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Ganz und gar ein Diplomat
DDR-Außenpolitiker Bruno Mahlow verstorben
Nach Modrow nun auch noch Mahlow, gestorben am 22. Februar. Die beiden verband nicht nur die Zuneigung zu den Russen und zu den Chinesen, sondern auch das politische Leiden an »ihrer Partei«. Als Hans Modrow aus dem Ältestenrat der Linkspartei gemobbt wurde, ging auch Bruno Mahlow. Im November 2022 schloss er sich der DKP an.
Bruno war 1937 als Kind deutscher Emigranten in Moskau geboren worden und kam als Zehnjähriger nach Deutschland, während Modrow sich noch in sowjetischer Kriegsgefangenschaft befand. Mahlow kehrte in den Fünfzigerjahren nach Moskau zurück, um dort Außenpolitik zu studieren. Mitte der Sechzigerjahre, während der Kulturrevolution, war er als Botschaftssekretär in Peking. Seine schwangere Frau wurde damals Opfer eines gewalttätigen Überfalls der »Roten Garden«. Darüber sprach er nie. Nicht nur, weil er ganz Diplomat war. Sondern weil er grundsätzlich unterschied zwischen Wesen und Erscheinung, zwischen Wesentlichem und Nebensächlichem. In der Politik gab es für ihn kein »Jein« oder »Sowohl als auch«. Bei manchen Urteilen war er höchst undiplomatisch. Oder er schwieg.
Mahlow nahm an den jährlichen Interkit-Konferenzen teil, zu denen Moskau seit 1967 einlud, um in der Auseinandersetzung mit Mao die sozialistischen Brüder auf seine Linie zu bringen. (»Zu den Interkit-Konferenzen kam die sowjetische Delegation stets mit einem vorbereiteten Protokoll, das die anderen Teilnehmer dann nur noch unterschreiben sollten.«) 1982 verweigerte Mahlow die Unterschrift und forderte, dass man endlich konstruktive Schritte in Richtung China gehen müsse. Natürlich war das kein Alleingang, aber darin flossen auch seine persönlichen Beobachtungen ein. Als stellvertretender Leiter der Abteilung Internationale Verbindungen im ZK der SED begleitete er seinen Chef nicht nur als Dolmetscher zu den alljährlichen Krim-Treffen. Dort hatte er wiederholt erlebt, dass Breschnew Honecker wie einen kleinen Schüler verwarnte, nicht auf die Pekinger Führung hereinzufallen. Nach der Verweigerung befasste sich die China-Kommission des Politbüros des ZK der KPdSU mit dem »Vorfall« und kritisierte den SED-Generalsekretär Honecker namentlich. Bruno Mahlow unterzeichnete fortan kein Interkit-Protokoll mehr. Das von Peking mit Fanhua Guoji (»Antichinesische Internationale«) bezeichnete Gremium war damit tot. Anfang 1985 fand die letzte Konferenz in Moskau statt.
Ungeachtet solcher Verwerfungen blieb Bruno Mahlow zeitlebens ein Freund der Völker Russlands und Chinas. In unzähligen Reden, Zeitungsbeiträgen und Leserbriefen machte er dies deutlich. Sie erschienen in drei Sammelbänden, deren Titel Programm waren, etwa: »Wir stehen in der Geschichte und damit in der Verantwortung« (2012) oder »Ein Hoch auf die Russen und die Revolution« (2017). Memoiren hat Bruno Mahlow nie geschrieben, obgleich er doch Insider war und viel mitzuteilen gehabt hätte. Und auch in den veröffentlichten Texten kommt das Wort »Ich« nicht vor. Er war in dieser Angelegenheit ganz geprägt von seiner Zeit: Als Parteisoldat überlässt man den Kommandeuren das Wort und die Bühne. Selten nur widersprach er ihnen öffentlich. Als Gorbatschow vom gemeinsamen europäischen Haus schwadronierte und dafür im Westen bejubelt wurde, erlaubte sich Mahlow den Hinweis, dass nicht er, sondern sein Vorgänger Breschnew bereits bei seinem Bonn-Besuch 1981 diese Illusion in die Welt gesetzt habe. Ohne Konzept, ohne konkrete Vorschläge für eine ausbalancierte Sicherheitsstruktur. Mahlow nannte Breschnews Überlegung unrealistisch und verantwortungslos. Damit habe Moskau »auch unter den aufrichtigen Verbündeten« für Verwirrung und Unsicherheit gesorgt.
Es sollte nicht zum ersten und auch nicht zum letzten Mal gewesen sein, dass der Kreml solches tat.
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