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Der ewige Rob

Von der rätselhaften Rückkehr des Afrobeat-Künstlers »Funky« Rob Reindorf

  • Andreas Schnell
  • Lesedauer: 5 Min.
Rob, zuletzt noch Chef des Restaurants »Chicken Pepper« in Accra – und jetzt endlich wieder auf Tour
Rob, zuletzt noch Chef des Restaurants »Chicken Pepper« in Accra – und jetzt endlich wieder auf Tour

Zwei Alben genügten, um Rob »Roy« Reindorf zu einer Legende zu machen. Allerdings dauerte es von deren Veröffentlichung bis zum Ruhm weit mehr als 20 Jahre. Dabei dürfte Reindorf in seiner Heimat Ghana weit weniger bekannt sein, als er es heute in den westlichen Metropolen ist. Im Globalen Norden genossen die Alben »Rob« und »Make It Fast, Make It Slow« im Zuge des vor zehn bis 15 Jahren einsetzenden Hypes um afrikanische Musik für ihre treibenden, verschwitzten und enorm funkigen Grooves schnell geradezu kultische Verehrung, während in Ghana längst andere Klänge den Markt dominierten.

Der späte Erfolg in den Industrieländern ist wohl untrennbar mit einem Interesse an neuen Sounds verbunden, das in den letzten zwei Jahrzehnten einsetzte. Dabei mussten diese Sounds gar nicht zwingend neu sein: Kompilationen mit psychedelischen Klängen aus aller Welt, von Kambodscha bis Chile, fluteten regelrecht den Markt. Der Pop-Theoretiker Simon Reynolds hat in seinem Buch »Retromania« vor gut zehn Jahren ausführlich dargelegt, wie sich die Popkultur zunehmend in Verweisen auf die Vergangenheit und dem Rückgriff auf die Archive ergeht. Der enorme musikalische Reichtum des afrikanischen Kontinents bot in diesem Sinne scheinbar unerschöpfliche Quellen. Und es ist tatsächlich nach wie vor frappierend, welche Schätze da regelmäßig aus den Archiven zwischen Somalia und Sierra Leone gehoben werden. Was oft in den Hintergrund treten lässt, dass von Afrika aus auch wesentliche Impulse für den zeitgenössischen Pop ausgehen, aber das ist eine andere Geschichte.

Vor allem der klassische Afrobeat Fela Kutis, der komplexe westafrikanische Polyrhythmen mit dem Funk eines James Brown und politischen Ideen der Black Panther Party und des Panafrikanismus verband, stand dabei lange Zeit hoch im Kurs. Tanzbar, rau, psychedelisch, mit rebellischen Slogans, zugleich mit schimmernder Patina überzogen und freilich auch ein bisschen anders – das lockte ein hippes Publikum auf die Tanzflächen und in die Plattenläden.

Im Zuge dieses neu erwachten Interesses an Musik aus Afrika wurde auch das Oeuvre von Rob Reindorf aufgestöbert. Der US-amerikanische Hip-Hop-Produzent J Dilla dürfte einer der ersten gewesen sein, die »Funky Rob« entdeckten. Für seinen Track »Make It Fast« sampelte er 2005 den Song »Make It Fast, Make It Slow«. 2011 wurde dann »Rob«, Reindorfs Solo-Debüt, auf dem Label Analog Africa neu aufgelegt, im Jahr darauf veröffentlichte das Label Soundway das zweite Album »Make It Fast, Make It Slow«. Es sollte allerdings fast noch weitere zwanzig Jahre dauern, bis der Musiker erstmals auf einer europäischen Bühne zu sehen war.

Reindorf erzählt in einem Internet-Telefonat, er habe zuvor überhaupt erst ein Konzert gegeben – und zwar auf einem Festival in Ghana nach der Veröffentlichung seines zweiten Albums. »Und das war das Ende. Die Plattenfirma zerstörte mich und ließ die Musik sterben.« 1981 folgte noch ein weiteres Album Namens »Hell Fire« auf dem nigerianischen Label Taretone, auf dem er seinen Stil um Disco- und Reggae-Elemente erweiterte. Die Resonanz war indes so bescheiden, dass Rob die Musik für lange Zeit an den Nagel hängte. Erst 2019 wurde »Hell Fire« wiederveröffentlicht.

Soweit die Fakten. Über die Lebensgeschichte des Mannes kursieren derweil widersprüchliche Angaben, die sich wegen schlechter Internetverbindung auch telefonisch nur teilweise klären lassen. Manche Quellen datieren sein Geburtsjahr auf 1947, andere auf 1949. Geboren in Accra (wobei auch Abidjan in der Elfenbeinküste als Geburtsort kursiert), wuchs Reindorf in Benin auf, besuchte die Highschool in Ghana, zog zurück nach Benin, spielte unter anderem mit dem legendären Orchestre Poly-Rythmo und den Black Santiagos, bevor er ein paar Jahre durch Europa reiste, unter anderem nach Hamburg, wo es bereits damals eine große ghanaische Gemeinde gab. Besondere Ziele habe er mit seiner Reise nicht verfolgt. Es sei ein Abenteuer gewesen. »Wenn du jung bist, willst du Abenteuer erleben.«

Nach seiner Rückkehr nach Ghana nahm er schließlich seine legendären Alben auf. Eine Karriere als Musiker blieb ihm allerdings aus den geschilderten Gründen versagt. Stattdessen schlug sich Reindorf als »Businessman« durch, zuletzt betrieb er das Restaurant »Chicken Pepper« in Accra. Schließlich ergab sich die Möglichkeit, in Europa auf Tournee zu gehen. »Dann kam Covid-19, aber ich bin jetzt bereit, weiterzumachen«, bekräftigt Rob mit einer Vehemenz, die von einem Mann in seinen 70ern nicht unbedingt zu erwarten ist.

Es ist ein später zweiter Frühling, den Kollegen wie Ebo Taylor und Pat Thomas schon einige Jahre früher erleben durften. Freuen tut sich Rob Reindorf freilich dennoch über das Interesse an seiner Musik, das auch für ihn seinerzeit reichlich unerwartet kam: »Ich war sehr überrascht!«, erzählt er. »Es war wie ein Traum, dass nach all der Zeit meine Musik wieder gefragt war.«

Robs klassische Tracks werden neben einigen neuen Liedern, die er bislang nur via Youtube (heute einer der wichtigsten Vertriebskanäle für Musik in Afrika) veröffentlicht hat, auch einen wesentlichen Teil des Repertoires bilden, das er mit der norwegischen Flammer Dance Band auf die Bühne bringt. Die Mitglieder der siebenköpfigen Formation aus Oslo kommen aus der Breakdance-Szene und entwickelten nicht zuletzt über die Musik von »Funky Rob« ihre Liebe für komplexe westafrikanische Grooves, denen sie hingebungsvoll und mit viel Gefühl für 70er-Jahre-Vibes neues Leben einhauchen.

Dass seine Begleitband aus lauter Weißen besteht, die sich diese Musik angeeignet haben, ließe sich eingedenk aktueller Debatten gewiss problematisieren. Das Problem kann Reindorf allerdings ganz und gar nicht nachvollziehen: »Jeder kann tragen, was er will, und die Musik spielen, die er möchte. Was weiße Menschen tun, können Schwarze Menschen tun, was Schwarze tragen, können Weiße auch tragen. Wir haben die gleichen Beine, Arme und Haare – warum sollen Weiße keine Schwarze Musik spielen? Das ist funny talk.«

Zusammengearbeitet hat er übrigens mit der Flammer Dance Band bislang nicht, 2019 war er mit einer anderen Band unterwegs. Drei Probentage vor Beginn der Tournee müssen nun für die Vorbereitung reichen, um die Botschaft in die Welt hinauszutragen. Am Freitag, den 13. Januar, eröffnen »Funky Rob« und die Flammer Dance Band die Tournee mit einem Konzert in Oslo, danach geht es bis Ende Januar durch Europa.

Konzerte: 14.1., 20 Uhr, Kleines Haus, Bremen; 15.1., 16 Uhr, KuBa, Jena; 17.1., 20 Uhr, Urban Spree, Berlin; 19.1., 20 Uhr, Musa, Göttingen; 26.1., 20.30 Uhr, Altes Spital, Viechtach; 27.1., 20 Uhr, Kammerspiele, München.

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