Chance für unabhängige Patientenberatung vertan

Mitspracherechte für Patientenorganisationen zu gering

Um die Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD) war es in den letzten Jahren relativ ruhig geworden. Seit der Vergabe dieses wichtigen Auftrages an die Sanvartis GmbH 2015, ein durch die schon zuvor angebotenen Dienstleistungen kassenabhängiges Unternehmen, war Kritik an der Konstruktion nie verstummt – und auch nicht an der fast vollständigen Finanzierung des Projekts durch die gesetzlichen Krankenkassen sowie zu einem kleinen Teil durch die privaten Krankenversicherer. Denn ein Teil der Sorgen von Patienten dreht sich kontinuierlich um die Finanzierung von Therapien durch die Kassen. Hinzu kam die Corona-Pandemie, die manchen Missstand verstärkte. Im Gesundheitswesen sind weiterhin die Patienten die Gruppe mit der schwächsten Lobby.

Aber Ende dieses Jahres läuft die derzeitige Förderperiode aus und schon Ende der letzten Legislatur war klar, dass der aktuelle Zustand möglichst nicht aufrechterhalten werden sollte. Im Frühjahr 2021 wurde dann im Gesundheitsausschuss des Bundestages nach Möglichkeiten für eine Non-Profit-Trägerschaft gesucht. Einig war man sich dort in Sachen einer Verstetigung, gegen regelmäßige Neuausschreibungen.

Im Oktober gab es dann endlich den länger erwarteten Referentenentwurf. Danach sollte mittels einer Stiftung eine unabhängigere Struktur geschaffen werden. Als deren Finanzier wurde der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-SV) vorgeschlagen, dessen Mitgliederverbände die gesetzlichen Krankenkassen sind. Im Stiftungsrat sollen Patientenorganisationen nicht viel zu sagen haben: ein Vorschlagsrecht für den Vorstand, auf keinen Fall eine Mehrheit der Stimmen. Im Stiftungsrat sollen andererseits Mitglieder des Bundestags, Vertreter zweier Ministerien sowie des GKV-SV wie des PKV-Verbandes stimmberechtigt sein, neben der Bundespatientenbeauftragten.

Die Organisationen, von denen die unabhängige Beratung gewissermaßen erfunden und entwickelt worden war, blieben unerwähnt. Der Bundesarbeitsgemeinschaft der Patient*innenstellen fehlt zudem eine regionale Verankerung der neuen Struktur. Bei dem Gesetzgebungstempo scheint der Organisation ein gelungener Übergang zu einer wirklich unabhängigen Beratung fraglich.

Falsche politische Signale des am Mittwoch vom Bundeskabinett beschlossenen Gesetzentwurfs sehen auch die vorgesehenen Stifter, vor allem die gesetzliche Krankenversicherung. Laut GKV-SV-Vizevorstand Gernot Kiefer liegt der Zwang zur Finanzierung »inhaltlich konträr zum Koalitionsvertrag und begegnet erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken«. Auch Linke-Politikerin Kathrin Vogler plädiert für einen tatsächlichen Neustart. Dafür seien die vorgesehenen Mittel von 15 Millionen Euro nicht ausreichend, die Partei fordert stattdessen 20 Millionen.

Dass die aktuelle Bundesregierung die Stärkung der Patientenrechte eher schleifen lässt, dafür gibt es noch ein weiteres Indiz. Denn auch für einen bereits seit 2017 vorgesehenen Härtefallfonds für Behandlungsfehler besteht bislang trotz vollmundiger Ankündigungen seitens des Bundesgesundheitsministeriums gerade einmal die Aussicht, »zeitnah ein Eckpunktepapier als Grundlage für die weiteren Schritte zu erarbeiten«. Dabei sollte laut Koalitionsvertrag der Fonds in dieser Legislaturperiode schon eingeführt und die Stellung der Patienten bereits im bestehenden Haftungssystem gestärkt werden. Wie Letzteres genau aussehen soll, ist aktuell offen. Auf jeden Fall ist schon viel Zeit verstrichen und laut Gesundheitspolitikerin Vogler wird auch die nötige Abstimmung mit anderen Ministerien noch einmal dauern.

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