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Kommt die Scharlachwelle?
Wegen Pandemie Nachholeffekt bei Infektionen von Kindern befürchtet
Kommt nun nach der Pandemie und einer Infektionswelle mit dem RS-Virus noch ein Revival der Scharlach-Erkrankungen? Auswertungen von Zahlen der Barmer-Krankenkasse aus den Jahren 2005 bis 2021 könnten das vermuten lassen. Die Kasse hat für ihren neuen Arztreport den Schwerpunkt auf die Kindergesundheit gelegt, also auf Diagnosen, die Heranwachsende zwischen 0 und 14 Jahren erhalten haben. Der Bericht wurde am Dienstag in Berlin vorgestellt.
Scharlach wird durch Tröpfcheninfektion mit bestimmten Bakterien ausgelöst. Zu Beginn der Erkrankung ist die Zunge mittig weiß gefärbt, später wird sie tiefrot. Es entwickelt sich unter anderem der typische, wenig oder kaum juckende Hautausschlag, der Hand- und Fußflächen ausspart. Weitere Symptome kommen hinzu.
Die Barmer-Zahlen zeigen, dass es während der Pandemie einen drastischen Rückgang bei diesen Infektionen gab: 2019 hatten sich 235 000 Kinder angesteckt, im Jahr 2021 waren es nur noch knapp 25 200. Wegen des Ausbleibens der üblichen Scharlachwelle in den Kitas befürchtet die Barmer nun, dass es zu starken Nachholeffekten bei älteren Schulkindern kommen könnte. Hier drohten »außergewöhnlich schwere Verläufe«.
Hinzu kommt, dass man an Scharlach mehrfach erkranken kann. Immunität wird nur gegenüber den Toxinen des schon einmal kontaktierten Bakterienstammes erreicht. Immerhin beseitigt die Behandlung mit Antibiotika schon nach 48 Stunden die Ansteckungsgefahr, wie Joachim Szecsenyi erläutert. Der Mediziner und Sozialwissenschaftler ist Autor des Arztreports und Geschäftsführer des Aqua-Instituts in Göttingen, das zu Gesundheitsthemen forscht.
Bei den meisten anderen Krankheiten sind die Sorgen nicht so groß: So ging in der Pandemie auch auch die Zahl der Erkrankungen mit Ringelröteln um 81 Prozent zurück, mit Windpocken um 64 Prozent. Bei Letzteren setzt sich nur ein längerfristiger Rückgang seit der Impfempfehlung im Jahr 2004 fort. Bei den auslösenden Herpesviren ist zu beachten, dass sie im späteren Leben als Gürtelrose noch einmal zurückkommen können, dann meist wesentlich schmerzhafter als beim Erstkontakt mit Windpocken. Hier sind geimpfte Menschen im Vorteil. »Bei ihnen verläuft die Gürtelrose milder als bei zuvor an Windpocken Erkrankten«, erläutert Szecsenyi. Großeltern sollten wissen, dass sie mit einer Gürtelrose ungeimpfte Kinder anstecken können. »Die bekommen dann Windpocken.«
Aber bei den Infektionen gibt es seit 2005 auch noch andere Verläufe: Kaum beeinflusst von der Pandemie scheint etwa die Häufigkeit des sogenannten Dreitagefiebers. Ein Rätsel gibt die Hand-Fuß-Mund-Krankheit auf: Im letzten Quartal des Jahres 2022 erkrankten daran sogar mehr Kinder als während des gesamten Zeitraums seit 2005. Die durch Viren ausgelöste Infektion geht mit einem Ausschlag im Mund sowie an den Handflächen und Fußsohlen einher, auch andere Körperteile können betroffen sein. Eine vage Idee zur plötzlichen Häufigkeit der Erkrankung gibt die Übertragung per Schmierinfektion, die eben nicht von Masken verhindert wird. Auch mit der Hand-Fuß-Mund-Krankheit können sich Menschen mehrfach anstecken, bis ins Erwachsenenalter.
Den Report-Ergebnissen zufolge weisen die einzelnen Kinderkrankheiten zum Teil enorme Unterschiede bei den regionalen Diagnoseraten auf. Im Jahr 2021 findet sich bei Kindern bis 14 Jahren die niedrigste Scharlach-Rate in den Bundesländern Bremen, Baden-Württemberg und Berlin. Hier gab es zwischen 7 und 16 Krankheitsfälle je 10 000 Personen in der Altersgruppe. Am höchsten betroffen waren die Altersgefährten in Schleswig-Holstein mit 39 Erkrankten je 10 000 Personen.
Barmer-Chef Christoph Straub erinnert daran, dass Kinder die großen Verlierer der Corona-Pandemie seien. Auch deswegen fordert er evidenzbasierte Konzepte, die für künftige Pandemien als eine Art Blaupause dienen könnten. Besser als vermutet sieht es bei der Betrachtung der gesamten medizinischen Versorgung aus. So erhielten von den mehr als elf Millionen Kindern in Deutschland im Jahr 2021 fast 94 Prozent mindestens eine ambulante ärztliche Behandlung. Das entspricht der Häufigkeit von Arztkontakten vor der Pandemie.
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