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CDU und SPD in Berlin: Heiteres Postenverteilen
CDU und SPD in Berlin stecken schon vor den Koalitionsverhandlungen ihre Einflusssphären ab
Der Zeitplan für die Bildung eines Senats aus CDU und SPD ist knackig. Spätestens Anfang Mai will sich CDU-Landeschef Kai Wegner nach eigenen Angaben zum neuen Regierenden Bürgermeister wählen lassen. Bereits an diesem Donnerstag sollen die schwarz-roten Koalitionsverhandlungen beginnen. Eine sogenannte Dachgruppe wird zunächst die rund ein Dutzend fachspezifischen Arbeitsgruppen einsetzen. Dann geht es in die Auseinandersetzung um die Einzelthemen.
Dabei haben CDU und SPD schon vor dem Start der Verhandlungen mit Blick auf die spätere Ressortverteilung einen Teil der jeweils für sich beanspruchten Einflusssphären abgesteckt. So soll das wichtige Finanzressort an die CDU gehen, während die SPD im Gegenzug mit dem parteiübergreifend geschätzten Amtsinhaber Stephan Schwarz weiter den Wirtschaftssenator stellen könnte.
Darüber hinaus erklärte SPD-Landeschef Raed Saleh bereits unmissverständlich, dass »ein wesentliches Ergebnis der Sondierungsgespräche« die »feste Verabredung« gewesen sei, »dass das Innenressort von der SPD besetzt wird«. Ob die bisherige Innensenatorin Iris Spranger im Amt bleiben wird, ließ Saleh zwar offen. Da die Positionen der Saleh-Vertrauten aber in der Vergangenheit ohnehin häufiger Applaus bei den Konservativen gefunden haben als bei ihren eigentlichen Koalitionspartnern Grüne und Die Linke, dürfte ein etwaiger Wunsch nach personeller Kontinuität auf wenig Gegenwehr bei der CDU stoßen.
Wie aus Kreisen der SPD-Führung zu hören ist, gibt es auch hinsichtlich der Besetzung eines Staatssekretärspostens in Sprangers Haus erste Personalideen. Dem Vernehmen nach könnte hier Tom Schreiber zum Zuge kommen. Der als polizeipolitischer Hardliner bekannte ehemalige innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion hatte sein Abgeordnetenhausmandat bei der Wiederholungswahl verloren. Nun könnte er ein Comeback feiern.
Als sicher gilt zudem, wer von der SPD in einem künftigen Senat seinen Hut nehmen muss. Da wäre zum einen Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse. Die CDU hatte zuletzt bei jeder sich bietenden Gelegenheit wiederholt, dass man sich den Zugriff auf das Mammutressort Bildung, Jugend und Familie sichern wolle. »Dass das Thema Bildung bei mir eine hohe Priorität hat, war so, ist so und bleibt so«, hatte Kai Wegner erst am Wochenende in einem Interview mit dem »Tagesspiegel« noch einmal betont.
Schon im Januar hatte Wegner mit Katharina Günther-Wünsch, der bildungspolitischen Sprecherin der CDU-Fraktion, auch gleich seine Wunschkandidatin für den Posten vorgestellt. Wie die häufig belächelte ehemalige Grundschulleiterin Astrid-Sabine Busse kommt auch Günther-Wünsch als Studiendirektorin an einer Neuköllner Gemeinschaftsschule unmittelbar aus der Schulpraxis. Die Leitung des Tankers Bildungsverwaltung gilt eigentlich als undankbare Aufgabe. Die CDU stört das wenig. »Ich bin mir ziemlich sicher, dass die CDU hier in Verantwortung gehen wird. Wenn das so ist, wird Katharina Günther-Wünsch meine Bildungssenatorin«, sagte Wegner.
An Realitätsverweigerung grenzt deshalb, wenn Kevin Hönicke, Beisitzer im SPD-Landesvorstand und Bezirksstadtrat in Lichtenberg, via Twitter fordert, dass neben Bereichen wie Inneres, Soziales und Bauen auch die Bildungsverwaltung »in der Verantwortung der SPD stehen sollte, wenn wir Koalitionsverhandlungen erfolgreich abschließen«. Das sei Quatsch, heißt es dazu aus der SPD-Führung. Dass die Bildung an die Christdemokraten gehe, sei »ausgemacht«.
Ausgemacht ist zudem, dass die Amtstage von SPD-Bausenator Andreas Geisel gezählt sind. Der Vertraute der Noch-Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey wäre auch bei einer Fortführung von Rot-Grün-Rot kaum zu halten gewesen. Mit seiner beteiligungsfeindlichen Amtsführung hat sich Geisel bekanntlich keine Freunde in der Berliner Stadtgesellschaft gemacht.
Für die CDU entscheidender ist, dass er als ehemaliger Innensenator die Pannenwahl im September 2021 zu verantworten hat. »Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass jemand weiter im Amt bleibt, der für dieses Wahlchaos verantwortlich ist und dafür, dass 39 Millionen Euro Steuerzahlergeld verbraten werden für diese Wahlwiederholung«, hatte CDU-Chef Wegner schon Anfang Februar zu »nd« gesagt. Auch bei der SPD kann sich das wohl inzwischen keiner mehr vorstellen. Das Ressort könnten die Sozialdemokraten gleichwohl behalten.
Glaubt man den Spekulationen, stünde mit Franziska Giffey auch schon eine Nachfolgerin für Geisel bereit – möglicherweise sogar in einem neuen Super-Ressort, das auch den Verkehrsbereich umfasst. Wirklich wundern würde die Personalie nicht. Mit ihrem Motto »bauen, bauen, bauen« und ihren Ausbremserqualitäten in Sachen Verkehrswende dürfte Giffey bei der nicht eben kleinen Gruppe der Immobilien- und Autofreunde in einer neuen Koalition offene Türen einrennen.
Jenseits der personalpolitischen Muskelspiele im Vorfeld der Koalitionsverhandlungen und auch jenseits aller fleißig betonten inhaltlichen Schnittmengen zwischen CDU und SPD: Ob und wie friedvoll die Gespräche verlaufen werden, ist aktuell nicht absehbar. So erwartet dann auch der umweltpolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Danny Freymark, nicht zuletzt in seinem Bereich durchaus Gesprächsbedarf. »Worauf ich keine Lust habe, dass ich der SPD erklären muss, warum Klimaneutralität für Berlin wichtig ist«, sagt Freymark zu »nd«.
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