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Kollektive Verbrüderung

Dresden und Zwickau trennen sich torlos in der 3. Liga

Dynamos Spielern fiel vor dem Zwickauer Tor nichts ein – so endete das Spiel ohne Treffer.
Dynamos Spielern fiel vor dem Zwickauer Tor nichts ein – so endete das Spiel ohne Treffer.

Seit nunmehr 21 Jahren pflegen die Fanszenen von Dynamo Dresden und dem FSV Zwickau eine »Fanfreundschaft«. Dementsprechend anrührend ging es am Samstag beim Aufeinandertreffen der beiden Mannschaften zu: Unmittelbar vor dem Anpfiff luden zwei Vertreter der jeweiligen Ultraszenen auf dem Spielfeld ihre Leute zu gemeinsamen Feierlichkeiten hinterm Dresdener K-Block ein. Zu Spielbeginn wurde eine riesige gelb-schwarz-weiß-rote Choreografie über den gesamten Dresdener Fanblock gezogen. Und während der 90 Minuten sangen beide Fangruppen immer wieder Lobgesänge auf den jeweils anderen Verein. Die Stimmung war also mal wieder prächtig unter den 27 000 Zuschauern in der Dresdener Arena, die angesichts der kollektiven Verbrüderung völlig ohne Blocktrennung auskam.

Darüber dürften sich nicht zuletzt die Dresdner Offiziellen gefreut haben. Denn angesichts des unterm Strich doch ziemlich dürftigen Auftritts der Dynamos beim 0:0 gegen die Zwickauer wäre wohl bei jedem anderen Gegner als den befreundeten Westsachsen nach dem Schlusspfiff ein kleiner Sturm der Entrüstung losgebrochen. Doch auch so war nicht zu überhören, was weite Teile des Dynamo-Anhangs von einer Leistung hielten, die ziemlich gut zum Tabellenplatz passte: Mit 23 Punkten aus 17 Spielen gehen die Sachsen mit 18 Punkten Rückstand auf den Tabellenersten Elversberg in die Winter-Wüsten-Pause; die Differenz zu Aue und Meppen auf den Abstiegsrängen beträgt hingegen nur 9 respektive 10 Punkte. Seit sechs Spielen hat Dynamo nicht mehr gewonnen.

Erste Pfiffe waren bereits nach einem Fehlpass in der 41. Minute zu hören; beim Halbzeit- und beim Schlusspfiff waren sie laut, reichten aber längst nicht an die Dezibelzahlen heran, die das Rudolf-Harbig-Stadion hervorbringen kann, wenn es mal wirklich die Contenance verliert – und nicht in Gedanken schon beim gemeinsamen Pils mit den netten Verwandten aus Westsachsen ist.

Wobei: Die Todsünde schlechthin – nicht zu rennen und zu ackern – haben die Gelb-Schwarzen am Samstag auch nicht begangen. Wille und Einsatz waren da, sogar eine gewisse Grunddominanz. Und doch stimmte es nicht, wenn Spieler und Trainer nach dem Spiel unisono so taten, als habe man einfach nur ein Problem mit der Chancenverwertung. Viel mehr richtig gute Chancen als die Gelegenheiten von Akaki Gogia (17.) und Paul Will (58.) gab es nämlich nicht, sieht man mal davon ab, dass es nach einem Foul von Robin Ziegele an Niklas Hauptmann hätte Elfmeter geben müssen (62.).

Zwickau-Trainer Joe Enochs hatte deshalb auch völlig recht, als er nach dem Spiel noch mal betonte, dass sein Team »gerade im ersten Durchgang die besseren Chancen gehabt« und insgesamt ein sehr ordentliches Spiel gemacht habe. Enochs hat ein Team beisammen, das am Samstag konzentriert verteidigte, das aber nach Ballgewinnen Angriffe in einer Zielstrebigkeit vortrug, die den oft fahrigen Dresdenern abging. Mit Zauberfußball hat es nichts zu tun, was Zwickau spielt, aber den erwartet auch niemand bei einem Verein, der wie jedes Jahr gegen den Abstieg spielt und sich seit Jahren mit ruhiger Hand gegen das Schicksal stemmt, das finanzschwachen Klubs von der Peripherie vorbehalten scheint.

Enochs, als Spieler, Trainer und Gastronom (der seine angetrunkenen Gäste persönlich zu den Spielen an die Bremer Brücke fuhr) »der beliebteste Amerikaner Osnabrücks« (»Neue Osnabrücker Zeitung«), schickt sich an, den gleichen Titel in Zwickau zu erlangen. Auch dort arbeitet er nun bereits in der fünften Saison in Folge.

Dynamo hingegen bekommt es in den letzten Jahren nicht hin, auf der Trainerposition konstant zu arbeiten. Dass nach dem Abstieg mit 17 sieglosen Spielen am Stück und zwei doch eher hilflosen Relegationsspielen gegen Kaiserslautern die Trennung von Guerino Capretti erfolgte, lag nahe.

Ein Jahr zuvor warf man allerdings Markus Kauczinski heraus, gegen dessen Wehener nun Dynamo in der Vorwoche 3:1 verlor. Dann ersetzte man ihn durch Alexander Schmidt, was sich kaum jemandem im ersten Moment erschloss. Dass man im Sommer nun auf Markus Anfang setzte, war je nach Lesart skrupellos oder bauernschlau. Anfang war nach seiner nicht sonderlich intelligent kaschierten Impfverweigerung, dem Fälschen der Dokumente und dem dreisten Auftauchen beim Kölner Karneval in der Branche sowie nach erfolgter unehrenhafter Entlassung in Bremen nicht mehr vermittelbar. Doch dann kam Dynamo und machte sich den Umstand zunutze, dass ein solcher Erstligatrainer wohl auch ein Drittliga-Salär akzeptieren würde.

Anfang selbst hat in den vergangenen Wochen immer wieder darauf hingewiesen, dass nur die Öffentlichkeit vom Aufstieg rede, intern seien die Ziele allerdings realistischer. Dass dieser Kader mehr hergeben müsste als einen schwachen Mittelfeldplatz, ist kaum zu bestreiten.

Dass die Stimmung in Dresden deutlich ungemütlicher werden könnte, deutete sich auch bei Gesprächen mit Fans an. Viele monieren, dass in den vergangenen Jahren viele Angestellte und Offizielle den Verein verlassen haben, für die der Job bei Dynamo mehr als ein Broterwerb gewesen sei. Am Samstag hisste der K-Block ein Transparent zu Ehren des langjährigen Physiotherapeuten Tobi Lange, der den Verein verlässt. »Wieder geht ein Teil der Identität verloren«, war darauf zu lesen.

Für Dynamo müssten solche Wortmeldungen eigentlich noch alarmierender sein als der gegenwärtige Tabellenstand: Die 27 000 Zuschauer vom Samstag – 9000 mehr als zwei Ligen drüber bei Hoffenheim gegen Wolfsburg – kommen schließlich nicht, weil sie berauschenden Fußball erwarten. Sie kommen aber vielleicht eines Tages auch nicht mehr, wenn sie den Eindruck haben, dass ihr Verein austauschbar geworden ist.

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