Ein bisschen Luft

Berlin musste im vergangenen Jahr keine zusätzlichen Schulden aufnehmen. Der finanzielle Spielraum des Senats wird trotzdem nicht größer.

Finanzsenator Daniel Wesener (Grüne) war zuletzt vor allem für die schlechten Nachrichten zuständig: Corona, Ukraine-Krieg und Inflation belasten die Haushalte, 2021 mussten neue Schulden aufgenommen werden. Am Mittwoch konnte er im Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses aber für 2022 eine bessere Bilanz ziehen. Dank überraschend hoher Einnahmen schließt das Land das Jahr mit einem Überschuss ab. Mit 37,3 Milliarden Euro waren die Einnahmen etwa eine Milliarde Euro höher als die Ausgaben. So konnten sogar Rücklagen gebildet werden. Wesener sprach von einem »robusten Haushalt«.

Vor allem das im Bundesvergleich überdurchschnittliche Wachstum und die stabile Situation auf dem Arbeitsmarkt sorgen für verlässliche Einnahmen. Unterstützung bekam Wesener allerdings wohl auch von der Inflation, denn mit den Preisen stiegen auch die Umsatzsteuereinnahmen. Trotz dieser Einschränkung: Kredite in Höhe von 800 Millionen Euro, die ursprünglich im Haushalt vorgesehen waren, müssen nun nicht aufgenommen werden. Angesichts der hohen Gesamtverschuldung ist das eine wichtige Nachricht.

Also endlich mehr Luft für die notorisch klamme Hauptstadt? Eher nicht. Denn nach mehreren Leitzinserhöhungen durch die Europäische Zentralbank sind Kredite deutlich teurer geworden. Investitionen zu finanzieren, wird so schwieriger. Zugleich steigt die Tilgungslast bei den Altschulden, weil der haushälterische Trick, alte Schulden mit hohem Zinssatz durch neue Niedrigzinskredite zu bedienen, nicht mehr funktioniert. Der finanzielle Spielraum des Senats wird also trotz der höheren Einnahmen nicht größer. »Wir haben Geld im Überfluss« solle nicht die Nachricht sein, die die Abgeordneten mitnähmen, sagte Wesener am Mittwoch, und milderte ab, dass »finanzpolitisch weiterhin Vorsicht« geboten sei.

Gegenüber dem »Tagesspiegel« zeichnete Karin Klingen, Präsidentin des Landesrechnungshofs, ein düstereres Bild: »Es bleibt dabei, dass die finanzielle Handlungsfähigkeit Berlins langfristig noch nicht gesichert ist«, sagte sie. »Das grundsätzliche Problem der hohen Gesamtverschuldung und auch der steigenden Zinsen ändert sich nicht.« Der positive Jahresabschluss 2022 sei nur eine »Momentaufnahme«, warnte sie.

Der Senat kann sich aber zumindest freuen, dass keine neuen Belastungen entstehen. Trotz der hohen Schuldenlast sieht auch Klingen aktuell keinen Bedarf für eine harte Sparpolitik, wie sie der ehemalige Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) mit seinem Finanzsenator Thilo Sarrazin (ehemals SPD) Anfang der 2000er betrieb. Man könne weiter Investitionen tätigen, sagte sie. Nötig sei aber, nicht verwendete Pandemie-Rücklagen jetzt in den Schuldenabbau zu stecken.

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