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Den Bogen überspannt
Der im Instrumentenbau heiß begehrte Brasil-Baum ist gefährdet. Der Artenschutz bleibt löchrig
Brasilien hat ihr seinen Namen zu verdanken, der nur hier im Atlantischen Regenwald der Küstenregion vorkommenden Baumart Paubrasilia echinata. Seit Anfang des 16. Jahrhunderts war das Holz des Pau Brasil als Rohstoff für rote Textilfarbe Hauptexportprodukt der portugiesischen Kolonie. Seit dem 18. Jahrhundert ist es unentbehrlich für den Hochgenuss klassischer Musik. Geigen- oder Kontrabassbögen aus Fernambukholz bringen die Streichinstrumente am besten zum Schwingen. Hauptabnehmer sind die USA, Japan und europäische Länder.
Doch anhaltende Abholzung und großflächige Brandrodungen des Atlantischen Regenwalds zur Gewinnung von Agrarflächen gefährden den Bestand des Brasil-Baums. Seit 1992 steht er auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Pflanzenarten und seit 2007 im Anhang II des Artenschutzübereinkommens Cites. Der Export des edlen Holzes ist seitdem nur mit einer Cites-Lizenz erlaubt, die sicherstellen soll, dass dessen Herkunft aus nachhaltiger Nutzung oder aus Plantagenanbau stammt. Fertige Bögen sind davon ausgenommen.
Rund zwei Wochen lang berieten Vertreter aus 184 Staaten in Panama über das Thema Artenschutz. Grundlage ist das aus den 70erJahren stammende Washingtoner Artenschutzübereinkommen Cites. Es soll für einen nachhaltigen internationalen Handel mit den in seinen Anhängen gelisteten Tieren und Pflanzen sorgen. Staaten, die sich nicht daran halten, drohen Sanktionen. Daher bezeichnet Daniela Freyer von der Naturschutzorganisation Pro Wildlife Cites als »schärfstes Schwert, das wir im internationalen Artenschutz haben«.
In Panama wurde für Hunderte Tier- und Pflanzenarten der internationale Handel stark eingeschränkt oder verboten. »Wir sind erleichtert, dass Cites ein so deutliches Zeichen gegen die Plünderung der Artenvielfalt gesetzt hat«, so das Fazit Freyers nach Abschluss der Konferenz am Wochenende. Sie kritisiert aber die EU, die mit ihren 27 Stimmen maßgeblich Anträge verhindert habe, den kommerziellen Handel mit Flusspferden sowie Afrikanischen Elefanten zu verbieten. »Die EU hat viele Regierungen in Afrika und Mittelamerika vor den Kopf gestoßen«, so Freyer.
Die wichtigsten positiven Entscheidungen:
Haie: Für 60 Haiarten gelten erstmals weltweite Handelsbeschränkungen.
Exotische Haustiere: Für mehr als 240 Arten von Reptilien, Amphibien und Zierfischen gelten künftig erstmals weltweite Handelsbeschränkungen (z. B. für Glasfrösche, Krötenechsen, viele Schildkröten), für sechs ein kommerzielles Handelsverbot.
Tropenholz: Für über 150 Tropenholzarten wurden erstmals weltweite Handelsbeschränkungen beschlossen, darunter die stark gehandelten Trompetenbaumgewächse aus Lateinamerika.
Listungskriterien: Der Versuch vier südafrikanischer Länder und Kambodschas, auch kommerzielle Interessen bei Cites-Entscheidungen zu berücksichtigen, wurde mit großer Mehrheit abgelehnt. Dies hätte den Vertrag aushebeln können. KSte
Die brasilianische Bundespolizei und die Umweltbehörde Ibama berichten dennoch von einem weiterhin schwunghaften illegalen Handel, mit dem jährlich Dutzende Millionen Euro umgesetzt werden. Bei einer Razzia im November 2021 im Bundesstaat Espirito Santo wurden 42 000 für die Produktion von Geigenbögen vorgefertigte Stöcke sowie mehr als 150 abgeholzte Pau-Brasil-Stämme beschlagnahmt. Pro Stock, so die Bundespolizei, erzielten die Schmuggler in Brasilien etwa 4 bis 8 Euro. Der ganz große Reibach werde im Ausland gemacht, wo die Streicherbögen für 1000 bis etwa 2500 Euro gehandelt werden.
Um die letzten natürlichen Bestände besser zu schützen, forderte die brasilianische Regierung bei der am Wochenende zu Ende gegangenen Cites-Konferenz in Panama die Aufnahme des Nationalbaumes in den Anhang I für streng geschützte Arten. Dadurch würden die Handelskontrollen verschärft, auch fertige Fernambuk-Bögen bräuchten ein gültiges Ursprungszertifikat. Zur Begründung hieß es, allen nationalen Schutzbemühungen zum Trotz würden selbst 100-jährige Brasil-Bäume auch innerhalb von Schutzgebieten illegal abgeholzt, um den internationalen Musikinstrumentenmarkt zu beliefern.
Gegen eine Höherstufung beim Schutz des Brasil-Baums sprach sich vor allem die Musikbranche aus. Der Deutsche Musikrat rief Umweltministerin Steffi Lemke sowie Kulturstaatsministerin Claudia Roth auf, sich gegen die Cites-Genehmigungspflicht beim Bogenhandel und -transport zu positionieren. Generalsekretär Christian Höppner erklärte, ansonsten »stehen das jahrhundertealte Bogenmacherhandwerk vor dem Aus und der internationale Kulturaustausch mit freiberuflichen Musikern wie der Orchester vor einer gravierenden Einschränkung«.
Auch international erfuhr das Ansinnen Brasiliens heftigen Gegenwind, etwa von Klassikstars wie dem US-Cellisten Yo-Yo Ma oder dem britischen Dirigenten Simon Rattle. In einer von Tausenden Musikern und Instrumentenbauern unterschriebenen Petition heißt es: »Langfristig würde ein Nutzungsverbot von Fernambuk sowohl zum Aussterben des weltweiten Bogenbaus führen als auch die Klangästhetik von Streichinstrumenten bedrohen, wie wir sie seit Beethoven, Brahms und Schubert kennen.« Die Petition verweist auf eine Initiative von Bogenbauern aus dem Jahr 2000, die »bis heute die Neupflanzung von mehr als 340 000 Fernambukbäumen in Brasilien ermöglicht« habe.
Die staatlichen Regenwaldschützer Brasiliens hielten dagegen, dass die meisten Plantagen nicht die Anforderungen der Umweltgesetzgebung erfüllten. Außerdem hätten Inspektionen ergeben, dass damit Holz illegalen Ursprungs verschleiert werden könnte. Bisher werde kein Holz aus diesen Plantagen gehandelt, denn es brauche bis zu 80 Jahre, ehe der langsam wachsende Brasil-Baum die Abholzungsreife erreiche. Auch sei es fraglich, ob Plantagenbäume überhaupt die nötige hohe Holzqualität erreichen könnten.
All diesen Argumenten zum Trotz entschied die Cites-Vertragsstaatenkonferenz gegen den Antrag Brasiliens. Der Pau Brasil bleibt auf dem Artenschutzindex Anhang II, sodass Musiker und Händler auch in Zukunft Streicherbögen aus Fernambuk ohne spezielle Genehmigung mit über die Grenze nehmen dürfen.
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