Dem Rausch mehr Raum schaffen

Der Alternative Drogenbericht sieht auch jenseits von Cannabis politischen Handlungsbedarf

Ursprünglich waren die jährlichen Alternativen Drogen- und Suchtberichte seit 2014 als Gegenposition zu der regierungsoffiziellen Version entwickelt worden. Die neunte Ausgabe, die am Dienstag vorgestellt wurde, wechselt nun teilweise vom Widerspruch zu einer Sammlung von Vorschlägen: Wie die Legalisierung von Cannabis als Genussmittel am besten gelingen kann, darum geht es im Wesentlichen. Auch von anderen Ideen, die sich die aktuelle Bundesregierung in den Koalitionsvertrag geschrieben hat, sind die Autoren und Herausgeber von Akzept e.V., dem Bundesverband für akzeptierende Drogenarbeit und humane Drogenpolitik, ganz angetan. Angedacht ist dort auch die Erlaubnis für das Drug Checking, womit die Analyse illegal gehandelter Substanzen gemeint ist, um in der Folge Konsumenten vor Gesundheitsschäden zu warnen.

Ein weiteres positives Ziel ist aus Sicht von Akzept-Vorstand Heino Stöver die Einschränkung der Werbung für legale Drogen. In Sachen Tabak- und Alkoholgebrauch sieht der Sozialwissenschaftler, der leitend am Institut für Suchtforschung an der Frankfurt University of Applied Sciences tätig ist, noch ein großes Problem. Insgesamt über 200 000 vorzeitige Todesfälle pro Jahr unter den Konsumenten der beiden Drogengruppen sprechen eine deutliche Sprache, zumal Deutschland bei der Regulierung im europäischen Vergleich deutlich zurückliegt. Auch angesichts von elf Millionen Deutschen, die in jedem Jahr chronisch oder periodisch an den Folgen einer Substanzgebrauchsstörung leiden, sollte es in Sachen Drogenpolitik nicht bei der Stelle eines Bundesbeauftragten mit einem kleinen Büro in Berlin bleiben. Eine Expertenkommission mit einer Gesamtstrategie sei nötig, so Stöver.

In Sachen Cannabislegalisierung wird für das Frühjahr ein Gesetzentwurf erwartet. Bernd Werse, der zum Vorstand der European Society for Social Drug Research gehört, legt einen Schwerpunkt auf soziale Gerechtigkeit. Die bisherige Kriminalisierung von Cannabis-Besitz führte für viele Menschen zu Job- und Führerscheinverlust, zu Problemen in den Familien bis hin zu Freiheitsstrafen. Für Werse gehört zur Entkriminalisierung nicht nur eine Amnestie für jene, die bislang verurteilt wurden. Er geht einen großen Schritt weiter: Die Geschädigten der bisherigen Gesetzgebung sollten bevorzugt werden bei der Vergabe von Lizenzen für Handel und Kleinanbau. Der Markt könne so schneller bedient werden, Fachkenntnisse seien in gewissem Maße vorhanden und es könnten Oligopole verhindert werden. Letzteren seien ansonsten nur schwer Grenzen zu setzen, wie die Entwicklung in den USA und Kanada zeige.

Verbessert werden müsse die Prävention und Beratung. Wenn Jugendliche unterhalb der absehbaren Altersgrenze von 18 Jahren Cannabis konsumierten, wären zunächst die Eltern zu benachrichtigen. Werde jemand wiederholt auffällig, sollte eine Beratung verpflichtend werden: »Das wäre aber ein ganz anderes Setting als die jetzige Kriminalisierung«, so Sozialwissenschaftler Werse.

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