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Wenn der Roboter assistiert
Präzisere und schonendere Eingriffe sowie weniger Schmerzen durch neue Technik in der Chirurgie
Der menschliche Körper ist nicht vollkommen. Das merken wir nicht nur beim Blick in den Spiegel, sondern mit zunehmendem Alter auch in unseren Gelenken. Hier und da stellt sich ein Zipperlein ein, vor allem unsere Gelenke wollen nicht mehr so mitspielen, wie noch in etlichen Jahren zuvor. Die moderne Medizin hat auf diesen natürlichen Verschleiß reagiert: Schulter-, Hüft-, Knie- und Fußgelenke können mittlerweile mit technisch ausgefeilten Prothesen teilweise oder ganz ersetzt werden. Dabei hilft die Computertechnik, Knieendoprothesen zielgenau zu implantieren.
Hier kommt Rosa ins Spiel: das Wort steht als Abkürzung für Robotic Surgical Assistant. Mithilfe des rechnergestützten Operationsassistenten wurden im Berliner Evangelischen Waldkrankenhaus Spandau bereits 1000 Knieprothesen implantiert. Der Direktor der dortigen Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Ulrich Nöth, kann seinen Stolz darüber nicht verhehlen. Rosa wurde von Medizinern und Ingenieuren des US-amerikanischen Medizintechnikunternehmens Zimmer Biomet entwickelt.
Nicht nur Orthopäden und Chirurgen, sondern auch Patienten zeigen sich mit dem neuen Operationsverfahren zufrieden. Die 79-jährige Berlinerin Christiane P., bei der die 1000. Knieendoprothese mit Rosa von Ulrich Nöth und seinem Team implantiert wurde, fühlt sich nach der Operation glücklich und erleichtert. Den Eingriff spüre sie gar nicht, Schmerzen, die sie lange plagten, sind endlich verschwunden. Dies war bei »klassischen« Implantationen von Knieendoprothesen nicht immer der Fall, weiß der erfahrene Operateur Nöth zu berichten: »Kniegelenke sind komplexer als beispielsweise Hüftgelenke. Aus Erfahrung wissen wir, dass bei herkömmlichen Methoden bis zu 20 Prozent der Betroffenen nach einer OP nicht vollkommen zufrieden sind.« Andere Studien geben sogar eine Zahl von 25 Prozent an. Danach klagte fast jeder Vierte über Schmerzen nach der Implantation einer Endoprothese.
Knie sind nicht einfach Scharniergelenke. Ein komplexes Muskel- und Kapsel-Bänder-System sorgt dafür, dass unser Knie in gewissem Umfang auch rotieren kann. Dieser Mechanismus macht es auch so schwierig, eine Knieendoprothese exakt zu platzieren. Es braucht einen Operateur, der über jahrelange Erfahrungen des tagtäglichen Operierens verfügt. Chirurgie ist nebst präziser medizinischer Kenntnis vor allem auch Training. Doch kein Patient und keine Patientin gleicht dem oder der anderen, jedes Bein und jedes Knie ist individuell. Schon eine minimale Winkelabweichung beim Einsetzen des Implantats kann in der Folge ein schlechteres Funktionieren und Schmerzen zur Folge haben.
Diese Erkenntnis ist nicht neu, und bereits im vergangenen Jahrhundert versuchten die Mediziner mithilfe der fortschreitenden Computer- und Robotertechnik, den Operationsvorgang zu unterstützen. Das System Robodoc sollte in den neunziger Jahren Operateure beim Einsetzten einer Hüftgelenksendoprothese helfen. Ungenauigkeiten bei der Datenerfassung sowie Probleme bei dem Einsatz der Roboter führten jedoch zu Fehloperationen mit erheblicher Problematik bei den Patienten. Robodoc konnte sich schließlich nicht durchsetzen, nicht zuletzt auch deswegen, weil für den Eingriff deutlich größere Schnitte im Muskelgewebe geführt werden mussten.
Deutlich anders verhält es sich aktuell bei den Knieimplantaten. Genutzt wird hier ein sogenannter Co-Roboter. Operateur bleibt der Chirurg, das System unterstützt die Mediziner »lediglich« bei der Logistik der Operation. Doch genau diese Option verbessert den Erfolg des Eingriffs. Auf Grundlage der beim Röntgen ermittelten Daten fertigt die Software des Computers ein 3D-Modell des Knies an. Während der Operation werden vor dem eigentlichen Eingriff an Ober- und Unterschenkel sogenannte Tracker angebracht, die mit Infrarot-Licht erfasste Signale an die Zentraleinheit senden. So ist es möglich, das zu operierende Knie und die anzubringende Schnittführung genau zu erkennen und zu planen.
Ulrich Nöth erklärt dazu: »Der Computer gewährleistet, dass die Beinachse wie geplant intraoperativ erreicht wird und die Rotation der Komponenten ebenfalls stimmig ist. Das kann der Mensch nicht. Der Roboter misst kleinste Abweichungen und gibt vor, wie die Schnitte gesetzt werden müssen.« Das ist sehr übersichtlich auf einem Monitor angeordnet, auf dem man – weil als Touchscreen konstruiert – auch gleichzeitig Operationspunkte fixieren kann. »Wir können die erforderlichen Schnitte auf einen halben Millimeter genau setzen und so später die Endoprothese ebenso punktgenau setzen«, so Nöth.
Vor allem die Patienten genießen die Vorteile der rechnergestützten Operation. Die Eingriffe sind deutlich weniger invasiv, Muskeln, Bänder und andere Weichteile werden geschont. Auch der Blutverlust unter der Operation ist deutlich geringer als bei traditionellen Verfahren. Das reduziert nicht nur die postoperativen Schmerzen, sondern verkürzt auch den Krankenhausaufenthalt und den späteren Heilungsprozess. Trotz der negativen Schlagzeilen, die einst Robodoc verursachte, wird die neue Operationsvariante von den Patienten gut angenommen.
Die hohe Compliance – in medizinischem Zusammenhang die Bereitschaft der Patienten zur aktiven Mitwirkung an Therapien – zum neuen System zeigt sich eben auch in der hohen Operationszahl: Ende 2017 erst hatte Zimmer Biomet Rosa entwickelt und 2019 auf den europäischen Markt gebracht.
Das Team Nöth im Evangelischen Waldkrankenhaus Spandau war eine der ersten Kliniken in Europa, die 2020 mit der neuen Technik zu operieren begannen. »Dann kam Corona und wir mussten erst einmal eine ganze Zeit aussetzen«, meint Nöth, »dass wir in der bis heute verstrichenen Zeit über 1000 Operationen mit dem System erfolgreich absolvieren konnten, macht uns da besonders stolz.« Den Patienten ist zu wünschen, dass sie eine lange, gesunde und schmerzfreie Zeit mit ihrem neuen Kniegelenk verleben können.
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