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Staat in der Zinsfalle

Die steigenden Zinssätze schränken die Möglichkeiten des Bundes ein

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Meldung des Statistischen Bundesamtes erscheint auf den ersten Blick harmlos: Die Schulden des Bundes stiegen im vergangenen Jahr bis zum Ende des dritten Quartals um lediglich 1,7 Prozent. Zuletzt war die öffentliche Verschuldung sogar leicht gesunken. Doch die finanzpolitische Lage, die Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), im neuen Jahr wird meistern müssen, ist so heikel wie seit der Finanzkrise nicht mehr.

Trotz hoher Neuverschuldung wird der Bundeshaushalt für das Jahr 2023 zwar die Schuldenbremse formal einhalten. Wie eine neue Studie des unternehmensnahen Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln zeigt, wird Deutschland dabei aber gegen die Maastricht-Kriterien verstoßen. Auf der einen Seite hält sich die Bundesregierung bei einem geplanten Defizit von 45,6 Milliarden Euro an die Schuldenbremse. Über buchhalterische Kniffe bei den Sondervermögen wird die Schuldenneuaufnahme im kommenden Jahr voraussichtlich jedoch insgesamt 140 Milliarden Euro und somit 3,4 Prozent des Bruttoinlandprodukts betragen und bricht damit das Stabilitätskriterium des Maastrichter Vertrages. Diese Grundlage der europäischen Union sieht eine Neuverschuldung von maximal 3,0 Prozent vor. Dagegen hatten in der Vergangenheit allerdings schon viele EU-Staaten verstoßen, darunter auch Deutschland.

Möglich wurde dieses Paradoxon, weil die Ampel-Koalition sich eines haushaltspolitischen Winkelzuges bedient. Angesichts der Corona- und Energie-Notlagen waren von 2020 bis 2022 die Regelgrenzen der Neuschuldenaufnahme ausgesetzt worden. Diese Ausnahmen haben die Haushaltspolitiker genutzt, um große Kapitalstöcke in Sondervermögen anzusammeln, die nicht von der Schuldenbremse erfasst werden. Dazu zählen unter anderem der Klima- und Transformationsfonds und der Bundeswehr-Sonderfonds. Die Ampel-Koalition hat nun in diesem Jahr die Regeln verändert, wie sich Sondervermögen auf die Schuldenbremse auswirken: nämlich, vereinfacht dargestellt, gar nicht.

Bezahlt werden müssen diese Schulden dennoch, und das wird teuer. Dabei geht es nicht allein um die Neuaufnahme von Schulden, sondern auch um die Finanzierung älterer Schulden, deren Fälligkeit erreicht wird. So muss Minister Lindner nicht allein 140 Milliarden Euro neue Schulden finanzieren, sondern zusätzlich rund 399 Milliarden, um damit auslaufende Altlasten zu finanzieren. Der deutsche Staat wird sich nach der Prognose der Finanzagentur des Bundes 2023 insgesamt die Rekordsumme von 539 Milliarden Euro leihen müssen (2022: 449 Milliarden). Dafür wird die Bundesrepublik Deutschland – Finanzagentur GmbH in Frankfurt am Main, die die Schulden des Bundes managt, im Laufe des Jahres Dutzende Anleihen ausgeben.

Doch während in der Vergangenheit Bundeswertpapiere trotz minimaler oder gar Minuszinsen reißenden Absatz bei Banken, Versicherungen und Fondsgesellschaften fanden, wird es nun deutlich kostspieliger. Für die 5 Milliarden Euro, die der Bund letzten Mittwoch neu aufnahm, muss er schon 2,3 Prozent Zinsen zahlen.

Nach den Erwartungen von Analysten könnte der Zinssatz als Folge der grassierenden Inflation im laufenden Jahr auf 4 bis 5 Prozent steigen. Wenn nicht noch höher. Das Direktoriumsmitglied der Europäischen Zentralbank Isabel Schnabel hatte jedenfalls kürzlich auf einer Notenbankkonferenz klargemacht, dass die Wiederherstellung der Preisstabilität »deutliche« und »stetige« Zinssteigerungen verlange. Die Leitzinsen der EZB gelten als Referenzgröße für Bundesanleihen.

Im Ergebnis könnte der Anteil allein der Zinszahlungen am Bundeshaushalt wie in den 70er bis 80er Jahren auf etwa ein Fünftel ansteigen. Was den Gestaltungsspielraum Lindners und der Bundesregierung erheblich einschränken würde. Von einer Tilgung der heute rund 1500 Milliarden Euro Gesamtschulden geht ohnehin niemand aus.

Deutschlands Staatsschulden haben aber sogar internationale Auswirkungen. Sie belasten mittelbar nicht allein andere EU-Staaten, sondern auch Schwellen- und Entwicklungsländer. Darauf wies Weltbank-Präsident David Malpass bei der Vorstellung des Wirtschaftsberichtes »Global Economic Prospects« hin.

Das aktuelle Investitionsniveau reiche in ärmeren Ländern nicht einmal aus, um den Kapitalstock zu bewahren. Der Ökonom macht dafür auch die reichen Industrieländer wie Deutschland verantwortlich. Sie hätten das globale Kapital aufgesaugt, um ihre extrem hohen Staatsschulden zu finanzieren. Vielen armen Ländern sei dadurch inzwischen der Zugang zu den globalen Kapitalmärkten versperrt.

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