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Auf eigenen Wegen
Alba Berlins Frauenteam emanzipiert sich erfolgreich in der Bundesliga
Als zwei Minuten vor Schluss die Aufholjagd zum 54:54 endlich ihren Höhepunkt findet, steht das Publikum geschlossen auf. So ist das üblich beim Basketball-Bundesligisten Alba Berlin, egal, ob gerade der deutsche Männermeister in der modernen Arena am Ostbahnhof spielt oder – wie an diesem Samstagabend – die jungen Aufsteigerinnen des Klubs in der grauen Sömmeringhalle mit 60er-Jahre-Charme in Berlin-Charlottenburg. Mit mehr als zehn Punkten Rückstand hat Alba schon zurückgelegen gegen die Panthers aus Osnabrück. Jetzt ist man wieder dran. Doch zum Sieg reicht es nicht mehr. Die Niedersächsinnen sind cleverer und bringen ein 64:60 über die Zeit. Die Berlinerinnen dagegen verlieren zum vierten Mal in Serie knapp.
Was den Aufsteigerinnen noch abgeht, wird nun immer deutlicher: »Wir waren in der Hauptrunde etwas erfolgsverwöhnt. Jetzt verlieren wir die knappen Spiele. Man sieht, dass uns die Erfahrung fehlt, so eine Partie noch zu drehen«, sagt Lena Gohlisch. Die Kapitänin ist mit ihren 29 Jahren schon eine der Ältesten in dem Team, das allein acht Teenagerinnen im Kader zählt.
Keine von denen hat vor dieser Saison in der 1. Bundesliga gespielt, dennoch will Alba kein Punktelieferant sein. »Wenn es so knapp ausgeht, ist das Ergebnis natürlich bitter. Unser Anspruch ist es nun mal, immer zu gewinnen und nicht nur mitzuspielen«, sagt auch Henriette Höfermann. Die 23-Jährige kam vor gut fünf Jahren nach Berlin und machte den kompletten Aufstieg bis in die höchste deutsche Spielklasse mit, seit Alba mehr Geld in die Frauen-Abteilung investiert.
»Wir haben ja im Sommer auch einige Bundesliga-erfahrene Spielerinnen dazugeholt und dann schnell gemerkt, dass wir mithalten können. Trotzdem bleiben wir unserem Konzept treu«, so Höfermann. Das ist seit Jahren unverändert: Berlin setzt auf die eigene Jugendabteilung, fördert den Aufstieg von Talenten und gibt ihnen Gelegenheit, früh auf höchstem Niveau zu wachsen. »Heute hat man das an Leoni Kreyenfeld gesehen«, so Höfermann. »Die ist erst 18, wird hier reingeworfen und liefert sofort ab. Das ist Alba: Wenn man Fehler macht, gibt es eine Ansage, und dann bekommt man eine neue Chance. Dieser Rückhalt hilft.«
Mit dieser Herangehensweise haben die Berliner schon im Männerbereich den Umschwung geschafft, zuletzt dreimal in Serie die Meisterschaft gewonnen, obwohl Kontrahenten über Jahre viel mehr Geld in internationale Stars stecken konnten. Mittlerweile spielen sogar mehrere von Alba jung geförderte Talente in Nordamerika in der NBA. So hoch sind die Ziele bei den Frauen noch nicht, doch auch hier werden sie längst angehoben. »Den Klassenerhalt haben wir schon sicher, also wollen wir jetzt die Playoffs erreichen«, bekräftigt Kapitänin Lena Gohlisch.
Dass die Aufsteigerinnen auch kommende Saison in der ersten Liga spielen werden, liegt nicht nur an einigen Überraschungssiegen in der Hinrunde, sondern auch am in der Vorwoche bekannt gegebenen insolvenzbedingten Ausstieg der Rheinland Lions. Der Klub war erst 2020 gegründet worden, dann sofort aufgestiegen und hatte in der Vorsaison im Meisterschaftsfinale gestanden. Jetzt kam das Aus. »Das ist echt schade, denn es war ein geiles Team mit vielen deutschen Nationalspielerinnen. Es hat Spaß gemacht, denen zuzusehen. Die wären locker Meister geworden«, meint Stefanie Grigoleit, selbst lange Nationalspielerin, die gerade in Berlin ihre Karriere ausklingen lässt.
Nicht nur für sie ist klar, dass sich der Fall der Lions nicht wiederholen darf. Die Frauen-Bundesliga ist mit nun nur noch zehn Klubs bereits sehr klein. Es braucht mehr Vereine, die auf soliden finanziellen Füßen stehen und nicht von einem Geldgeber abhängig sind, wie die Rheinländerinnen. Insofern ist der gesteigerte Fokus eines Männer-Bundesligisten auf die Frauen wie bei Alba Berlin – vergleichbar mit der Entwicklung im Fußball – wohl der Weg, der auch im Basketball gegangen werden muss. Derzeit ist neben Alba aber nur der Mitteldeutsche BC aus Weißenfels mit Männern und Frauen in der ersten Liga vertreten. Die anderen Klubs setzen weiterhin lieber auf ein weibliches Cheerleader-Team bei den Männern.
Dabei zeigt sich in Berlin, dass man mit erfolgreichen Frauen auch die eigene Anhängerbasis erweitern kann. So werden auch an diesem Samstagabend in der Sömmeringhalle knapp 1200 Fans gezählt. Regelmäßig werden vierstellige Werte erreicht, ein hoher Wert in der Frauen-Bundesliga. Das Interessante daran: Es sind nicht unbedingt die Männer-Fans, die auch mal zur weiblichen Sparte pilgern. »Wir sehen hier fast nur neue Gesichter«, sagt der für beide Teams zuständige Sportdirektor Himar Ojeda. »Wir schaffen hier ein eigenes Event für die Frauen. Das ist uns wichtig.«
Henriette Höfermann mag die Atmosphäre, auch wenn sie schon mal in der großen Arena der Männer gespielt hat, damals im Rahmen eines Doppelspieltags, jedoch quasi nur als »Vorband« für die Männer. »Die große Arena ist noch viel zu weit weg. Das hier stabil aufzubauen, ist der Weg, den man gehen muss«, sagt Höfermann. Sie freue sich zwar, dass auch mal Teile des anderen Teams bei ihr vorbeischauen, wie an diesem Sonnabend Jaleen Smith und sein Trainer Israel González. »Viel lieber sind mir aber noch die vielen kleinen Mädchen hier in unserer Halle, denn das ist genau das, was mir früher gefehlt hat: zu sehen, in der ersten Liga spielen auch Frauen«, sagt sie. »Ich zeige denen: Den Weg könnt ihr auch gehen. Das ist das Schöne.«
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