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Die unbekümmerte Präsidentin
Berlins Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD) stand lange im Dauerfeuer der Kritik – das immerhin hat sich gelegt
Natürlich sei sie optimistisch, sagt Berlins Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse. »Ohne Optimismus würde ich hier doch gar nicht sitzen«, erwidert die SPD-Politikerin auf die Frage, ob sie glaubt, in ihrer neuen Zusatzfunktion viel durchsetzen zu können. Seit Anfang dieses Jahres ist Busse nicht mehr nur für den riesigen Schulverwaltungsapparat der Hauptstadt zuständig, sondern zusätzlich auch Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK) der 16 Bundesländer. Am kommenden Montag wird sie offiziell den Staffelstab von ihrer Amtsvorgängerin, Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien (CDU) übernehmen, turnusmäßig für ein Jahr. Busse spricht von »der großen Ehre KMK«.
Nur wenige hätten vor einem Jahr darauf gewettet, dass die im Dezember 2021 von Berlins Regierender Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) ins Amt gehievte ehemalige Leiterin einer Grundschule in Neukölln überhaupt bis hierher durchhält. Im Gespräch mit »nd« sagt Busse nun, dass sie seit ihrem Amtsantritt nie daran gedacht habe hinzuschmeißen: »Ich gebe nie auf. Und wie heißt dieses neue Wort? Resilient. Das bin ich.« Der öffentliche Umgang mit ihr als politischer Quereinsteigerin habe sie trotzdem »am Anfang auch verwundert«. Tatsächlich wurde in den ersten Monaten nicht zuletzt im Abgeordnetenhaus viel über Busse gelästert. Sie selbst hatte durch verunglückte Interviews und aus der Hüfte geschossene Stellungnahmen durchaus ihren Teil dazu beigetragen.
Unverändert irritierend bleibt etwa ihr Auftritt im Abgeordnetenhaus im März 2022, als sie gefragt wurde, was ihr Haus für unbegleitete, minderjährige Geflüchtete aus der Ukraine unternehme, und sie dabei auf die jüdischen Waisen in Berlin zu sprechen kam. »So, das klingt jetzt seltsam, aber diese Kinder trauern nicht mehr um Eltern und haben Angst, weil: sie haben keine mehr«, sagte Busse. Und dass ihr die ukrainischen Kinder bei einem Besuch verraten hätten: »Ach, das ist eigentlich, ja, so was wie eine Abenteuerreise.«
Viele Beobachter meinten im Anschluss, das war’s mit Busses eigener Abenteuerreise in den Politikbetrieb. »Unsensibel wie eine Dampframme«, hieß es in den sozialen Medien. Doch es kam anders. Zwar folgte noch der eine oder andere Patzer. Insgesamt nahm die Zahl der Einschläge aber ab. Busse selbst gibt sich heute gänzlich unbekümmert – wie so häufig, wenn man mit ihr spricht. Sie habe sich eben erst einarbeiten müssen. »Man muss doch lernen, und ich denke, ich habe in dem Jahr sehr viel gelernt. Jetzt spricht man auch mit mir«, sagt sie und lässt den Satz einmal mehr unvollendet im Raum stehen. Was wohl bedeuten soll: Man spricht nicht mehr nur über sie.
Der eklatante Lehrkräftemangel, der desolate Bauzustand etlicher Schulgebäude, das schlechte Abschneiden Berliner Grundschüler in bundesweiten Rankings: Die Probleme an Berlins Schulen sind zwar nicht kleiner geworden, die Aufregung um die öffentlichen Auftritte der Bildungssenatorin aber schon. Auf Pressekonferenzen geht sie eher auf Nummer sicher, spricht wahlweise weniger ausladend oder liest vom Blatt ab. »Busse, die Vorleserin«, heißt es nun mitunter.
Busse sagt, sie sei inzwischen sehr viel unterwegs in den Bezirken, zu Besuch an einzelnen Schulen und den Schulämtern. »Das ist mir wichtig, ohne Presse. Manchmal kann ich im Kleinen helfen, wenn irgendetwas fehlt, ein Anruf, dann ist es geheilt. Darüber freue ich mich sehr. Und ich habe den Eindruck, dass man ganz froh ist, dass eine Praktikerin an dieser Stelle sitzt.«
Richtig sei, sagt Landeselternsprecher Norman Heise zu »nd«, dass er und seine Mitstreiter ihre ersten Urteile über die Bildungssenatorin mittlerweile korrigiert hätten: »Unsere anfängliche Skepsis hat sich ein wenig gelegt.« In der ersten Zeit sei »noch sehr viel Neukölln« in Astrid-Sabine Busse gewesen. »Das hat nachgelassen. Die vielen Jahre als Grundschulleiterin spielen in ihrer öffentlichen Darstellung nicht mehr die große Rolle. Sie macht inzwischen einen geräuschlosen, aber guten Job«, sagt Heise.
Bei der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sieht man das anders. »Ja, es stimmt, die Fremdschämmomente haben nachgelassen. Aber das kann doch kein Kriterium für eine Bildungssenatorin sein, dass ihre Auftritte nicht mehr peinlich sind«, sagt GEW-Landeschef Tom Erdmann. Die Gewerkschaft habe da höhere Ansprüche. Ob bei der Bekämpfung des Lehrkräftemangels oder der konkreten Entlastung des Schulpersonals im Alltag: »Wir vermissen die großen Leitlinien, die großen Ideen.«
Auch von der Beteiligung der Beschäftigtenvertretungen halte Busse »nicht allzu viel«, kritisiert Erdmann. Dass im Sommer ein Runder Tisch gegen den Lehrkräftemangel eingerichtet wurde, sei ja schön und gut. »Aber vielleicht sollte man hier eher mal die Betroffenen mitnehmen, als den Leiter eines Planetariums zu befragen«, sagt der Gewerkschafter zu »nd«. Die Grundstimmung unter den Kolleginnen und Kollegen sei jedenfalls deutlich: »Das pädagogische Personal wird einfach nicht mitgedacht. Es wird viel über sie ausgekippt, aber sie werden nicht entlastet.«
In der Bildungsverwaltung weist man die Kritik an der Zusammensetzung des Runden Tisches vehement zurück. »Der Runde Tisch sollte nicht ein ritualisierter Austausch der üblichen Beteiligten sein, sondern ein Gremium, das in der Sache diskutieren und weiterkommen will«, heißt es auf Nachfrage. Die Beschäftigten blieben dabei keineswegs außen vor. Es stimme zwar, dass die GEW nicht mit an Bord sei, dafür gehörten dem Gremium aber »die Vertretungen der schulgesetzlich verankerten Gremien, darunter auch der Landesausschuss des pädagogischen Personals sowie mehrere Schulleiterverbände« an.
Auch Landeselternsprecher Norman Heise verteidigt den Runden Tisch. Auch und vor allem mit Blick auf dieses Gremium müsse man sagen, dass die Zusammenarbeit zwischen dem Landeselternausschuss und der Bildungsverwaltung »in vielen Bereichen interessant« geworden sei. »Das war etwas, wo Frau Busse gezeigt hat, dass sie durchaus Ideen hat«, sagt Heise, selbst Tischgast. Unter ihrer langjährigen Vorgängerin Sandra Scheeres (SPD) habe es in diesem Bereich »gar keine Bewegung gegeben«. Klar müsse aber auch sein: »Auch Astrid-Sabine Busse kann die großen Mängel im Berliner Bildungssystem nicht so schnell wettmachen.«
Ob Busse im Amt bleibt, hängt freilich vom Ausgang der Wiederholungswahl zum Abgeordnetenhaus am 12. Februar ab. Die 65-Jährige gibt sich – natürlich – auch hier optimistisch. »Ich bin ja keine Hellseherin«, sagt sie. »Aber Sie wissen doch: Für dieses Ressort hat noch nie jemand angestanden, wirklich nicht. Und ich möchte sehr gern weiterarbeiten. Nach dem Jahr Einarbeitung will ich ja auch etwas umsetzen, und dann möchte ich das ja auch gut machen.«
Das gelte auch für den KMK-Vorsitz. In ihrem Jahr als Präsidentin will sie auf Bundesebene den Schwerpunkt ihrer Arbeit auf die Qualität des Ganztagsangebots an Grundschulen legen. »Das Thema habe ich mir ja nicht ausgesucht, weil ich das so schön finde, sondern weil es ab 2026/2027 einen Rechtsanspruch auf einen Ganztagesplatz gibt.« Das gelte es vorzubereiten. Sorgen, dass sie sich gegenüber den anderen 15 Kollegen nicht durchsetzen könnte, macht sie sich nicht: »Ich bin ja Pädagogin, das kann nicht schaden.«
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