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- »The Last of Us«
Ist Liebe wirklich alles?
Die Zombie-Serie »The Last of Us« führt vor Augen, dass Liebe nicht bedingungslos ist
Liebe ist alles, alles was wir brauchen – meint zumindest die Band Rosenstolz. Weitere Lieder, aber vor allem Filme und TV-Serien überraschen ihr Publikum seit vielen Jahrzehnten immer mit der gleichen Pointe. Liebe gilt als hinreichende Antwort für alles. Wer liebt, findet einen Weg, das Gute in die Welt zu bringen, wenigstens in die eigene. In »Herr der Ringe« sind es Frodos Liebesfähigkeit gegenüber Gollum und Sams bis heute fragwürdige Liebe zu seinem »Master«, die am Ende die Welt retten. Auch feministische Erzählungen greifen die Idee auf und präsentieren sie als bislang sträflich missachtete, weil aus der Erfahrungswelt von Frauen stammende Neuerung. In der Serie »She-Ra« etwa ist es der am Ende eines sich über Staffeln erstreckenden Nähe-Distanz-Tanzes stehende Kuss zwischen Catra und Adora, der das Böse in letzter Sekunde bezwingt. Die Schriften der schwarzen feministischen Theoretikerin bell hooks zur Liebe erfuhren jüngst eine Neuauflage in deutscher Sprache.
Welche Präsenz die Erzählung von der Liebe, auf die es am Ende immer ankomme, gegenwärtig einnimmt, ist interessant. Ein Grund dafür dürfte auch der Stellenwert sein, den gestreamte Fernsehserien in der heutigen Alltagskultur haben. Der Markt hat sich extrem ausdifferenziert und die schiere Anzahl an jährlichen Produktionen ist geradezu explodiert. Die Stoffe aber ähneln sich erstaunlich.
Wie erfrischend ist da die Erzählung der Anfang der Woche in ihrer Pilotfolge veröffentlichten Zombie-Serie »The Last of Us« (Sky, WOW): Die auf den gleichnamigen Videospielen basierende Story widmet sich ebenfalls intensiv der Liebe – zunächst derjenigen des Texaners Joel (Pedro Pascal), der 20 Jahre nach der Ermordung seiner Tochter unverhofft die neuerliche Gelegenheit erhält, ein pubertierendes Mädchen (Ellie, gespielt von Bella Ramsey) vor den Gefahren der inzwischen den Erdball dominierenden Zombie-Apokalypse beschützen zu dürfen.
Doch nicht nur das: Die Letzten der Menschheit machen auch ansonsten keine besonders gute Figur darin, das Miteinander zu gestalten. Die am Rand ihrer Auslöschung stehende Spezies ist in bis an die Zähne bewaffnete Banden zerfallen, die das Leben in von den Untoten heimgesuchten Schutzzonen mehr schlecht als recht organisieren. Schon das Videospiel wusste dabei durch geschickte Sprünge in der Zeitlinie und das Austauschen der gesteuerten Hauptfiguren über die Fraktionsgrenzen hinweg emotionale Bindungen an die Held*innen herzustellen, die jeweils in ihren Motiven, Unfähigkeiten und Gefühlswelten für das Format Videospiel unglaublich greifbar wurden. Die Held*innen wiederum entwickeln ihre eigenen, manchmal prekären Bindungen zueinander – womit das Unheil seinen Lauf nimmt.
»The Last of Us« spielt mit unserem Wunsch, gerade in einer von Chaos und einer ausgelöschten Zukunft geprägten Umwelt in der Liebe Zuflucht zu suchen. Dann aber werden wir mit den bluttriefenden Konsequenzen von Bindungen konfrontiert, die für die Protagonist*innen »alles« sind. So stellt es die Erzählung auf geschickte Weise an, von der Liebe und dem Schönen ausgehend auf die Frage nach den Bedingungen von Gesellschaft zu verweisen. Und auf Menschen, die Gesellschaft erst produzieren müssen – auch für die, an die sie nicht per Liebe gebunden sind.
Das könnte ein Anlass sein, sich an Zeilen Bertolt Brechts zu erinnern, der dichtete: »Und weil der Mensch ein Mensch ist, drum braucht er was zu essen, bitte sehr!« Auch Kleider und Schuhe braucht er, weil Geschwätz und Trommeln ihn nicht wärmen. Sind die Grundbedürfnisse erst einmal gedeckt, wird sich schließlich Höherem zugewandt: Weil der Mensch ein Mensch sei, schrieb der Sozialist, habe er weder Stiefel im Gesicht gern, noch Sklaven unter sich – und über sich keinen Herrn. Von Liebe aber ist in dem von Ernst Busch gesungenen Stück nicht die Rede.
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