Es gibt nur eine Supermacht

Von Trump zu Biden – wie die US-Regierung ihre Ziele für alle anderen Länder verbindlich macht

Weltwirtschaft – Es gibt nur eine Supermacht

Vor einigen Jahren schien es, als drifte die Welt in Richtung einer multipolaren Weltordnung. Um das zu verhindern, gab US-Präsident Donald Trump die Devise »Make America Great Again« aus. Unter seiner Führung wurden Zölle gegen ausländische Güter verhängt, in Sachen russisches Gas und Iran-Sanktionen ging Washington auf Konfrontationskurs mit Europa. Die Abwehr chinesischer Smartphones und deutscher Autos ernannte die US-Regierung zu einer Frage der nationalen Sicherheit und entmachtete die Welthandelsorganisation (WTO). Das rief damals weltweit Proteste und Widerstand hervor. Heute dagegen ist die Führungsmacht der USA auf dem Weltmarkt wieder unangefochten. »Eine multipolare Weltordnung wird es so bald nicht geben«, so Hal Brands, Professor für internationale Politik.

2017 begann Trump unter dem Titel »America First« seinen Handelskrieg gegen den Rest der Welt. Er kündigte die Verhandlungen über das Freihandelsabkommen TTIP mit der EU und führte im Folgejahr Zölle gegen chinesische und europäische Güter ein, um die heimische Industrie zu schützen. Dabei setzte er sich über die Welthandelsregeln der WTO hinweg. Durch die Blockade der Besetzung von Posten beim WTO-Schiedsgericht sorgte Washington zudem dafür, dass die Welthandelsorganisation quasi entscheidungsunfähig wurde. Damit demonstrierte Trump, dass für die USA andere Regeln gelten als für andere Länder. »Die US-Regierung ist der Auffassung, von den bestehenden Regeln benachteiligt zu werden«, schrieb damals die Berliner Denkfabrik SWP. »Darum arbeitet sie derzeit massiv an der Auflösung des Systems.«

Darauf antworteten die EU und China mit Gegenzöllen auf US-Waren. Auf dem 20. EU-China-Gipfel 2018 gaben sie erstmals seit Jahren wieder eine gemeinsame Erklärung ab, in der sie ihre »strategische Partnerschaft« bekräftigten. »In der heutigen Welt ist diese Partnerschaft wichtiger als je zuvor«, sagte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, und Chinas Premier Li Keqiang nannte »die EU und China zwei Kräfte der Stabilität«. Beide Seiten plädierten auf dem Gipfel für ein freies globales Handelssystem mit der WTO als Kern.

Diese Haltung hat die EU inzwischen aufgegeben und sich dem Ziel der US-Regierung angeschlossen, Chinas Aufstieg zum ökonomischen und geopolitischen Konkurrenten zu verhindern. Sie hat der Volksrepublik den Status eines »strategischen Rivalen« gegeben und kooperiert eng mit den USA im neu gegründeten Transatlantischen Handels- und Technologierat (TTC). Dafür hat Washington die Zölle gegen EU-Waren derzeit ausgesetzt. Auch im »Technologiekrieg« gegen China steht Europa inzwischen an der Seite der USA. So haben kürzlich die Niederlande – Sitz des Chipriesen ASML – strengere Regeln für den Export von speziellen Chip-Fertigungsmaschinen nach China beschlossen.

»Arsenal der Demokratie«

Bei der Wiederherstellung der industriellen Dominanz der USA »folgt die Biden-Administration vielfach den Weichenstellungen der Trump-Regierung«, erklärt Bernd Weidensteiner von der Commerzbank. »Sie setzt dabei aber nicht mehr auf die bei Trump im Zentrum stehenden Zollerhöhungen, sondern auf eine direkte Förderung der Industrie.« Per Subventionen in die eigenen Produktionskapazitäten wollen sich die USA von Zulieferungen aus dem Ausland unabhängiger machen. Zudem »hat der Krieg Russlands in der Ukraine, bei dem die USA der mit Abstand wichtigste Waffenlieferant der Ukraine sind, ins Gedächtnis zurückgerufen, dass sich die USA als ›Arsenal der Demokratie‹ sehen«, so Weidensteiner. »Auch hierfür wird eine leistungsfähige Industrie als unabdingbare Grundlage angesehen.«

Um die heimische Industrie zu stärken, hat Washington verschiedene Multimilliarden-Dollar-Pakete aufgelegt, zuletzt den »Inflation Reduction Act« (IRA), gemäß dessen Bestimmungen vor allem US-amerikanische Unternehmen von der Förderung profitieren. Auch das widerspricht wohl geltenden Welthandelsregeln, worüber sich Washington aber souverän hinwegsetzt. Damit demonstriert die US-Regierung, dass sie sich als Garantiemacht der Weltordnung befugt sieht, die Regeln dieser Weltordnung nach ihren Vorstellungen zu gestalten – schließlich waren es in der Vergangenheit ja auch »diese Regeln, die die USA zu einer globalen Wirtschaftsmacht gemacht haben«, so die US-Juristen Scott Anderson und Chimène Keitner.

Diese Demonstration des Wechselspiels von Macht und Recht wird in Europa verstanden. Die EU fordert von Washington daher nicht, seine Subventionen WTO-konform zu gestalten, sondern bloß, in den privilegierten Kreis jener aufgenommen zu werden, die von den US-Milliarden profitieren können. Viel mehr bleibt ihnen nicht übrig. Zwar »setzt sich bei den verstimmten Alliierten in Europa und Japan die Ansicht durch, die USA seien ein Gesetzesbrecher, der seine aggressive Außenpolitik mit Subventionen, Exportkontrollen und der Entmachtung der WTO verfolgt«, schrieb kürzlich die britische »Financial Times«. Sie weist aber gleichzeitig darauf hin, dass das US-Militär die letzte Garantie der ökonomischen Weltordnung ist, auf die alle Staaten angewiesen sind: »Der fallweise Bedarf an roher Militärmacht zum Erhalt des Friedens ist gut belegt. In dieser Hinsicht bleiben die USA der Fels, auf dem ein beträchtlicher Teil des Überbaus des Welthandels ruht.«

Nord Stream 2 – »Wie soll das gehen?«

Bei der Nutzung ökonomischer Mittel zur Sicherung ihrer Dominanz »vermischt die US-Regierung immer häufiger Handels- und Sanktionspolitik«, erklärt das Washingtoner Institut PIIE. So erließ die Trump-Regierung 2019 Sanktionen gegen Unternehmen, die an der deutsch-russischen Gaspipeline Nord Stream 2 arbeiteten, die damals kurz vor der Fertigstellung stand. Im Dezember unterschrieb Trump das »Gesetz zum Schutz von Europas Energiesicherheit«. Die USA und die Nato, kritisierte Trump, beschützten Deutschland vor Russland, während Berlin Milliarden an Moskau zahle. »Wie soll das gehen?« Inzwischen sind die USA Europas größter Gaslieferant und Nord Stream 2 ist Geschichte.

Noch in Kraft sind dagegen die 2018 unter Trump verschärften US-Sanktionen gegen den Iran. Auch gegen sie hatte sich die EU ursprünglich gewehrt: Europa wollte damals keine zusätzlichen Maßnahmen gegen den Iran beschließen, sah sich an die US-Sanktionen daher nicht gebunden. Europas Unternehmen allerdings unterließen dennoch Geschäfte mit Teheran aus Angst, von der US-Regierung bestraft zu werden. »Wir lassen nicht zu, dass die USA über unsere Köpfe hinweg handeln«, versprach im Sommer 2018 Bundesaußenminister Heiko Maass. Die USA und Europa drifteten seit Jahren auseinander. »Die Bindekraft des Ost-West-Konflikts ist Geschichte. Es ist unverzichtbar, dass wir europäische Autonomie stärken, indem wir von den USA unabhängige Zahlungskanäle einrichten.« In der Folge riefen Deutschland, Großbritannien und Frankreich die Gesellschaft Instex ins Leben, die Iran-Geschäfte unter Umgehung von US-Banken und US-Dollar finanzieren sollte. Doch Europas Unternehmen winkten ab. Die Drohung der USA, sie von der Weltwährung Dollar abzuschneiden, war zu stark.

Die überragende Macht ihres Dollar nutzten die USA auch in den jüngsten Krisen, was die Welt bis heute zu spüren bekommt. Im Gefolge der Corona-Pandemie legte Washington mehrere Konjunkturpakete auf, unter anderem den American Rescue Plan, der allein 1,7 Billionen Dollar schwer war. Die staatliche Unterstützung für Haushalte, Unternehmen und Konjunktur »hatte Ausmaße wie im Zweiten Weltkrieg«, schrieb der Ökonom Lawrence Summers in der »Washington Post«. In der Folge ist die US-Schuld auf 31 Billionen Dollar gestiegen, doppelt so viel wie vor elf Jahren. Doch dank der Macht des Dollar und der US-Ökonomie erhält Washington von den Finanzmärkten jeden Kredit, den es braucht.

Souverän auch in der Krise

Die Fiskalpakete trieben die zahlungsfähige Nachfrage in die Höhe, was einerseits zu einer Erholung der US-Wirtschaft führte. Gleichzeitig jedoch gab dieser Boom den Unternehmen die Gelegenheit, ihre Preise zu erhöhen. Um die Inflation zu senken, begann die US-Zentralbank mit Zinserhöhungen – und trieb den Rest der Welt damit in eine neue Phase des Dollar-Zyklus. Denn steigende Zinsen in den USA zogen das globale Kapital in die Vereinigten Staaten, deren Dollar stark aufwertete. Um Kapitalabfluss und Währungsabwertungen zu verhindern oder abzumildern, mussten alle anderen Währungsräume mit deutlichen Zinserhöhungen nachziehen. Das schädigte zwar ihre Ökonomien. Aber die Konkurrenz zum starken Dollar ließ ihnen keine Wahl, sie mussten folgen. »Die USA hingegen sind frei in der Wahl ihrer Geldpolitik und müssen sich nicht mit anderen koordinieren«, so die französische Bank Natixis.

Viele ärmere Länder hat dies an den Rand der Pleite getrieben – mit schwerwiegenden Folgen. Laut UN-Organisation Unctad müssen sie nun »eine doppelte Last tragen: Sie zahlen nicht nur höhere Preise für ihre Nahrungsmittelimporte, sondern diese Preiserhöhungen werden verstärkt durch die Abwertung ihrer Währungen gegenüber dem Dollar«. Zusammen mit den steigenden Zinsen mindere dies ihre finanziellen Möglichkeiten, gegen Corona, die steigenden Lebenshaltungskosten und den Klimanotstand anzugehen.

Für Europa bedeuten die steigenden Zinsen zwar lediglich eine Abschwächung der Konjunktur, die zu den hohen Energiepreisen hinzukommt. Aber »dass die Entwicklung der Inflation in der EU derjenigen in den USA mit einiger Verzögerung folgte«, so der Ökonom Thomas Sablowski, »verweist einmal mehr darauf, dass die USA immer noch das dominierende Zentrum der kapitalistischen Weltwirtschaft sind.« Es gibt tatsächlich nur eine Weltmacht.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.