Strategische Abkopplung

Die US-Regierung setzt auf Exportkontrollen, um Chinas technologischen Fortschritt einzudämmen

  • Anjana Shrivastava
  • Lesedauer: 4 Min.

In Washington herrscht ein immer größererer Konsens, dass der technologische Fortschritt Chinas stark gebremst werden kann und muss. Die Biden-Regierung will ihre im Herbst 2022 überarbeitete Export-Kontrollgesetzgebung in diesem Jahr fortsetzen. China soll demnach die modernsten Chips nicht mehr importieren dürfen; auch unterliegen die Investitionen der US-Industrie in China auf beispiellose Weise der Genehmigungspflicht Washingtons. Die Wirtschaft zeigt sich skeptisch, dass diese zunehmend radikale Abkopplung überhaupt möglich ist. Doch die militärische Rivalität mit China ist so präsent, dass sich auch führende Manager mit Kritik eher zurückhalten.

Schon in der Obama-Regierung glaubte man, dass China den wirtschaftlichen Fortschritt vor allem militärisch zur Geltung bringen wolle. Dies berichtet der damalige Präsidentenberater Matthew Turpin in einer Rede vor dem American Enterprise Institute. Naiv erschien plötzlich die bisherige Politik, Technologien weltweit verbreiten zu lassen und ganze Lieferketten nach Asien zu verlagern. Donald Trump verschärfte die China-Skepsis noch. Heute sagt sein Handelsberater Robert Lighthizer laut der Website »Politico«, dass die USA Hunderte Milliarden Dollar in den letzten Jahren einfach nach China »verschifft haben« und dabei die dortige KP massiv unterstützt hätten. Damit spielt Lighthizer auf die US-Handelsdefizite mit China an. Wie andere Falken ruft auch er nach einer strategischen Abkopplung von der chinesischen Wirtschaft, koste es, was es wolle.

Die Handelsdefizite mit China sind auch während der Pandemie-Jahre noch größer geworden. Die Wirtschaft kann die Export-Import-Bilanz nicht so einfach umkehren. Außerdem erwarten US-Halbleiterfirmen wie LAM Research oder Applied Materials bereits Milliardenverluste wegen der neuen Exportkontrollen. Es geht dem Weißen Haus dabei nicht nur um Computerchips, sondern auch um Biotechnologie, saubere Energie, Quantentechnologie, KI-Software sowie Algorithmen. Laut »Politico« beschreibt Präsident Joe Bidens oberster Exportkontrolleur Alan Estevez seine Arbeit so: »Ich treffe mich mit meinem Team einmal in der Woche und sage: ›Okay, was kommt als Nächstes? Was machen wir als Nächstes? Wer benimmt sich schlecht? In welchem Technologie-Bereich müssen wir aktiv werden?‹«

Dabei ist China noch immer der größte Importeur von US-Waren sowie der wichtigste Finanzpartner. Großfirmen wie Apple und Tesla sind auf dem chinesischen Markt präsent. Jedes Jahr schickt die Volksrepublik wie kaum ein anderes Land Facharbeiter und Wissenschaftler in die USA.

Seit die USA im Jahr 2019 den chinesischen Mobilfunkausrüster Huawei auf eine schwarze Liste setzten, kommen immer mehr Firmen dazu. In der neuesten Welle kurz vor Weihnachten traf es 36 Unternehmen, darunter das Halbleiter-Start-up PXW. US-Lieferanten ist es untersagt, ohne Genehmigung Ausrüstung an die gelisteten Firmen zu exportieren.

Der Ökonom Douglas Fuller von der Copenhagen Business School sieht hier ein Muster: Sobald die USA solche Kontrollen ankündigen, schießen in China neue Projekte aus dem Boden, die dann wiederum auf die Verbotsliste gesetzt werden müssen. Es geht dabei nicht nur um Halbleiterproduktion, sondern auch um Überwachungstechnologie, Drohnen-Entwicklung, Smartphones und Waffenproduktion. Betroffen ist nun auch das Unternehmen Shanghai Micro Electronics, das mit Lithografie-Maschinen für Mikrochips dem niederländischen Marktführer ASML Konkurrenz machen will. Laut Reuters bereitet die chinesische Regierung nun ein Subventionspaket im Wert von 144 Milliarden Dollar vor, um die heimische Industrie zu unterstützen.

Indes warnte der ehemalige Google-Chef Eric Schmidt in der Zeitschrift »Foreign Affairs«, dass die USA diesen verschärften Wettbewerb auch verlieren könnten: Alle Maßnahmen seien nur reaktiv, angefangen mit den Sanktionen gegen Huawei, als der hoch subventionierte Konzern technisch weit fortgeschritten in der 5G-Infrastruktur war. Künstliche Intelligenz kam erst 2021 ins Visier, also vier Jahre nachdem China seine nationale KI-Strategie formuliert hatte. Schmidt warnt in Sachen Halbleiter-Politik vor dem »Risiko, dass Biden den ersten und letzten Schritt in der neuen vom Steuerzahler unterstützten techno-industriellen Strategie gemacht hat«. Somit äußert sich ein Industrieführer ähnlich wie die US-amerikanische Linke: Die Biden-Regierung sei innovativ und forsch, aber oft in Handwerk und Ausdauer mangelhaft.

Auch Jon Bateman, Technologie-Experte bei Carnegie Endowment for International Peace, einer Denkfabrik, die sich für Konfliktreduzierung starkmacht, zeigt sich skeptisch: »Wenn die Abkopplung zu weit geht, wird es die US-Wirtschaft runterziehen, Verbündete verprellen, den Fortschritt im Kampf gegen den Klimawandel ausbremsen und die Gefahr eines katastrophalen Krieges erhöhen.« Bateman kritisiert den festen Glauben an Sanktionen und schwarze Listen in der Biden-Regierung. Jede Firma werde als die nächste Huawei betrachtet, jede chinesische Technologie als »geladene Waffe, die gegen Amerikas Herz gerichtet sei«. Solche falschen Sichtweisen hätten in der Vergangenheit schlimme Fehler in der US-Außenpolitik verursacht. Zwar beteuere die Biden-Regierung, es gebe keine Strategie der Eindämmung Chinas, »aber wie soll sonst ein Embargo definiert werden, wenn das Weiße Haus alle Gründungstechnologien des 21. Jahrhunderts mit einschließt?«

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