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Polens MiGs und Pekings Pläne

Warschau will nicht auf deutsche Zustimmung zu Kampfjetlieferungen warten, dabei ist deren militärischer Wert umstritten

  • René Heilig
  • Lesedauer: 5 Min.

Polens Präsident Andrzej Duda verkündete am Donnerstag, man werde »in den kommenden Tagen« vier voll einsatzbereite Flugzeuge in die Ukraine überführen. Unmittelbar danach versprach der slowakische Premierminister Eduard Heger zehn MiG-29 sowie drei antriebslose Maschinen zum Ausschlachten samt weiterer Ersatzteile und Munition. Für Kremlsprecher Dmitri Peskow war die abgestimmte Aktion »nur ein weiteres Beispiel dafür, wie eine ganze Reihe von Nato-Mitgliedsländern ihre direkte Beteiligung am Konflikt erhöhen«. Er verurteilte die Lieferung als »Eskalation«, die dem ukrainischen Volk zusätzliche Not beschere, und selbstredend unterliege »diese Technik der Vernichtung«.

Deutschland müsste sein Okay geben

Der MiG-Deal wirft Fragen auf. Polens Premier Mateusz Morawiecki hatte im Februar bei der Münchner Sicherheitskonferenz eine Nato-Entscheidung als Voraussetzung für die Lieferung von Kampfjets genannt. Die gibt es nun nicht, die Regierung in Warschau begnügte sich mit einer multinationalen Liefergemeinschaft, an der Deutschland nicht teilhat. Obgleich Duda abermals versuchte, Kanzler Olaf Scholz vorzuführen. Er sagte, man habe »noch ein Dutzend MiGs« herumstehen, die Polen für einen symbolischen Euro von Deutschland übernommen hat. Die Jets waren einst bei der NVA, dann für die Bundeswehr geflogen. Laut polnischer Luftwaffe sind von den damals 23 Stück noch zehn einsatzbereit. Die Weitergabe dieser MiGs ist – ähnlich wie der Export der aus Deutschland nach Polen gelieferten »Leopard«-Panzer – an das Okay der deutschen Regierung gebunden. Überdies hatte Polen – als damaliges Mitglied des Warschauer Vertrages – aus der Sowjetunion selbst zwölf MiG-29 importiert und hat – als Tschechien seine MiG-29 ausmusterte – weitere zehn Maschinen von Prag übernommen. Da Duda das Lieferversprechen unmittelbar nach einem Treffen mit seinen tschechischen Amtskollegen Petr Pavel verkündete, handelt es sich vermutlich um Maschinen aus diesem Kontingent.

Weitergabe aus Eigeninteresse

Allen polnischen MiGs ist gemein – sie haben ihr »Haltbarkeitsdatum« längst erreicht. Ihr Unterhalt ist teuer, Warschau will sie loswerden und hat in Südkorea FA-50- und in den USA F-35-Flugzeuge bestellt. Mit Letzteren könnte sich Polen für eine Teilnahme an der nuklearen Teilhabe der Nato empfehlen.

Auch die Slowakei hat über die Solidarität mit der Ukraine hinaus Interessen. Bratislava will mit der Übergabe ihrer letzten Kampfjets erreichen, dass die immer wieder aufgeschobene Lieferung von US-Jets beschleunigt wird. Derweil lässt man den eigenen Luftraum kostengünstig durch die Nachbarländer Polen, Tschechien, Ungarn und durch deutsche »Patriot«-Staffeln sichern.

Von der Zahl her könnte die Ukraine schon bald über ein zusätzliches MiG-29-Geschwader verfügen. Kiews Luftwaffe ist mit dem Typ vertraut, fliegt ihn – in seiner ursprünglichen Konfiguration – selbst. Die hinzukommenden entsprechen jedoch Nato-Standard. Man muss also nicht nur die Länderkennzeichnung übermalen, die Freund-Feind-Kennung und andere elektronische Bauteile tauschen, sondern auch ein paar Nato-Links kappen. Unbekannt ist, ob die zu liefernden 29er bereits mit westlichen Raketen bewaffnet sind. Klar ist, künftige Piloten müssen mit den Unterschieden in der Ausrüstung vertraut gemacht werden. Das könnte in einem polnischen Simulator geschehen, der auf dem Luftwaffenstützpunkt in Mińsk Mazowiecki steht.

Militärischer Wert der Jets umstritten

Fraglich ist, ob die ukrainische Luftwaffe überhaupt noch über ausreichende Aufklärungs- und Führungssysteme zur Leitung seiner Luftwaffe verfügt. Strittig ist auch der militärische Wert zusätzlicher MiGs. Diese in der Sowjetunion gebauten Abfangjäger »werden unsere Probleme nicht lösen, wir brauchen F-16«, sagt Armeesprecher Jurij Ihnat. Diese von Lockheed gebauten Jets können – anders als die MiGs – auch Luft-Boden-Einsätze fliegen.

Eine Lieferung von F-16 »steht nicht zur Debatte«, blockt der Sprecher des Weißen Hauses, John Kirby. Der US-Präsident sei sehr klar in der Frage – und das hat man offenbar auch in Dänemark oder den Niederlanden verstanden. Dort wollte man jüngst lieber heute als morgen überzählige F-16 nach Kiew schicken. Nun erkennt man die Schwierigkeiten.

USA hatten vor einem Jahr Bedenken

Vor rund einem Jahr hatte Polen schon einmal die Lieferung von MiG-29 in die Ukraine vorgeschlagen. Warschau, so sagte Außenminister Zbigniew Rau damals, sei bereit, alle MiG-29 der US-Regierung zu übergeben, damit die sie über den deutschen US-Stützpunkt Ramstein an Kiew weiterreiche. Das Pentagon signalisierte Zustimmung, doch schon am Folgetag – es war der 9. März 2022 – ruderte man zurück. Begründung: Ein solches Angebot stoße auf »ernsthafte Bedenken im gesamten Nordatlantikvertrag«.

Folgt man Recherchen des konservativen britischen Magazins »The Spectator«, so hat es damals geheime Gespräche zwischen Xi Jinping und Joe Biden gegeben, bei denen der chinesische Führer beim US-Präsidenten gegen MiG-Lieferungen intervenierte. Offenkundig nahm man eine bereits am 27. Februar geäußerte Drohung des russischen Präsidenten in Peking wie in Washington ernst. Wladimir Putin hatte – wie dann mehrfach – erklärt, Atomwaffen einzusetzen, falls die Nato sich zu sehr in den Ukraine-Krieg einmische.

China warnt und legt Friedensplan vor

Nun liefern zwei Nato-Staaten ohne offizielle Mitwirkung der Allianz MiGs in die Ukraine. Ist die nukleare Bedrohung also vom Tisch? Eine Antwort darauf kann man sich möglicherweise am Montag oder Dienstag in Moskau erhoffen. Dort treffen sich Xi Jinping und Wladimir Putin. China hat im vergangenen Monat am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz einen Zwölf-Punkte-Plan für eine politische Lösung der Ukraine-Krise vorgelegt, doch der wurde im Westen weitgehend als »diplomatischer Blindgänger« abgetan. Vielleicht war das zu voreilig, denn der von Peking vermittelte Deal zwischen Saudi-Arabien und dem Iran, der vor einer Woche bekannt wurde, zeigt, wie geräuschlos aber geschickt chinesische Diplomaten arbeiten können.

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