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Einbürgerung: Antragsstau in allen Großstädten
Mediendienst Integration untersucht Umgang mit Einbürgerungsanträgen in 23 Städten
Die Ampel-Koalition bereitet aktuell eine Novellierung des Einbürgerungsrechts vor. Eine wesentliche Erleichterung für Migranten soll die verkürzte Aufenthaltszeit bringen. Musste jemand bisher mindestens acht Jahre in Deutschland leben, bevor er oder sie die deutsche Staatsbürgerschaft beantragen konnte, sollen in Zukunft fünf Jahre reichen. Ebenfalls geplant ist, die Möglichkeit einer doppelten Staatsbürgerschaft für einen größeren Kreis ausländischer Staatsangehöriger zu öffnen. Peter Schlotzer, Experte für Staatsangehörigkeitsrecht und Beamter des Darmstädter Regierungspräsidiums, hält diese Änderungen für zwei wesentliche Verbesserungen des bisherigen Einbürgerungsrechts.
Ein Problem ist jedoch: Schon jetzt dauert die Bearbeitung der Einbürgerungsverfahren lange. Etwa 115 000 Anträge stapeln sich laut einer am Donnerstag vorgestellten Studie des »Mediendienstes Integration« derzeit in Bürgerämtern der 23 bevölkerungsreichsten deutschen Städte. Die Wartezeiten betragen oftmals mehrere Jahre, im Durchschnitt sind es zwischen einem und eineinhalb Jahren. 2021 gab es bundesweit 131 600 Einbürgerungen, doch die Zahl der Anträge stieg in manchen Städten zuletzt um das Dreifache an. Hauptursache dafür: Die ersten syrischen Geflüchteten leben inzwischen seit acht Jahren in Deutschland, können also die deutsche Staatsbürgerschaft beantragen. Sollte die dafür notwendige Aufenthaltszeit künftig auf fünf Jahre reduziert werden, ist ein erneuter, sprunghafter Anstieg der Anträge zu erwarten.
Die Zahl offener Anträge ist laut Erhebung von Stadt zu Stadt sehr unterschiedlich: Die meisten unbearbeiteten Fälle gibt es demnach mit 26 000 in Berlin, gefolgt von Hamburg mit 19 000 und München mit 10 000. Ebenso unterscheidet sich die durchschnittliche Bearbeitungszeit. Während die Bearbeitung in Augsburg und Hamburg rund ein Jahr dauert, sind es unter anderem in Aachen und Bremen durchschnittlich etwa 1,5 Jahre.
Am Donnerstag informierte der Mediendienst Integration bei einem Fachgespräch über die Ergebnisse seiner Einbürgerungsstudie. Gesprächsteilnehmer waren mit Mazlum Yalcin und Irem Gündüz auch zwei Einbürgerungslotsen einer neuen städtischen Initiative in Bremen. Gündüz koordiniert die Lotsen.
Viele ihrer Kunden hätten durch negative Erfahrungen ein großes Misstrauen gegenüber der Ausländerbehörde. Gündüz erzählt, sie bekomme allerdings fast alle ihre Anträge bei der Einbürgerungsbehörde durch. Die Bremer Lotsen bieten Infoabende und Workshops in mehreren Sprachen an. Auch klären sie in fremdsprachigen Medien und mit kleinen Videos in den sozialen Medien darüber auf, dass es bald Erleichterungen bei der Einbürgerung geben soll. Die Vorbehalte blieben dennoch oft erheblich. Gündüz betont deshalb regelmäßig in Gesprächen: »Wir verstehen eure Angst.«
Schlotzer erklärt, dass es keine offizielle Ablehnungsstatistik für Anträge auf Einbürgerung gebe. Aus seiner Erfahrung mit der Einbürgerungsbehörde Darmstadt schließt er, dass deutschlandweit nur rund fünf Prozent aller Anträge zunächst lange liegen blieben und schließlich scheiterten.
Professor Tarik Tabbara, Juraprofessor an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR), schlägt deshalb eine noch radikalere Vereinfachung von Einbürgerungen vor. Auf Nachfrage von »nd.derTag« verneinen Schlotzer und Tabbara, dass es häufig zu Klagen gegen die Einbürgerungsbehörden komme. Bei einer Anerkennung als Flüchtling sei dies anders: Da ist die Asylfrage laut Tabarra existenziell. Ein größeres Problem seien jedoch sogenannte Untätigkeitsklagen gegen die Einbürgerungsbehörden, die sich in letzter Zeit häuften. Diese Prozesse binden laut Schlotzer das ohnehin knappe Personal.
Alle Experten sind sich darin einig, dass eine weitere Digitalisierung der Vorgänge die Bearbeitung der Anträge erheblich beschleunigen würde. Auch brauche es einheitliche und präzisere Kriterien durch den Bund. Zudem müsse bei dem bisher für eine Einbürgerung erforderlichen Nachweis über Deutschkenntnisse nachgebessert werden. Antragsteller über 55 Jahre, die langjährig in Deutschland gewohnt haben, sollten auch ohne erhebliche Sprachkenntnisse eingebürgert werden können.
Schlotzer erwartet, dass die Ausweitung der Möglichkeit auf eine doppelte Staatsbürgerschaft eine Welle neuer Anträge bringen wird, besonders von Kurden, Türken, Russen sowie US-Amerikanern. Bis jetzt hatten nur wenige Migranten die Möglichkeit auf einen doppelten Pass. Für die Behörden bedeutet dies eine weitere Herausforderung: Laut Erhebung des Mediendienst Integration hätten viele Städte zwar bereits neue Stellen geschaffen, könnten diese aber nicht immer mit geeignetem Fachpersonal besetzen.
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