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- Biathlon-WM 2023 in Oberhof
Die Warnsignale des Körpers werden nicht mehr ignoriert
Nach schweren Krankheiten verzichten viele Biathletinnen nun sogar auf WM-Rennen
Als Patrick Mahomes am Sonntagabend kurz vor der Halbzeit des Super Bowls schon wieder zu humpeln begann, hielten die Footballfans weltweit den Atem an. Erneut war ihm ein Gegner auf den Knöchel gefallen, so hatte er sich schon im Viertelfinale der NFL eine Verletzung zugezogen, aber unter Schmerzen weitergespielt. Ebenso eine Woche später im Halbfinale. Nun also brach die Verletzung wieder auf, doch Mahomes kam in der zweiten Hälfte erneut zurück aufs Feld und führte die Kansas City Chiefs noch zum Sieg. Eine Heldengeschichte ganz nach amerikanischem Geschmack: Schmerz und Erschöpfung werden überwunden, koste es, was es wolle.
Ein menschlicher Körper lässt sich jedoch nicht ewig überlisten, schließlich sind jener Schmerz, jene Erschöpfung seine Warnsignale ans Gehirn: »Stopp! Bis hierhin und nicht weiter!« Ansonsten drohen dauerhafte Schäden. Diese Lektion musste im vergangenen Jahr auch die Norwegerin Marte Olsbu Røiseland lernen. Drei herausragende Jahre lagen hinter ihr: 2020 gewann sie in allen sieben WM-Rennen von Antholz eine Medaille, davon fünf goldene. 2022 legte sie in Peking fünf Olympiamedaillen und drei Titel nach. Die heute 32-Jährige war zur unbestritten besten Biathletin der Welt aufgestiegen.
Doch dafür hatte sie sich offenbar kräftig geschunden, und nun verlangte ihr Körper den Zoll dafür. Im März 2022 infizierte sie sich nur einen Monat nach den hermetisch abgeriegelten Spielen in China doch mit dem Coronavirus. Ihre Abwehrkräfte waren nach jahrelangem Training und einer kräftezehrenden Olympiasaison anscheinend aufgebraucht, sodass sie auch nach der ersten Genesung immer wieder über diverse Beschwerden klagte. Während der Vorbereitung auf die aktuelle Saison erkrankte sie im September auch noch an einer Gürtelrose.
Røiseland war gezwungen, endlich auf die Warnsignale zu hören. Die ersten drei Weltcupstationen verpasste sie. »Das Training im Herbst war schrecklich. Vor Weihnachten wurde es noch schlechter. Es war kein Spaß, am Fernseher den anderen im Weltcup zuzuschauen«, blickte die Norwegerin dieser Tage bei den Weltmeisterschaften zurück. »Aber das hat mir auch neue Motivation gegeben. Oberhof wurde mein großes Ziel.«
Immer wieder begann sie mit leichtem Training, um zu schauen, wie ihr Immunsystem darauf reagierte. »Ich musste Geduld beweisen. Zu Weihnachten, genau am 24. Dezember hatte mein Körper in einem Test dann endlich wieder die Trainingsbelastungen gut angenommen. Seitdem konnte ich wieder bei Wettkämpfen laufen, und die Form wurde mit jeder Woche besser«, so die Norwegerin. »Ich habe es gerade so geschafft bis zur WM. Darüber bin ich super glücklich.«
Im Sprint wurde Røiseland Vierte, in der Verfolgung holte sie Bronze. »Das ist für mich nach dieser Leidenszeit wie Gold«, freute sich die frühere Seriensiegerin über die Erfolge, von denen ihre Teamkollegin Tiril Eckhoff noch sehr weit entfernt ist. Auch die vierfache Weltmeisterin von 2021 hatte sich bei jener Party zum Abschluss der vergangenen Saison mit Corona infiziert. Sie traf es danach sogar noch härter. Bis heute ist Eckhoff in ärztlicher Behandlung, und die 32-Jährige denkt über ein Karriereende nach. »Ich bin sehr unsicher, ob ich noch mal zurückkehre, da ich so sehr mit meiner Gesundheit kämpfe«, sagte Eckhoff dem heimischen Sender NRK.
Die Doppelolympiasiegerin klagt bis heute über Schlafprobleme, »die ich meinem schlimmsten Feind nicht wünsche«. Für einen neuen harten Trainingszyklus über Sommer und Herbst hinweg fehle ihr jegliche Motivation. »Ich überlege, ob ich noch eine Saison ertragen kann oder ob ich es sein lasse«, so Eckhoff. »Ich weiß ja, wie groß der Aufwand dafür ist.« Und wie sehr sie ihren Körper abermals belasten müsste.
Auch Marte Olsbu Røiseland hat dazugelernt. Den schweren WM-Einzelwettbewerb über 15 Kilometer am Mittwoch in Oberhof ließ sie lieber aus. Sieben Rennen in zwölf Tagen müssen es nicht mehr sein. Neue Weltmeisterin wurde stattdessen die Schwedin Hanna Öberg, die auch schon mal auf einige Rennen verzichtet hatte, um Wochen später Olympiasiegerin zu werden. Hinter Öbergs Landsfrau Linn Persson gewann die Italienerin Lisa Vittozzi Bronze. Die hatte trotz aussichtsreicher Ausgangsposition die Verfolgung am Sonntag sausen lassen, weil sie sich krank fühlte. Auf Heldengeschichten, die am Ende doch nur nach hinten losgehen, hat offenbar keine Biathletin mehr Lust.
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