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Meloni vergreift sich am Bürgergeld
Italienische Rechtsregierung beginnt mit dem Sozialabbau
Wenn in Italien große Wahlen anstehen, neigen die politischen Parteien dazu, den Bürgern große Versprechen zu geben, was nach neuem Regierungsantritt sich alles verbessern sollte. Aktuell versprach Matteo Salvini (Lega) einen fixen Einkommenssteuersatz von 15 Prozent für alle. Silvio Berlusconi, der »ewige« Premier von Forza Italia, wollte die Mindestrente auf 1000 Euro setzen.
Vor vier Jahren war es die Bewegung 5 Sterne (M5S), die ein bedingungsloses Bürgergeld, das Reditto di Citadinanza, in Aussicht stellte. Wer von Armut bedroht war, langzeitarbeitslos und auch wenig Chancen auf einen Platz im Arbeitsmarkt hatte, sollte wenigstens ein Existenzminimum erhalten, von dem man in Würde leben könne. So die Vorstellung der M5S. Leicht abgestaffelt konnte man so ein Bürgergeld – vergleichbar mit dem deutschen Hartz-IV – in Höhe bis zu 780 Euro monatlich erhalten. Zudem gab es einen Mitzuschuss beziehungsweise einen Zuschuss zu Wohnungskaufkrediten in Höhe von 150 Euro monatlich.
Mit dem Haushaltsplan 2023, von der Meloni-Regierung in dieser Woche beschlossen, sollen diese Zahlungen nun langsam zurückgeschraubt werden und ab 2024 nahezu gänzlich wegfallen. In ihrer Begründung für diesen Schritt beruft sich Giorgia Meloni auf Papst Franziskus: »Armut bekämpft man mit Arbeit, nicht mit Hilfen eines Wohlfahrtsstaates.«
Bereits 2023 sollen die staatlichen Unterstützungen deutlich gemindert werden. Die monatliche Unterstützung soll 540 Euro nicht übersteigen, das Bürgergeld im Übrigen nur noch acht Monate ausgezahlt werden. Diese Maßnahme gilt für alle »Arbeitsfähigen« im Altar von 18 bis 59 Jahren. Ziel ist, diese Gruppe irgendwie in den Arbeitsmarkt zurückzuführen. Daher sind mit der Auszahlung des Bürgergeldes weitere Bedingungen verbunden: Antragsteller müssen einem sechsmonatigen Qualifikations- oder Umschulungskurs zustimmen und an ihm teilnehmen. Wer einen akzeptablen Arbeitsplatz zurückweist, kann von der Fortzahlung der Unterstützung ausgeschlossen werden.
Italienweit handelt es sich um 404 000 Familien, die von der Neuregelung betroffen sind. 635 000 Familien erhalten im kommenden Jahr das Geld wie bisher ausbezahlt. Es handelt sich dabei um Familien mit Minderjährigen, Behinderten oder Familienmitgliedern, die älter als 60 Jahre sind.
Insgesamt erhofft sich die Meloni-Regierung mit dem Modifizieren des Bürgergeldes Haushaltseinsparungen von 735 Millionen Euro. Von der Idee, das Bürgergeld sofort mit Beginn des kommenden Jahres abzuschaffen, ist man auf der Regierungsbank abgekommen. Denn immerhin handelt es sich um 3,4 Millionen Italiener, die das Reditto di Citadinanza beziehen, zwei Drittel von ihnen leben im ärmeren Süden des Landes – und stellen ein Gros der Wählerschaft der Rechtskoalition. Sie vor den Kopf zu stoßen, wollte man in Rom dann doch nicht wagen.
Die jetzt beschlossene Maßnahme zur Kürzung des Bürgergeldes soll für das gesamte kommende Jahr gelten. Ab 1. Januar 2024 soll dann ein »Existenzeinkommen« eingeführt werden, ein Sozialgeld, das den Beziehern ein Überleben garantiert. Allerdings ist noch nicht festgelegt, in welcher Höhe diese Sozialleistungen gezahlt werden sollen. Fest steht bislang, dass nicht mehr der staatliche Sozialdienst, sondern die Gemeinden selbst zuständig sein werden. Angeblich soll mit dieser Verlagerung der bürokratische Aufwand, Sozialleistungen zu beantragen, gemindert werden. Zudem würden die Mitarbeiter der Sozialdienste die Bedürftigen in ihrer Region besser kennen und könnten so schnell entscheiden, wer in Härtefällen Leistung bekommen sollte. Im Hintergrund jedoch ist vor allem auch der Gedanke, man könne denjenigen, die sich Sozialleistungen ungerechtfertigt erschleichen wollten, schneller auf die Spur kommen. Nach dem jetzt geübten Prinzip ist dies vor allem in den großen Kommunen nahezu unmöglich.
Dass vor allem die Sternebewegung gegen die Gesetzesnovelle opponieren würde, war vorauszusehen. M5S-Chef Giuseppe Conte sprach bereits von einem »Verstoß gegen die Würde der Bürger«. Niemand ohne Not, so die Argumentation der Kritiker, würde Anträge auf Sozialleistungen stellen. Dies unterstreichen auch die Gewerkschaften, die betonen, vor allem Arbeitnehmer über 50 seien nur schwer auf dem Arbeitsmarkt zu vermitteln. Auch der sozialdemokratische PD hat sich gegen die Reduzierung des Bürgergeldes ausgesprochen. Allerdings sind die Mehrheitsverhältnisse im Parlament dergestalt, dass ein Opponieren gegen die Regierungspläne wenig erfolgversprechend ist. Und noch ist Italien nicht in einer derart desolaten Lage, dass die Bedürftigen für ihre Rechte auf die Straße gingen.
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