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Brandenburgs Geheimdienst konzentriert sich auf Spionage

Verfassungsschutzbericht vorgestellt: Innenminister sieht in Rechtsextremisten Verbündete Russlands

  • Matthias Krauß
  • Lesedauer: 3 Min.

Mit dem Ukraine-Krieg gibt es auch für Innenminister Michael Stübgen (CDU) eine »Zeitenwende«. Spionage war in keinem der 29 bisherigen Jahresberichte des brandenburgischen Verfassungsschutzes ein Thema. Das ist nun völlig anders. »Wir müssen uns darauf einstellen, Angriffsziel zu sein«, heißt es im aktuellen Bericht 2022, den Stübgen am Mittwoch präsentierte.

»Der Bundeskanzler und zwei Bundesministerinnen kommen aus Brandenburg«,
argumentierte Verfassungsschutzchef Jörg Müller. Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sind zugezogen, Bauministerin Klara Geywitz (SPD) stammt von hier. Brandenburg nehme »im bundesweiten Vergleich eine Sonderrolle ein«, sagte Müller. Das gelte insbesondere für den Raum Potsdam, wo sich das Präsidium der Bundespolizei und das Einsatzführungskommando der Bundeswehr befinden. Durch den Krieg sei das Thema Spionage akut geworden. »Der Großteil der westlichen Welt unterstützt die Ukraine mit Waffen«, so Müller. »Natürlich setzen die russischen Dienste jetzt erst recht alles daran, mit Spionage gegen Einrichtungen und Personen an sensible Informationen zu gelangen.«

Aus dem Verfassungsschutzbericht 2022
  • Dem Linksextremismus werden 530 Personen zugeordnet, 100 weniger als im Jahr zuvor. Hier erfasst ist auch die Rote Hilfemit 360 Mitgliedern im Bundesland.
    li>Die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) und die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) haben laut Verfassungsschutz zusammen 35 Mitglieder. Sie seien »nicht mehr handlungsfähig«.
  • Die Zahl der islamistischen Extremisten liegt unverändert bei 210. Zumeist handelt es sich um russische Staatsbürger, die aus dem Kaukasus stammen und sich in Brandenburg niedergelassen haben.
  • Das Personenpotenzial der rechten Szene ist um 25 auf 2855 Personen gestiegen. krauß

    Minister Stübgen beharrte darauf, dass es Beweise für Spionage gebe, doch könne er im Interesse der nationalen Sicherheit auf Einzelheiten nicht eingehen. Verfassungsschützer Müller sprach vom Ausspähen von Kasernen und dem Einsatz von Drohnen. Er selbst gehe als Ostdeutscher der russischen Propaganda nicht auf dem Leim, doch würden Rechtsextreme in den Ostdeutschen vielfach einen Personenkreis sehen, der sich Russland aus historischen Gründen näher fühle, der daher aus ihrer Sicht »vielversprechende Anknüpfungspunkte« biete.

    Für Minister Stübgen sind Rechtsextreme aller Schattierungen mindestens potenzielle Verbündete Russlands. »Der Sogwirkung Putins unterliegen alle«, sagte er. Rechtsextreme würden in Russland einen »natürlichen Partner« sehen. Laut Müller ist durch den Ukraine-Krieg »die ganze Szene wie elektrisiert«. Sie habe auf wirtschaftliche Verwerfungen in Deutschland gehofft, was sie als »heißen Herbst« für sich habe ausnutzen wollen. »Diese Hoffnungen sind wie eine Seifenblase zerplatzt.« In diesem Zusammenhang nannte Müller auch AfD-Landtagsfraktionschef Hans-Christoph Berndt, der öffentlich Tipps gegeben habe, wie auf der Straße eine Situation erzeugt werden könne, der der Staat nichts mehr entgegenzusetzen habe.

    Scheinbar im Gegensatz zu solchen Mobilisierungsstrategien steht Müller zufolge die in rechten Kreisen entwickelte Idee, Deutschland als verloren preiszugeben und sich im Ausland – genannt wurde Neuseeland – ein völkisches Rückzugsgebiet zu sichern. Erwogen würden auch völkische Sammlungsgebiete, die vor allem in Ostdeutschland liegen könnten. Diese sollten sich von Westdeutschland abkoppeln und mit Russland eine Partnerschaft eingehen. Man habe es nur noch teilweise mit den Bedrohungen des vergangenen Jahrhunderts zu tun, sagte Stübgen. Geblieben sei zweifellos, dass der Rechtsextremismus die nach wie vor größte Gefahr darstelle. Doch hätten die »subkulturellen Strukturen« der 90er Jahre neuen Formen Platz gemacht. Die entscheidende Rolle spiele die AfD, bei der jüngsten Umfrage mit 25 Prozent immerhin stärkste Kraft in Brandenburg. Der AfD-Landesverband habe nahezu unverändert 1080 Mitglieder.

    »Die wehrhafte Demokratie ist aktuell wichtiger denn je«, reagierte die Landtagsabgeordnete Marie Schäffer (Grüne) auf den Bericht. »Staat, Politik und Zivilgesellschaft müssen sich gemeinsam Verfassungsfeinden entgegenstellen, wo immer sie versuchen, Fuß zu fassen.«

    Die Abgeordnete Marlen Block (Linke) erklärte: »Wer mit offenen Augen durch Brandenburg geht, weiß, dass die extreme Rechte und die AfD als ihr parlamentarischer Arm ganz bewusst den Schulterschluss mit der Mitte der Gesellschaft suchen.« Die Vernetzung habe insbesondere durch die Beteiligung an Corona-Protesten zugenommen. »Der Kampf um unsere Demokratie wird aber nicht allein durch den Verfassungsschutz zu gewinnen sein.«

    Nach Einschätzung der Abgeordneten Andrea Johlige (Linke) trägt der Innenminister in der Asyldebatte mit seiner »Das-Boot-ist-voll-Rhetorik« selbst zur Vergiftung der gesellschaftlichen Stimmung bei.

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