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Kontrollen an der deutsch-österreichischen Grenze verlängert
Wiederholte »Wiedereinführung« verstößt gegen EU-Recht
Die Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat eine Verlängerung der Grenzkontrollen zu Österreich ab dem 12. Mai um weitere sechs Monate angekündigt. Gründe seien die »Ordnung und Begrenzung von irregulärer Migration« sowie die Unterbringungssituation für geflüchtete Menschen in den Kommunen, erklärte ein Sprecher der Ministerin am Wochenende und verwies auf einen im vergangenen Jahr festgestellten »Höchstwert« der irregulären Migration seit 2016. Maßgeblich dafür seien gestiegene Ankünfte in Italien und ein ähnlicher Anstieg von Fluchten aus der Türkei.
Das Bundesinnenministerium hatte die Kontrollen an der Grenze zu Österreich erstmals 2015 unter Thomas de Maizière (CDU) eingeführt und seitdem halbjährlich verlängert. Eigentlich darf es im Schengen-Raum, dem 27 europäische Länder angehören, aber keine stationären Personenkontrollen an den Ländergrenzen geben. Dies ist in der EU durch den Grundsatz der Personenfreizügigkeit garantiert – ergänzend zur Waren- und Dienstleistungsfreiheit sowie zum freien Kapital- und Zahlungsverkehr.
Erlaubt ist die vorübergehende Kontrolle der Binnengrenzen durch eine Neufassung des Schengener Grenzkodex. Ein neu eingeführter Artikel 29 erlaubt seit 2013 ihre Wiedereinführung für zunächst sechs Monate und eine Verlängerung auf maximal zwei Jahre. Voraussetzung ist, dass der EU-Ministerrat mehrheitlich eine »systematische Gefährdung« der Schengen-Zone anerkennt. Ein solcher Beschluss erging Anfang 2016 angesichts steigender Zahlen ankommender Geflüchteter in Griechenland. Anschließend hatten Deutschland, Österreich, Dänemark, Schweden und Norwegen die an einigen ihrer Landgrenzen eingeführten Kontrollen darauf gestützt.
Möglich sind die temporären Kontrollen aber auch aus anderen Anlässen. Nach mehreren Anschlägen begründete dies etwa Frankreich mit einer anhaltenden »terroristischen Bedrohung«. Viele andere Staaten hatten ihre Grenzen auch wegen Gesundheitsrisiken im Zuge der Corona-Pandemie geschlossen.
Nachdem Deutschland, Österreich und die drei nordischen Staaten die dreifache Kettenverlängerung der Maßnahmen zur Migrationskontrolle ausgeschöpft hatten, bedienten sie sich ab 2018 einer neuen Begründung. Die Regierungen behaupteten fortan eine »ernste Bedrohung der öffentlichen Ordnung und der inneren Sicherheit«. Österreich erkannte ab 2019 außerdem ein Risiko »organisierter Kriminalität«, dem schloss sich später auch Dänemark an.
Der Gesamtzeitraum, in dem Kontrollen an den Binnengrenzen wiedereingeführt werden können, beträgt jedoch höchstens zwei Jahre. Diesen Grundsatz des Schengener Grenzkodex hat der Europäische Gerichtshof vor einem Jahr bekräftigt. Laut dem Urteil ist das EU-Gesetz hinsichtlich der Dauer der Kontrollen sehr eng auszulegen. Selbst die einmalige Verlängerung wegen derselben Bedrohung verstößt demnach gegen das Primärrecht der Union.
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