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  • »Ein Mann namens Otto«

Neuer Film mit Tom Hanks: Ein zuckriges Remake

In »Ein Mann namens Otto« spielt Tom Hanks einen pedantischen Grantler

  • Gabriele Summen
  • Lesedauer: 5 Min.

In letzter Zeit scheint Tom Hanks kein Händchen mehr für gute Rollen zu haben. In dem Biopic »Elvis« verkörperte er den grotesk-schmierigen Manager des »Kings« und konnte unter Baz Luhrmanns Regie in seinem Fatsuit seiner unsympathischen Figur recht wenig Leben einhauchen. In Robert Zemeckis hölzerner »Pinocchio«-Neuverfilmung gab er den Meister Geppetto, und nun entschied er sich, in dem Remake des schwedischen Kinoerfolgs von 2015 »Ein Mann namens Ove« den kurzerhand in Otto umbenannten Grantler mit dem ach so tief verborgenen großen Herzen zu spielen.

Der tragikomischen Geschichte, die auf dem gleichnamigen Bestseller von Fredrik Backman beruht, bleibt das Team des Films »Wenn Träume fliegen lernen«, bestehend aus Regisseur Marc Forster und Autor David Magee, recht treu, verflacht sie aber leider noch weiter.

Der Grundplot ist rasch erzählt: Otto, der im Remake in einem Vorort von Pennsylvania statt in einem Vorort in Schweden lebt, ist ein notorischer Pedant und Misanthrop, der frühmorgens in seinem Viertel seine Runden zieht, um nach dem Rechten zu schauen und bei Fehlverhalten seine Nachbarn grob zurechtzuweisen.

Nach seiner vorzeitigen Entlassung in den Ruhestand versucht Otto sich mehrfach umzubringen, den Grund dafür erfährt man nach und nach in Rückblenden: Seine geliebte Frau Sonja ist vor Kurzem verstorben, weshalb sein Lebenswillen vollständig erloschen ist. Eine neu hinzugezogene Familie, insbesondere deren weibliches Oberhaupt – eine mexikanische Immigrantin – vermag den verbitterten Witwer nach und nach wieder aus der Reserve zu locken. Eine bemitleidenswerte herumstreunende Katze und die zuckersüßen Töchter der Nachbarin spielen dabei ebenfalls eine Rolle.

Während der Grantler im schwedischen Original, das für den Auslands-Oscar nominiert war, überzeugend von Wallander-Darsteller Rolf Lassgård verkörpert wird, nimmt sich in der noch unglaubwürdigeren Neuverfilmung der zweifache Oscar-Preisträger Tom Hanks dieser Rolle an. Leider will Forster in seinem Remake noch mehr auf die Tränendrüse drücken als die Vorlage, und seine Version spielt viel weniger mit schwarzem Humor. Zudem wirkt Tom Hanks recht blaß aufspielender Sohn Truman, der in Rückblenden den jungen Otto spielt, merkwürdigerweise überhaupt nicht wie die jüngere Ausgabe des späteren Miesepeters – im Gegensatz zu Filip Berg im schwedischen Original.

Vielleicht aber wirkt die Tragikkomödie auch noch mehr wie eine Abfolge von Klischees als der schwedische Wohlfühlfilm, weil Hanks im kollektiven Filmgedächtnis als »Nice Guy« abgespeichert ist und die Zuschauer*innen von vornherein genau wissen, welche erstaunliche Wandlung er durchmachen wird. Trotz seiner hohen Schauspielkunst nimmt man ihm seine Rolle zu Beginn einfach nicht ab, zumal er, anders als Lassgård, sein griesgrämiges Verhalten gegen Ende komplett aufgibt.

Weitaus glaubwürdiger ist Mariana Treviño, die seine neue, warmherzige Nachbarin spielt. Wie die kampflustige junge Frau und der alte Grantler sich einander annähern, gehört zu den nettesten Momenten beider Filme. Wobei es schon wieder nervt, dass im amerikanischen Remake Marisol nicht so wunderbar kühl-pragmatisch sein darf wie Parvaneh im schwedischen Original.

Und natürlich darf der Junge, den Otto bei sich aufnimmt, da er einst ein Schüler seiner geliebten Sonja war, nicht einfach nur schwul sein, sondern muss – sich dem aktuellen, begrüßenswerten Bewusstseinswandel hohl anbiedernd – transsexuell sein. Versteht sich von selbst, dass der nach einem Schlaganfall reglos im Rollstuhl sitzende Freund des hochmütigen Paragrafenreiters im Remake politisch überkorrekt Schwarz ist.

Der Score von Thomas Newman in der Neuverfilmung ist leider noch unerträglicher als die Musik in der ursprünglichen Version des schwedischen Bestsellers. Und während der Inhalt des Buches, das Sonja bei ihrer ersten, in einer Rückblende gezeigten Begegnung bei sich hat, »Der Meister und Margarita«, in der Verfilmung von Hannes Holm eine kleine, feinsinnige Rolle spielt, dient es in Forsters Verfilmung lediglich als MacGuffin, also ein Objekt, das dramaturgisch als wichtig aufgebaut wird, aber eigentlich keine Rolle spielt.

Überhaupt die kitschigen Rückblenden, die häufig dann gezeigt werden, wenn Otto gerade wieder einmal vergeblich versucht sich umzubringen. Muss Selbstmord schön sein, könnte eine arglose Zuschauer*in da denken. Als Journalist*in muss man mit dem Thema zu Recht bewusster umgehen.

Während es in der schwedischen Verfilmung zudem bei den mentalen Ausflügen in die Vergangenheit zwischen der von Ida Engvoll gespielten Sonja und Filip Berg durchaus ein bisschen brizzelt, wirken Rachel Keller und Truman Hanks leider eher wie Brüderchen und Schwesterchen.

Immerhin zeigen beide Filme eine beinahe identische, hart an der Kitschgrenze vorbeischrammende, aber dennoch sehr schöne Liebesszene: Als Otto/Ove seine Angebetete zum ersten Mal in ein Restaurant einlädt, isst er kaum etwas. Auf ihre Frage gesteht der mittellose junge Mann ihr, dass er bereits vorher gegessen habe, damit sie sich alles aussuchen könne, was in der Karte steht. Beschämt über sein eigenes Geständnis, das seiner grundehrlichen Natur entspringt, will er nun gehen, doch seine Angebetete springt auf und küsst ihn herzhaft.

Insgesamt jedoch ist die tragische Liebesgeschichte der beiden mehr als unglaubwürdig. Und ein weißer alter Griesgram, der kein bisschen rassistisch, sexistisch oder transfeindlich ist, leider auch. Dabei schlummert unter der klebrigen Zuckergussschicht des Films, der auf Teufel komm raus die Kinokassen klingeln lassen will, eine nicht uninteressante Geschichte über Nachbarschaft, Wahlfamilien, Solidarität, Hilfsbereitschaft und Freundschaft, die in der schwedischen Verfilmung wenigstens gelegentlich kurz aufblitzt.

Wen diese Themen bewegen, der sollte sich vielleicht lieber einmal »St. Vincent« mit Bill Murray oder besser noch »Gran Torino« anschauen, in dem Clint Eastwood einen politisch völlig inkorrekten Grantler spielt, der in einem Detroiter Vorort eine glaubwürdige Wandlung durchlebt.

»Ein Mann namens Otto«, USA 2022. Regie: Marc Forster. Mit: Tom Hanks, Manuel Garcia-Rulfo, Mariana Treviño. 126 Min. Start: 2.2.

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