Bundeswehr gibt Schützenpanzer »Marder« an die Ukraine

Die SPD ist zufrieden, während Grüne Kampfpanzer fordern. Die Friedensbewegung wünscht sich stattdessen ziviles Hilfsgerät

  • Daniel Lücking
  • Lesedauer: 4 Min.

»Diese Waffenlieferungen folgen der immens gefährlichen Militärlogik beider Seiten, dass dieser Krieg militärisch zu gewinnen sei. Doch statt Öl ins Feuer zu gießen, sollte Deutschland endlich Friedensmacht werden«, fordert Jürgen Grässlin, Bundessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsgegnerInnen (DFG-VK). Er kritisiert dabei die eklatante Vernachlässigung ziviler Hilfen durch die Ampelkoalition in Berlin. »Deutschland muss mit aller Kraft zivil helfen!«

Danach sieht es nicht mehr aus. Seit Mittwoch dieser Woche haben die Nato-Staaten ihre bislang konsequente Position aufgegeben, keine Waffensysteme zu liefern, die auch für Angriffe geeignet sind. Bislang hatten sich die Staaten des vorgeblichen Verteidigungsbündnisses bemüht, nicht unter den Verdacht zu geraten, in einen Krieg einzutreten. Nachdem der französische Präsident Emmanuel Macron am Mittwoch französische Panzerlieferungen an die Ukraine angekündigt hatte, fiel am Donnerstagabend auch die »Ampel« um. Dies hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) dem US-Präsidenten Joe Biden in einem Telefonat bestätigt. Die Bundesregierung liefert »etwa 40« Schützenpanzer des Modells »Marder«, die teils aus Beständen der Bundeswehr, teils aus Industriebeständen kommen sollen. Biden hatte fast zeitgleich mit Macron bestätigt, dass die USA die Lieferung von Schützenpanzern vom Typ »Bradley« an die Ukraine in Erwägung ziehen würden.

Auf internationalem Parkett moderierten Vizekanzler Robert Habeck und Außenministerin Annalena Baerbock (beide Grüne) über den gesamten Donnerstag die deutsche Kehrtwende an. Am Rande eines Besuchs in Norwegen gab Habeck bekannt, dass sich nun auch die Bundesregierung in der Frage der Panzerlieferungen bewege. Baerbock nutzte ihren Antrittsbesuch in Großbritannien, um die Bereitschaft Deutschlands für zusätzliche Waffenlieferungen zu unterstreichen. Berlin werde »immer wieder auch überprüfen, was es an weiterer militärischer Unterstützung braucht, damit weitere Menschen befreit werden können«, sagte Baerbock nach Gesprächen mit ihrem britischen Kollegen James Cleverly vor Journalisten in London.

Mit der Entscheidung gab der Kanzler den lange vorgebrachten Forderungen der Koalitionsparteien nach. Zufrieden scheinen daheim aber weder FDP noch Grüne, die sogleich nachlegen und ihre Forderung erneuern, auch Kampfpanzer vom Typ »Leopard 2« an die Ukraine zu liefern. Die SPD selbst reagierte im Verteidigungsmodus und lobte Scholz für seinen zunächst vorsichtigen Kurs. Seine am Donnerstag erfolgte Entscheidung habe etwas »mit politischer Klugheit und einer langen Abwägung zu tun, den richtigen Moment für solche Entscheidungen zu treffen«, sagte SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert. Auch Anton Hofreiter, außenpolitischer Sprecher der Grünen, erneuerte die Forderungen nach dem »Leopard«-Panzer. »Je deutlicher wir die Ukraine unterstützen und je klarer wir Putin signalisieren, dass wir mit dieser Unterstützung nicht nachlassen, desto höher ist die Chance, dass dieser Krieg beendet wird«, sagte Hofreiter. Die Entscheidung, mehrere Dutzend »Marder« liefern zu wollen, bezeichnete er als »sehr, sehr spät«. »Wenn diese Panzer früher geliefert worden wären, dann wären weniger ukrainische Soldaten gestorben«, sagte der Grünen-Politiker.

Kritik an einer möglichen Lieferung von »Leopard 2«-Panzern kommt vom verteidigungspolitischen Sprecher der SPD, Wolfgang Hellmich. »Das sind Angriffspanzer. Was die Ukraine braucht, sind Panzer zur Verteidigung wie den Marder«. Was Hellmich verschweigt: Auch der »Marder« dient beim Heer zur schnellen Überwindung feindlicher Linien und ist nach dieser Defintion ein »Angriffspanzer«. Militärexperten zufolge profitiert der »Marder« bei derartigen Gefechten von einer Rückwärtsgeschwindigkeit, die beinahe der Vorwärtgeschwindigkeit entspricht. Zudem ist der »Marder« auch mit panzerbrechender Munition ausgestattet.

»In der Ukraine fehlt es an so vielem: Warum liefert die Bundesregierung nicht hunderte von Kranken- oder Feuerwehrfahrzeugen sowie Transporter und Material für den Wiederaufbau, sondern immer nur weitere Kriegswaffen?«, kritisiert Jürgen Grässlin von der DFG-VK die Panzer-Entscheidung vom Donnerstagabend.

Lesen Sie auch den Kommentar »Sind wir schon im Krieg?« von Daniel Lücking

In Berlin verwehrt sich unterdessen das Verteidigungsministerium gegen die Interpretation, deutsche Soldat*innen seien nicht mehr kriegswillig. Das Redaktionsnetzwerk Deutschland berichtete am Freitag unter Berufung auf das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben, 2021 seien insgesamt 201 und 2022 insgesamt 951 Anträge von Soldat*innen auf Kriegsdienstverweigerung eingegangen. Ein Sprecher betonte, dass dies überwiegend Reservisten oder Ungediente beträfe. Mit Agenturen

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