Der lange Weg zur Aufarbeitung

Forschungen zur Rolle der Frankfurter Sparkasse in der NS-Zeit sorgen für Konflikte

  • Janusch Wittenbrink
  • Lesedauer: 4 Min.

Noch immer tun sich einige deutsche Unternehmen schwer damit, ihre Rolle im Nationalsozialismus aufzuarbeiten. So schwer, dass diese Aufarbeitung in Frankfurt zu einem Eklat geführt hat – und Sorgen um die Unabhängigkeit von Forschung und Lehre aufkommen lässt.

Am Anfang stand das Verfassen einer Festschrift für das 200-jährige Jubiläum der Frankfurter Sparkasse. Übertragen bekommen hat diese Aufgabe das Institut für Finanz- und Bankengeschichte (IBF) in Frankfurt am Main, welches den Historiker Professor Ralf Roth damit beauftragte, sich den Jahren 1822 bis 1970 zu widmen. Teil des Auftrags wäre die Darstellung der Geschichte der Sparkasse während des Nationalsozialismus gewesen.

Ein prestigeträchtiger Auftrag für das IBF. Der Auftraggeber sollte auf jeden Fall »zufriedengestellt werden«, hieß es in einer Mail des Instituts an die Autoren der Festschrift. Immerhin handelt es sich um eine der größten Sparkassen der Bundesrepublik. Große Bedeutung hatte die Bank schon während des Nationalsozialismus. So groß, dass sie als »Nationalsozialistischer Musterbetrieb« geführt wurde. Verdient hatte sie sich diesen Titel mit großzügigen Spenden an NS-Funktionäre und der Enteignung der jüdischen Bevölkerung in Frankfurt. Insbesondere die Einbehaltung der Spareinlagen der 11 000 Frankfurter Jüdinnen und Juden dürfte eine große Rolle gespielt haben. Ein Komplex, der laut Roth bisher unzureichend oder gar nicht erforscht wurde. Die Bedeutung dieser fehlenden Aufarbeitung gehe weit über den aktuellen Streit hinaus, erklärte Roth auf Anfrage des »nd«.

Der Historiker hätte mit den geplanten Kapiteln also viel Staub aufgewirbelt – wohlgemerkt in einer Schrift aus feierlichem Anlass. Die Forschung wird aber nicht in der geplanten Form veröffentlicht. Roths Vertrag wurde vorzeitig gekündigt. Dabei hatte der Historiker seine Arbeit schon im September 2020 abgeschlossen. Statt der Freigabe kamen Änderungswünsche und »Bedenken« an der Ausarbeitung. Umgesetzt wurden diese allerdings nicht von Roth selbst, sondern laut dem Historiker »eilfertig« durch die Geschäftsführung des IBF. Das führte zum Zerwürfnis. Roth wandte sich im Dezember an den Vorstand der Frankfurter Sparkasse und empfahl, die Festschrift in seiner Fassung zu veröffentlichen und weitere Nachforschung anzustrengen. Im März 2021 beendete das IBF die Zusammenarbeit. Grund seien Äußerungen Roths gewesen, außerdem werden dem Historiker von drei vom IBF bestellten Gutachtern wissenschaftliche Mängel an seiner Arbeit vorgeworfen. Nun sollen die fehlenden Kapitel von anderen Historikern, darunter einem der Gutachter, erarbeitet werden.

Roth hat inzwischen Anwälte eingeschaltet, die prüfen sollen, ob er seinen Vertrag erfüllt hat. Das IBF beharrt auf seinem Standpunkt, dass die Arbeit von Roth wissenschaftliche Mängel aufweist. Distanz zu den Vorgängen nimmt die Frankfurter Sparkasse ein. Deren Vorstandsvorsitzender Ingo Wiedemeier stellte in zwei Interviews öffentlich klar: Seine Bank hatte keine inhaltlichen Bedenken, sie hätte akzeptiert, was Roth verfasst hat.

Bleibt die Frage offen, in welcher Form die Frankfurter Sparkasse ihre Geschichte im Nationalsozialismus aufarbeiten wird. Diese Aufgabe soll dem Fritz-Bauer-Institut zufallen. Das Institut forscht zur »Geschichte und Wirkung des Holocausts«, verfügt also über die entsprechende Expertise. Das ruft den Asta der Goethe-Universität auf den Plan, zu der das Fritz-Bauer-Institut gehört. Zwar sei das Institut für diese Arbeit bestens geeignet, kritisch sehen die Asta-Vorsitzenden Kyra Beninga und Mathias Ochs aber die Vorgänge rund um die Kündigung von Roth: »Der Werkvertrag mit Professor Roth wird gekündigt, weil seine Forschungsergebnisse dazu geeignet sind, der öffentlichen Reputation der Frankfurter Sparkasse zu schaden«, erklären sie auf nd-Anfrage. Die Debatte darum dürfe jetzt nicht »versanden«. Vom Fritz-Bauer-Institut erwarten die Asta-Vorsitzenden, dass es Roth die Möglichkeit gibt, seine Forschungsergebnisse und Sicht der Dinge in einer öffentlichen Veranstaltung zu präsentieren.

Unterstützung erhält der Asta vom ehemaligen Leiter der Forschungsstelle NS-Pädagogik Benjamin Ortmeyer. Auch dieser sieht Roth im Recht. »Die Kritik ist an den Haaren herbeigezogen«, erklärt er auf Anfrage des »nd«. Zur Rolle des Fritz-Bauer-Instituts sagt er: »Die Führungsetage des Fritz-Bauer-Instituts sollte sich mit ihrem Kollegen an der Goethe-Universität solidarisieren, das ist das Mindeste.« Zusammen mit dem Asta hat Ortmeyer die Vorgänge in einer Broschüre dokumentiert und zum Download zur Verfügung gestellt.

Vom Vorstand des Fritz-Bauer-Instituts kommt Kritik am Kommunikationsstil von Asta und Ortmeyer. Dabei sei die Zusammenarbeit mit dem Asta bisher produktiv gewesen. Die Forderungen nach Solidarisierung aber sorgen für Irritationen. Die Aufmerksamkeit für das Thema sei wichtig, der Forschungsauftrag brauche aber seine Zeit. Unklar ist derzeit, ob das Institut Ralf Roth die Möglichkeit zur Präsentation seiner Forschung geben wird. Genauso wie die Frage, ob die veranschlagten drei Jahre für die Forschung bei der Komplexität des Themas ausreichen werden.

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