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- Serie »Das Geständnis der Frannie Langton«
Stolz und Vorurteil
Der Vierteiler »Das Geständnis der Frannie Langton« erzählt von einer schwarzen Ex-Sklavin und ihrem Widerstandsgeist
Freiheit ist nicht schon deshalb eine, weil Freiheit draufsteht. Das britische Empire zum Beispiel hat Anfang des 19. Jahrhunderts zwar nach langjährigem Kulturkampf erst den Sklavenhandel und dann die Leibeigenschaft generell verboten. Doch selbst nachdem die Ketten Schwarzer Menschen im Besitz weißer Herren gesprengt waren, blieben viele von ihnen Gefangene – im Fall von Frannie Langton (Karla-Simone Spence) sogar buchstäblich.
Nach dem Roman der englischen Autorin Sara Collins, praktischerweise auch für das Drehbuch verantwortlich, wird ihre Titelfigur der englischen ITV-Serie »Das Geständnis der Frannie Langton« 1826 blutüberströmt im Bett der toten Madame Marguerite gefunden. Als ein Stockwerk tiefer dann auch noch deren Mann George Benham (Stephen Campbell Moore) ermordet am Boden liegt, scheint das Schicksal der Verdächtigen besiegelt: Dienstbotin, homosexuell, Schwarz – für eine frisch befreite Sklavin sind das so kurz nach dem »Slave Trade Act« drei Vorverurteilungen zu viel, um den anstehenden Prozess zu überstehen.
Einen Pflichtverteidiger (Henry Pettigrew) bekommt sie dennoch und erzählt ihm in Rückblenden, wie es so weit kommen konnte. Seit Leibeigene im Königreich keine Handelsware mehr sind, verschenkt Plantagenbesitzer John Langton (Steve Mackintosh) Frannie legal an seinen Geschäftspartner Benham. Als Abolitionist – wie Sklaverei-Gegner auch heißen – behandelt der sie zwar relativ gut, de facto aber bleibt die junge Jamaikanerin das Eigentum des angesehenen Wissenschaftlers und damit bestenfalls Fremdkörper, tendenziell jedoch exotisches Ausstellungsstück der ortsansässigen Upperclass.
Die verbotene Beziehung zur Frau ihres neuen Arbeitgebers macht die Lage für Frannie nur noch komplizierter. Und weil George Benham den gebrechlichen John Langton einst rassenkundlich an der minderjährigen Sklavin rumexperimentieren ließ, hatte sie gleich zwei Motive, den Mann ihrer Geliebten umzubringen. Sara Collins schildert die Hauptfigur demnach aus doppelter Perspektive: als Objekt einer Rassen- und Klassengesellschaft, in der befreite Sklaven zwar Bürgerrechte genießen, aber allenfalls Maskottchen oder Bedienstete bleiben. Und als Subjekt einer erst zart, dann explosiv keimenden Affäre mit der weit jüngeren Frau eines kleinadligen Forschers, die in der eingangs erwähnten Katastrophe zu enden scheint.
Dramaturgisch wie ästhetisch irgendwo zwischen »Oliver Twist« und »Bridgerton« angesiedelt, will die Romanadaption also viel sein: Sozialdrama und Lovestory, Coming-of-Age und Who-dunnit, Gefühlsmelodram und Histotainment, Milieu- und Charakterstudie, Eskapismus und Politikstudie. Dummerweise bleibt sie dabei von allem etwas, aber von wenig genügend. Unterm Geigenteppich pausenloser Streicher-Einlagen taucht Regisseurin Andrea Harkin (»The Trial of Christine Keeler«) ihren Film in einen Sud aus Blut, Schweiß und Tränen, der nicht nur ein bisschen dick aufträgt, sondern trotz der realistischen Erzählung oft unglaubwürdig gerät.
Was wiederum an der Hauptdarstellerin Karla-Simone Spence liegt, bekannt aus Andrew Onwubolus preisgekröntem Gang-Drama »Blue Story«. Die nämlich spielt Frannie mit einem notorisch impertinenten Dauerstolz im Gesicht, der schon deshalb gehörig nervt, weil er so kurz nach dem Ende der Leibeigenschaft vermutlich gewalttätige Gegenwehr der selbst ernannten Herrenrasse hervorgerufen hätte. Zu der zählten schließlich nicht nur reiche Sklaverei-Profiteure wie Langton, sondern auch sozial Benachteiligte wie Benhams strenge Gouvernante Mrs. Linux (Pooky Quesnel).
Schade eigentlich. Denn die mimische Überzeichnung lenkt nur davon ab, wie interessant die Erzählung vom Rassismus für imperialistische Kolonialreiche eigentlich ist, die das seinerzeit neue Forschungsfeld der Rassenkunde pseudowissenschaftlich unterfüttern halfen. Wohin dieser ideologisch verseuchte Zweig der Ethnologie führte, hat dann spätestens Afrikas Aufteilung auf der Berliner Kongo-Konferenz 1884 gezeigt, fast 50 Jahre später gefolgt vom nationalsozialistischen Rassenwahn.
Wahre Freiheit, lehren uns die vier Teile der Miniserie daher in nahezu jeder Minute, hat nur hintergründig mit Recht und Gesetz zu tun. Denn im Vordergrund juristischer Regeln handeln die Menschen letztlich immer nur nach ihrer individuellen Auslegung legaler Prinzipien. Frannie Langton mag demnach keine Leibeigene mehr sein. Ihre einzige Freiheit aber besteht im Stolz, sich nie unterkriegen zu lassen. Und den hätte ITV mal besser ein bisschen dezenter gezeichnet.
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