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Achtung, Reichelt!: Springer verklagt Ex-»Bild«-Chefredakteur
Der Springer-Verlag hat Zivilklage und Strafanzeige gegen Julian Reichelt eingereicht
Der Springer-Verlag hat gegen Julian Reichelt eine Zivilklage beim Berliner Arbeitsgericht eingereicht. Wie eine Gerichtssprecherin der Nachrichtenagentur dpa bestätigte, gehe es um die Rückzahlung einer Abfindung, die beim Weggang des ehemaligen »Bild«-Chefredakteurs vereinbart worden sei, und um die Zahlung einer Vertragsstrafe. Reichelt soll, so der Vorwurf des Konzerns, Pflichten missachtet haben, die sich aus einem 2021 geschlossenen Abwicklungsvertrag ergeben, darunter Vereinbarungen zur Vertraulichkeit sowie ein Abwerbeverbot für Springer-Mitarbeitende. Insgesamt geht es um eine Summe in Millionenhöhe.
Zusätzlich habe die Axel Springer SE Reichelt wegen mutmaßlichen Betrugs bei der Staatsanwaltschaft Berlin angezeigt, sagte ein Sprecher des Konzerns dem »Spiegel«. Dieser hatte am Montag zuerst über die Verfahren berichtet und auch ein Statement des Anwalts von Reichelt veröffentlicht: Weder eine Zivilklage noch eine Strafanzeige sei bei ihm oder seinem Mandanten eingegangen. »Die offenbar gegenüber Medien erfolgte gezielte Verlautbarung einer solchen Klageeinreichung, noch bevor eine Zustellung dieser Klage an meinen Mandanten erfolgt ist, betrachten wir als entlarvenden und zugleich untauglichen Einschüchterungs- und Ablenkungsversuch«, wird der Anwalt medienübergreifend zitiert.
Aus dem Springer-Kosmos kommt seit geraumer Zeit eine Schlagzeile nach der anderen, nur nicht der Art, auf die man als journalistisches Medium stolz sein dürfte. Zunächst gab es die Vorwürfe des Machtmissbrauchs gegen Reichelt, ein anschließendes Compliance-Verfahren sowie den Rauswurf bei »Bild« im Herbst 2021. Auch Mathias Döpfner rückte in den Fokus der Öffentlichkeit, nachdem zum wiederholten Mal private Nachrichten des Springer-Chefs bekannt geworden waren, in denen er seiner Verachtung gegenüber Ostdeutschen und Muslimen offenbar freien Lauf lässt, von einem gefährlichen – oder keinem – Verständnis journalistischer Integrität ganz zu schweigen. Und nun sorgt das rechtliche Vorgehen des Medienkonzerns gegen einen seiner früheren Sprösslinge für Aufsehen.
»Alles fürs Geld: Hat Sex-Julian betrogen?«, könnte man sich nun in »Bild«-Manier fragen. Reichelt hat eh längst ein neues Zuhause für seine rechte Stimmungsmache gefunden: Youtube. Auf seinem Kanal »Achtung, Reichelt!« betreibt er fast täglich seinen Kulturkampf gegen die »herrschende Klasse«, mit Gästen, die ebenfalls gegen politische Korrektheit, Migrant*innen und queere Personen wettern dürfen. Darunter die Unternehmerin Gloria von Thurn und Taxis und Eva Vlaardingerbroek, rechte Kommentatorin aus den Niederlanden.
Wie auf dem Internetportal Belltower News der Amadeu-Antonio-Stiftung zu lesen ist, orientiert sich Reichelt dabei stark am rechtspopulistischen Meinungsjournalismus des amerikanischen Nachrichtensenders Fox News – und ist mit mittlerweile 337 000 Abonnent*innen enorm erfolgreich. »Als neu etablierter ›Mann des Volkes‹ möchte der Medien-und Meinungsmacher nun dem ›bösen‹ Establishment den Kampf ansagen«, analysieren die Autor*innen der Amadeu-Antonio-Stiftung.
Wie Reichelt mit seinem Kanal Geld verdient und wer ihn eventuell finanziell unterstützt, ist bislang nicht klar. Eindeutig hingegen ist, dass ihm ehemalige »Bild«-Kolleg*innen gefolgt sind. Ob das einem Verstoß gegen das Abwerbeverbot entspricht und wie viel an den weiteren Vorwürfen des Springer-Konzerns dran ist, werden Gerichte entscheiden.
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