- Politik
- Haftstrafe gegen Andrzej Poczobut
Journalist Poczobut: Zwischen Polen und Belarus wird es frostiger
Verurteilung eines Journalisten führt zu weiteren Spannungen zwischen Warschau und Minsk
Das Urteil fiel hinter verschlossenen Türen. Acht Jahre, so entschied es der Richter in der westbalrussischen Großstadt Hrodna vor wenigen Tagen, muss der Journalist Andrzej Poczobut in ein Straflager. Poczobut, prominenter Vertreter der polnischen Minderheit in Belarus, hatte nach Auffassung des Gerichts mit seiner Forderung nach Sanktionen gegen das Regime von Alexander Lukaschenko die nationale Sicherheit gefährdet, außerdem soll er sich der Volksverhetzung schuldig gemacht haben.
Menschenrechtsorganisationen sprechen von einer politischen Verurteilung, denn Poczobut gilt als Gegner des Langzeitherrschers in Minsk. Der 49-Jährige hat sich in Belarus als Journalist der Hrodnaer Zeitungen »Dzen«, »Pahonja« und der landesweiten »Narodnaja Wolja« einen Namen gemacht und war Korrespondent für die Warschauer Tageszeitung »Gazeta Wyborcza« und den polnischen Auslandssender TVP Polonia. Als Vorstandsmitglied des Bundes der Polen in Belarus hat er sich zudem für die Rechte der offiziell rund 300 000 polnischstämmigen Menschen im Land eingesetzt.
Poczobut ist Aktivist der polnischen Minderheit in Polen
Für die Regierung in Warschau ist die Verurteilung Poczobuts ein weiteres Zeichen der zunehmenden Repressionen der belarussischen Regierung gegen die polnische Minderheit. Polen werde deshalb »mit Blick auf die Sicherheit des Landes« ab dem 10. Februar den Grenzübergang Bobrowniki schließen, verkündete Innenminister Mariusz Kamiński (PiS) in einer Mitteilung seines Hauses.
Die Schließung der wichtigen Grenzstation ist für den Handel von Belarus mit Polen und der gesamten Europäischen Union ein Rückschlag. Zumal der in der Nähe von Hrodna gelegene Grenzübergang Kuźnica-Brushi bereits seit einem Jahr wegen Straßensanierung außer Betrieb ist. Damit verbleibt aktuell nur der Grenzübergang zwischen Terespol und Brest. Kamiński kündigte außerdem weitere Sanktionen gegen »Personen, die mit dem Regime von Alexander Lukaschenko verbunden sind und für die Repressionen gegen Polen in Belarus verantwortlich sind«, an.
Beziehungen verschlechtern sich seit Jahren
Die Verurteilung Poczobuts bedeutet einen neuen Tiefpunkt in den polnisch-belarussischen Beziehungen, die seit den umstrittenen Präsidentschaftswahlen 2020 bereits merklich abgekühlt sind. Nachdem Diktator Lukaschenko die Abstimmung offensichtlich zu seinen Gunsten manipuliert hatte, protestierten wochenlang Zehntausende Menschen im ganzen Land gegen den Stimmenklau und für die vermeintliche Wahlsiegerin Swetlana Tichanowskaja, die für ihren zuvor verhafteten Mann Sergej angetreten war.
Als Lukaschenko 2021 massenhaft Kriegsflüchtlinge aus dem Nahen Osten und Afghanistan an die polnische Grenze brachte, sprach Warschau von einem hybriden Krieg und beschuldigte Minsk, die Lage in der Region und damit auch in Westeuropa destabilisieren zu wollen. Lukaschenko gestand damals, die Geflüchteten als Antwort auf EU-Sanktionen nach Westeuropa durchzuschleusen. Zuvor hatte Brüssel Strafmaßnahmen gegen das Regime verhängt, nachdem dieses am Mai 2021 ein Flugzeug auf seinem Weg von Athen nach Vilnius nach Minsk umleitete, um den Betreiber des oppositionellen Telegram-Kanals Nexta, Roman Protassewitsch, festzunehmen.
Unterstützung für die Ukraine ist auch Unterstützung für Belarus
Poczobuts Haftstrafe ist auch eine Ansage an die Polen in Belarus im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine. Immer wieder gibt Lukaschenko der Minderheit zu verstehen, dass die Unterstützung des Westens für die Ukraine negative Folgen haben wird und erhöht zunehmend den Druck auf die drittgrößte Bevölkerungsgruppe des Landes.
Warschau gibt sich von den neuen Repressionen unbeeindruckt. »Unsere Unterstützung für die Ukraine ist auch eine Unterstützung für Andrzej Poczobut«, sagte die ehemalige Vizepräsidentin des Sejm, Małgorzata Gosiewska, der Nachrichtenagentur PAP. Ein Sieg im Krieg gegen Russland sei unter anderem auch ein Sieg für das belarussische Volk, so die Politikerin.
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