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»Wir brauchen mehr Solidarität«
Linke-Geschäftsführer Tobias Bank über Querfront-Debatten und die Krise der Partei
Die Linke bietet aktuell insbesondere in der Frage der Haltung zu Waffenlieferungen an die Ukraine ein Bild der Zerrissenheit. Seit der von Sahra Wagenknecht mit initiierten Demonstration »Aufstand für Frieden« hat sich der Streit nochmals zugespitzt. Der Parteiführung wird eine unklare Haltung vorgeworfen …
Zunächst möchte ich festhalten, dass die Parteispitze in der Friedensfrage eindeutig ist. Alle Beschlüsse, sowohl die auf dem Bundesparteitag im Juni 2022 als auch die des Geschäftsführenden Parteivorstandes und des Bundesvorstandes, sind in der Frage der Ablehnung der Waffenlieferungen klar. Die Linke ist und bleibt die einzige Friedenspartei, die im Bundestag vertreten ist. Wir alle wollen den Fokus auf Verhandlungen und auf Diplomatie setzen, um das Leid in der Ukraine zu beenden. Der Vorstand hat sich nicht von dem Aufruf zu der genannten Demo distanziert, sondern er hat ihn sich nicht zu eigen gemacht. Das ist ein Unterschied. Wir haben einen Beschluss gefasst, der zu Demonstrationen, Kundgebungen und Mahnwachen zum Jahrestag des russischen Überfalls auf die Ukraine aufruft. Zugleich haben wir betont, dass es selbstverständlich jedem Genossen und jeder Genossin frei steht zu entscheiden, an welcher Veranstaltung er oder sie teilnimmt. Uns war wichtig, dass linke Positionen bei den Veranstaltungen vertreten werden. Kritisiert hat der Vorstand in Absprache mit den Landesvorsitzenden, dass sich die Veranstalter der Demonstration am Brandenburger Tor nicht deutlich genug gegen die Teilnahme von Rechtsextremisten ausgesprochen haben, nachdem bekannt geworden war, dass diese zu dieser Demo mobilisieren.
Tobias Bank ist seit dem 24. Juni vergangenen Jahres Bundesgeschäftsführer der Partei Die Linke. Der 35-Jährige lebt in Wustermark (Brandenburg) und engagiert sich in der Linken seit langem ehrenamtlich kommunalpolitisch, unter anderem als Mitglied des Kreistages Havelland.
Zugleich haben Unterzeichner zurecht darauf hingewiesen, dass man die Teilnahme von unerwünschten Personen nicht hundertprozentig verhindern kann …
Das ist nicht der Punkt, ich mache mir da nichts vor, niemand kann das verhindern. Aber man hätte sich im Vorfeld eindeutiger positionieren müssen, um es so weit wie möglich einzugrenzen. Wie alle Veranstaltungen und Demos an dem Wochenende gezeigt haben, ist der Wunsch nach Frieden in der Bevölkerung groß. Das ist für uns alle ein Erfolg. Ich bin froh um jede Genossin und jeden Genossen, die zu der Demo gegangen sind und Jürgen Elsässer und andere Rechtsextremisten abgedrängt haben und als Ordner tätig waren. Der Vorstand konnte aber keine Verantwortung für die Veranstaltung übernehmen, nachdem zum Beispiel Oskar Lafontaine eindeutig gesagt hat, dass jeder dort willkommen sei. Als Linke mit einem antifaschistischen Grundkonsens können wir nicht ausblenden, wenn wegen solcher Aussagen rechtsextreme Organisationen wie die Freien Sachsen und die Freien Niedersachsen zu dieser Demo mobilisieren. Einige Erstunterzeichner des »Manifests für Frieden« haben genau das kritisiert.
Deswegen sagen die einen, der Vorstand hätte sich gegen eine Teilnahme von Linke-Mitgliedern aussprechen müssen. Die anderen sind der Meinung, die Parteispitze hätte mit einem eigenen Aufruf mobilisieren und die Genossen auch logistisch unterstützen müssen, damit die große Zahl linker Teilnehmer sichtbar wird.
Eines der Probleme war, dass das Manifest für Frieden am 10. Februar veröffentlicht wurde, der Parteivorstand auch dann erst davon erfahren hat und bis zur Demo nur 14 Tage Zeit waren. Wenn man Die Linke hätte dabei haben wollen, hätte man vorher mit ihren Funktionsträgern sprechen sollen. Das war offenbar nicht gewollt. Wir haben dann mit Sahra Wagenknecht eine der Initiatorinnen in den Vorstand eingeladen. Bis unmittelbar vor der Kundgebung war nicht zu erfahren, wer dort sprechen wird. Und mal ehrlich, der Parteivorstand kann doch nicht zu einer Demo mobilisieren, von der er nicht einmal weiß, wer dort auftritt und wo wir auch sonst in keiner Weise Einfluss auf den Verlauf nehmen können. Was wir wissen, ist, dass Gregor Gysi angeboten hat, dort zu sprechen. Das ist abgelehnt worden.
Querfront-Vorwürfe von Genossen gegen Genossen gab es schon vor Monaten, nachdem auf von Linke-Ortsverbänden organisierten Demos Rechte aufgetaucht sind. Waren die berechtigt?
Der Umgang einiger Genossinnen und Genossen untereinander ist manchmal unerträglich. Ich bin mal in eine Partei eingetreten, in der wir den Gedanken der Solidarität nicht nur nach außen getragen haben, sondern in der wir Solidarität auch nach innen gelebt haben. Ich würde mir wünschen, dass wir dazu wieder zurückfinden. Für mich ist wichtig, dass wir in der Debatte deutlich machen: Wir sind eine antifaschistische Partei und eine Friedenspartei. »Nie wieder Krieg« und »Nie wieder Faschismus« gehören für uns zusammen. Zugleich muss uns klar sein, dass wir, wenn wir einen Demoaufruf starten und dabei Bündnispartner suchen, Formulierungen finden müssen, die nicht immer zu hundert Prozent unsere sein werden. In diesem Zusammenhang muss man sich auch nichts vormachen, dass man alleine keine große Mobilsierungsfähigkeit haben wird. Das bedeutet aber nicht, dass wir unsere Überzeugungen damit über Bord werfen.
Welche Akzente konnten Sie in den ersten acht Monaten Ihrer Amtszeit als Bundesgeschäftsführer setzen?
Mir ist es besonders wichtig, die Zusammenarbeit zwischen Partei und Bundestagsfraktion auf ein neues Niveau zu heben. Das ist mir mit Jan Korte, dem Parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktion, an verschiedenen Punkten gelungen. Ich nehme an jeder Fraktionssitzung teil, um die Debatten genau zu kennen, mich dort einzubringen und im Zweifelsfall zwischen Fraktion und Partei eine Scharnierfunktion zu übernehmen.
Und wie läuft die Kommunikation mit der Parteibasis?
Jede Woche besuche ich einen Orts- oder Kreisverband, um die Probleme, aber auch Ideen und Vorschläge von Genossen, mit nach Berlin zu nehmen. Gleichzeitig sorge ich dafür, dass unsere Beschlüsse und unser Agieren als Vorstand transparenter werden. Ich glaube, wir können nur dann Brücken bauen, wenn wir uns an einen Tisch setzen und offen über Konflikte reden. Wir müssen klären, wo Verbesserungsbedarf besteht und wo es Ansätze gibt, die wir weiterverfolgen sollten. Es geht auch darum zu analysieren, wo wir vielleicht danebengehauen haben. Außerdem nehme ich an allen Online-Beratungen mit den Kreisvorsitzenden teil und bin regelmäßig im Austausch mit unseren kommunalen Mandatsträgern.
Insbesondere im Westen hat Die Linke durchaus Zulauf, während es im Osten echte Nachwuchsprobleme gibt. Wie lässt sich das ändern?
In erster Linie müssen wir dafür sorgen, dass sich die Generationen wieder mehr an einen Tisch setzen und miteinander reden. Im Augenblick treffen sich Ältere wie Junge noch zu oft mit sich selbst. Das führt dazu, dass man gar kein Verständnis mehr für die Position des anderen hat, dass man sich nur in seinem eigenen Kreis bewegt und gar nicht weiß, wie andere Gruppen in der Partei denken, fühlen und handeln. Mein Leitspruch ist: raus aus den sozialen Medien und rein in die Parteigruppen.
Wie wollen Sie überhaupt junge Menschen für die Linkspartei begeistern?
Wir haben die richtigen Ansätze, Inhalte, die begeistern können, und wirklich gute Beschlüsse. Aber die lassen sich natürlich am besten nach außen transportieren, wenn diejenigen, die sie vermitteln, selbst jüngere Leute sind. Wo wir schon junge Leute haben, da werden auch andere angezogen. Aber ich will auch deutlich sagen, dass Jugend kein Wert an sich ist. Wir brauchen alle Generationen: die Erfahrungen der Alten, die noch Krieg miterlebt haben, und den Mut der Jungen, zum Beispiel in der Klimafrage eindeutig zu sein. Wir brauchen aber natürlich auch die Menschen, die mitten im Arbeitsleben stehen. Nur so können wir die Probleme der gesamten Gesellschaft im Blick behalten. Denn wir wollen doch die Gesellschaft für alle Menschen gerechter machen und gesellschaftliche Relevanz entfalten.
Ihrer Position braucht man wahrscheinlich einen unerschütterlichen Optimismus. Was macht Ihnen Mut?
Ja, den Optimismus hab ich. Ich habe mich doch nicht 20 Jahre lang in der PDS und der Linken gegen den Kapitalismus engagiert, um an einer Stelle aufzugeben, an der ich vielleicht real etwas bewirken kann. Aber wir sind tatsächlich in einer schwierigen Lage. Schon rein von der Menge der Arbeitsaufträge her, die wir vom Parteitag und Bundesausschuss bekommen haben. Dazu kommen die hohen Erwartungen von der Basis. All das mit immer weniger Ressourcen umzusetzen, ist eine enorme Herausforderung.
Welche Aufgaben sind das konkret, die nun anstehen?
Da ist der Auftrag der programmatischen Weiterentwicklung, der mit riesigem Koordinations- und Zeitaufwand verbunden ist. Denn der muss gut durchdacht und mit der Parteibasis besprochen sein. Wir müssen außerdem den Mitgliederentscheid zum Bedingungslosen Grundeinkommen umsetzen und eine Strukturreform auf den Weg bringen. Hier ist in den vergangenen Jahren sehr viel ungesehen und unbearbeitet geblieben. Wir konzentrieren uns zusätzlich aktuell massiv auf die Unterstützung der Landesverbände, die in diesem Jahr Wahlen haben und bereiten den Europawahlprogrammprozess und den Europaparteitag im November vor. Auf dem kommenden Parteitag muss das Programm zur Europawahl im Frühjahr 2024 beschlossen werden, und die Vertreterversammlung muss unsere Kandidatinnen und Kandidaten für das Europäische Parlament bestimmen.
Das dürfte eigentlich schon für zwei Amtszeiten reichen …
Zusätzlich wird es ein aktualisiertes Mitgliederprogramm geben und wir schaffen in der Bundesgeschäftsstelle einen Fachbereich für Digitales, um die Partei für die Zukunft fit zu machen. Die Bundesgeschäftsstelle hat also alle Hände voll zutun. Wir werden mit Sicherheit nicht alle Erwartungen erfüllen können. Entscheidend ist aber, dass wir diese Prozesse jetzt angestoßen haben, damit Die Linke eine zukunftsfähige Mitgliederpartei wird, die es schafft, die Gesellschaft zum Positiven zu verändern.
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