- Kultur
- Gedenken an Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg
Pazifist und Feuerkopf
Ein Denkmal für Karl Liebknecht in der deutschen Hauptstadt ist längst überfällig
Am 13. August 1951 enthüllte Friedrich Ebert einen Denkmalsockel für Karl Liebknecht, der genau 80 Jahre zuvor geboren worden war. Doch mehr wurde nicht daraus. Der Sockel blieb ein Torso, das Denkmal fehlt bis heute. Dabei hätte Karl Liebknecht ein Denkmal verdient. Aber warum hat er keines?
Nun, erstmal stand der Sockel auf dem Potsdamer Platz. Und da steht er heute noch, obwohl er schon einmal entsorgt wurde, dann aber wieder zurückkam. Zunächst hat das Fehlen des Denkmals damit zu tun, dass die DDR-Führung genau zehn Jahre nach der Enthüllung die Mauer errichtete und der Sockel damit im sogenannten Todesstreifen stand. Als die Mauer fiel, wollte kaum jemand mehr etwas mit Liebknecht zu tun haben. Der Sockel verschwand. Obwohl er längst wieder da ist, fehlt das Denkmal immer noch.
Das hat auch damit zu tun, dass Liebknecht erst Gegner des Ersten Weltkriegs war, dann Gegner der SPD und seines Parteigenossen Friedrich Ebert, der ihn als Kriegsverweigerer aus der Partei werfen ließ, und schließlich Anhänger der Revolution, aber nicht nur einer parlamentarisch-demokratischen, sondern einer Räterevolution, und das, obwohl Liebknecht zeit seines Lebens Parlamentarier war, in der Berliner Bürgerschaft, im preußischen Landtag und im Reichstag.
Als Kriegsgegner flog er 1916 nicht nur aus der Partei, sondern wurde – obwohl Abgeordneter und viel zu alt – zum Kriegsdienst eingezogen. Und das geschah auch auf Vorschlag eines führenden Sozialdemokraten. Liebknecht weigerte sich aber zu schießen und wurde Schipper, Ausheber von Schützengräben. In der DDR nannte man das Bausoldat. Doch Liebknecht fiel nicht im Krieg, er wurde ermordet, nachdem er als Revolutionär nicht nur geholfen hatte, die Revolution vorzubereiten und den Krieg zu beenden, sondern auch das Ende der rechtssozialistischen Regierung Ebert im Januar 1919 betrieben hatte. Genau deswegen gab ein führender Sozialdemokrat, der kurz darauf zum Reichswehrminister ernannt wurde, Gustav Noske, dem Chef seiner rührigsten Regierungstruppe, dem Protofaschisten und Freikorpsführer Waldemar Pabst, das Einverständnis zum Mord an Karl Liebknecht und seiner Mitstreierin Rosa Luxemburg. Pabst hatte die beiden, die knapp zwei Wochen zuvor die Kommunistische Partei Deutschlands in Berlin gegründet hatten, am 15. Januar 1919 in ein Luxushotel, das eigentlich einen paradiesischen Namen trug, nämlich »Eden«, frei angeliefert bekommen. Hier war das Hauptquartier seiner terroristischen Bürgerwehr.
Die ermordete Rosa Luxemburg wird heute noch trotz des Siegs des Kapitalismus gefeiert – oder gerade deswegen. Aber warum Karl Liebknecht nicht? Zwar hat ihn die DDR-Führung Luxemburg vorgezogen, weil er vordergründig nicht so widerspenstig gegen Wladimir I. Lenin und die Bolschewiki war. Aber das war wirklich nur vordergründig. Denn wie Luxemburg hätte er einer Einparteienherrschaft wie sie dann in Russland schon unter Lenin zustandekam, nie zugestimmt. Er war wie Luxemburg ein Anhänger der Massendemokratie, nur übte er nicht wie sie direkte und starke Kritik an Lenin. Er kritisierte lieber Karl Marx und seine Werttheorie, was in der DDR geflissentlich verschwiegen wurde.
Liebknecht war ein fürsorglicher Vater, ein glänzender Rechtsanwalt, ein Feuerkopf im politischen Kampf, ein Kriegsgegner, wie man ihn heute mit der Lupe suchen muss, und ein Befürworter der Revolution der Massen. Warum also kein Denkmal?
Nun, Revolution ist out, zum Kapitalismus gibt’s angeblich keine Alternative. Und Lenin und die Bolschewiki haben großen Mist gebaut, wie die vorherrschende Meinung suggeriert. Jedoch ist es eben jener Kapitalismus, den Liebknecht und Luxemburg überwinden wollten, dabei, die Natur zu zerstören und die Menschheit auszulöschen. Es braucht also nicht nur Menschen wie Luxemburg, sondern auch Feuerköpfe wie Liebknecht, damit sich endlich etwas ändert.
Der globale Kapitalismus treibt einen Wladimir Putin und Joe Biden, aber auch einen Robert Habeck und eine Annalena Baerbock. Sie sind Totengräber – nicht nur Olaf Scholz, Christian Lindner, Anges Strack-Zimmermann und andere Kampfpanzer. Nur Leute wie Liebknecht können uns noch retten. Und junge Menschen wie jene in Lützerath.
Werte Leser und Leserinnen, Sie fragen sich vielleicht, warum Friedrich Ebert einen Denkmalsockel von Liebknecht eingeweiht hat, wenn er doch froh war, dass seine Männer fürs Grobe, Noske und Pabst, diesen wegräumen ließen und er dabei nur Schmiere stehen musste. Nun, es handelte sich hier nicht um den ehemaligen SPD-Reichspräsidenten, es war Ebert Junior, der sich leider auch nicht gerade durch revolutionäre Großtaten hervortat.
Wir fordern jetzt einfach mal, das Denkmal für Liebknecht endlich zu errichten. Keines im Stil des sozialistischen Realismus, sondern ein dadaistisches – für einen Pazifisten, Feuerkopf und Revolutionär. Es ist Zeit, und es ist Zeit für die Enkel. Wie riefen doch die Bauern 1525 nach dem verlorenen Bauernkrieg: »Geschlagen ziehen wir nach Haus’, die Enkel fechten’s besser aus!«
Klaus Gietinger, Jg. 1955, Publizist, Drehbuchautor (unter anderem für »Tatort«) und Filmregisseur (»Daheim sterben die Leut’«, »Wie starb Benno Ohnesorg?« etc.), verfasste zahlreiche historische Sachbücher wie »November 1918«, »Kapp-Putsch 1920« und »Karl Liebknecht oder: Nieder mit dem Krieg, nieder mit der Regierung!«; am 17. Januar referiert der studierte Sozialwissenschaftler über »Karl Liebknecht – Der Unterschätzte« ab 18 Uhr im Karl-Liebknecht-Haus am Berliner Rosa-Luxemburg-Platz.
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