheit: In der Berliner Volksbühne feiert »Hyäne Fischer« ihr Comeback, »das totale Musical« ist versprochen

  • Michael Wolf
  • Lesedauer: 6 Min.
In den Songs wird das Matriarchat beschworen.
In den Songs wird das Matriarchat beschworen.

Der Eurovision Song Contest war immer wieder auch Spielwiese für Experimente jenseits des popmusikalischen Mainstreams. Man denke an »Guildo hat Euch lieb!« (7. Platz im Jahr 1998) oder Stefan Raabs »Wadde hadde dudde da?« (5. Platz im Jahr 2000). Schwerer haben es dagegen Beiträge, die sich durch politische Verstiegenheit auszeichnen. So scheiterte der Song »Im Rausch der Zeit« im österreichischen Vorentscheid knapp. Umschmeichelt von Schlager-Beats beschwor darin eine Sängerin namens Hyäne Fischer – mit Anleihen bei Laibach – nationale Geschlossenheit: »Und Hand in Hand / Ziehn wir durchs Land«. Das Video dazu erinnerte an die Aufnahmen Eva Brauns auf dem Obersalzberg. Hyäne Fischer ist eine Kunstfigur, die im Umfeld der österreichischen Burschenschaft Hysteria ersonnen wurde, einer reinen Frauenvereinigung, die auf sehr unterhaltsame Weise das Gebaren echter Burschenschaften karikiert und unter anderem fordert, das Männerwahlrecht einzuschränken. Das prominenteste Mitglied ist die Autorin Stefanie Sargnagel, die im Alpenstaat immer mal wieder für einen Skandal gut ist. Ihre Kollegin und Mitstreiterin Lydia Haider steht ihr dabei in nichts nach. In ihrem Stück »Zertretung – 1. Kreuz brechen oder Also alle Arschlöcher abschlachten« massakrierte sie Dutzende prominente Männer, darunter Sebastian Kurz, was Spitzenpolitiker der Republik zu öffentlicher Empörung motivierte.

So viel zur Vorgeschichte, zur Herkunft dieser sehr österreichischen Angelegenheit, die nun zu Besuch an den Rosa-Luxemburg-Platz kommt. In der Berliner Volksbühne feiert »Hyäne Fischer« ihr Comeback, »das totale Musical« ist versprochen. Neben Haider, die den Text verfasst hat, sind beteiligt: Musikerin Eva Jantschitsch, auch bekannt als Gustav; die Künstlerin Marianne Vlaschits als Bühnenbildnerin und Musikkuratorin Marlene Engel, die im Programmzettel als künstlerische Leiterin der Produktion angeführt ist, was wenig bedeuten mag, weil alles, woraus dieser Abend im Einzelnen besteht, sich nicht zu einem Ganzen fügen will. Aber das weiß man noch nicht, als Marie Rosa Tietjen zu Beginn an die Rampe tritt und sich, wie ein Liebesgruß aus Wien, in eine wütende Suada über das Schnitzel hineinsteigert: »Diese in nichts mehr denn Panier dahinverwesenden Todeslappen aus Schlachtabfällen aus Österreich, wie sie dann alle unbeholfenen Vollkoffer und Großgoschen und Dummtouristen ordern und selbstbewusst und frei und völlig dämlich in sich reinfressen und damit das ganze Österreich in sich aufnehmen und unfrei und unwillkürlich in die Welt tragen und damit nur Schaden anrichten in dieser ganz unverdaubaren Art des österreichischen Sterbensschnitzels.« Da ist dann schon alles da, in diesem Monolog, in dem Haider sich wohlig fallen lässt in die österreichische Tradition, da waltet munter der Hass auf die nationalen Symbole (Thomas Bernhard), da irrlichtert man von Wort zu Wort und von Hölzchen auf Stöckchen (Elfriede Jelinek), da herrscht auch keine Berührungsangst vor Drastik und Fäkalausdrücken (Werner Schwab). Vienna calling, wie gemütlich!

Rosa Lembeck fügt sich da gut ein, wenn sie sich in der Folge von elegischen Sounds begleitet in die Fantasie hineinsteigert, renitente Jünglinge zu kastrieren, womit die Dramaturgie des eineinhalbstündigen Abends allerdings auch schon beschrieben wäre. Auf einen Monolog folgt Gesang und auf Gesang ein Monolog. In den Songs wird das Matriarchat beschworen (Hit-Potenzial hat das Lied »Hodenlos an die Macht«, eine alternative Version des Helene-Fischer-Superhits »Atemlos durch die Nacht«), in den Monologen geht es bald leider zunehmend um den Text selbst, um die Sprache, um die Geschichte, oder anders gesagt: Es geht recht meta, recht luftig zu, oder noch mal anders ausgedrückt: substanzarm. Das weiß wohl auch die Autorin, weshalb sie einräumt: »Ohne Verben ists halt auch sehr fad und statisch will niemand / es soll ein Sprung vorbereitet sein und er hat zu sein jetzt.« Nur kommt er dann eben nicht, der Sprung, »Hyäne Fischer« bleibt in der Tat eine sehr statische Angelegenheit.

Der zwölfköpfige Chor singt sehr schön, aber warum tanzt er nicht – ward nicht ein Musical versprochen? Choreografischer Höhepunkt ist eine Szene, in der die Chormitglieder sich auf der Bühne synchron zusammenschlagen. Ansonsten steht man eben so herum, spricht und singt (inhaltlich wie akustisch) schwer verständlich eben so die Texte. Pollesch-Zitate säumen den Passionsweg des Publikums hin zum goldenen Matriarchat. In seinen Inszenierungen gibt es immer wieder diese Szenen, in denen die Schauspielerinnen und Schauspieler in kleinen Gruppen zusammenstehen, einer monologisiert und die anderen völlig bar eines Spielanlasses einfach zuhören. Sehr simple Konstellationen sind das, die aber dennoch eine große Attraktion ausüben, weil man sieht, wie schwer und gefährlich es für Schauspieler ist, einfach nur so dazustehen. Auch an diesem Abend gibt es diese Szenen, doch ist da eben kaum Spannung zu spüren. Da ist keine Fallhöhe, man liegt meist schon am Boden und klaubt Wörter zusammen. Lembeck und Tietjen ringen Text und Musik noch am meisten Witz ab, Silvia Riegers Auftritte hingegen rauschen einfach vorbei. Auch Volksbühnen-Star Kathrin Angerer tut sich schwer. Als Todesengel hängt sie einmal hoch oben über der Bühne, als wollte sie den Text, wenn er von alleine nicht abhebt, eben so zum Schweben bringen. Doch er stürzt ab in den wabernden Bühnennebel. Dann stimmt sie noch ein Lied an, steigt von der Rampe und läuft die Stufen des Saals hoch. Man denkt sich, jetzt könnte etwas passieren – doch sie kehrt dann einfach wieder zurück auf die Bühne.

Nein, »Hyäne Fischer« ist kein »totales Musical«, sondern höchstens ein partielles. Die Premiere wirkte wie ein Durchlauf nach der dritten Probenwoche, als hätte man inzwischen den Text gelernt und Musik einstudiert, ein Bühnenbild gebaut und Kostüme geschneidert, und müsste das alles jetzt noch zusammenbringen. Wo war die Regie? Womöglich gab es keine nennenswerte. Der Ankündigungstext liest sich, als hätten eben alle künstlerischen Gewerke etwas beigesteuert, ohne den Anspruch künstlerischer Stringenz. Auch das kennt man von den Arbeiten des Hausherrn René Pollesch, der seinen Kostüm- und Bühnenbildnern freie Hand lässt und dann mit dem arbeitet, was sie ihm anbieten. Dass dieses Prinzip in Polleschs sehr speziellem Theater Früchte trägt, heißt jedoch nicht, dass es auch in anderen Zusammenhängen funktioniert. Hier wirkt das Nebenher nicht wie eine ästhetische Strategie, sondern schlicht selbstgenügsam. Beim Applaus dann reißt es die ersten Reihen von den Sitzen, die Burschenschaft Hysteria ist angereist, wirft Rosen auf die Bühne und skandiert, es sei Zeit für das goldene Matriarchat. Die Atmosphäre einer Klassenfahrt bricht sich Bahn. Man hat seine Fans einfach selbst mitgebracht. Von den hinteren Reihen, wo die Freikartendichte niedriger ist, erschallen derweil einige Buhrufe. Wien war freudig erwartet worden, hat die Reise aber nicht gut überstanden.

Nächste Vorstellungen: 12. und 14.11. sowie 3.,16., 28. und 31.12.

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