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Härte um jeden Preis

Gegen Asylrecht gerichtetes Gesetz der britischen Regierung erhält Zustimmung des Unterhauses

  • Peter Stäuber, London
  • Lesedauer: 4 Min.

Kurz vor der Abstimmung zur Migrationsvorlage drehten die Regierungsvertreter ihre Rhetorik noch einmal ordentlich auf. Die Menschen, die den Ärmelkanal in Booten überqueren, hätten »komplett andere Werte« und würden »den kulturellen Zusammenhalt unterminieren«, behauptete Robert Jenrick, Staatsminister für Migration. Seine Chefin, Innenministerin Suella Braverman, setzte kurz darauf noch einen drauf: Bootsflüchtlinge würden in Großbritannien »zu einem Anstieg der Kriminalität beitragen« – freilich legte sie für diese gewagte Behauptung keinerlei Beweise vor.

Am Mittwochabend erhielt der »Gesetzentwurf zur illegalen Migration« in der dritten Lesung die Zustimmung des Unterhauses: Mit 289 zu 230 Stimmen passierte die kontroverse Vorlage damit die letzte Hürde in der unteren Parlamentskammer. Jetzt ist das Oberhaus am Zug, wo noch Änderungen, aber kein Stopp möglich sind. Das Gesetz zielt darauf ab, die Bootsüberfahrten über den Ärmelkanal zu stoppen. Letztes Jahr kamen über 40 000 Menschen über diesen Weg ins Land – mehr als je zuvor. Diese Migrationsroute ganz zu schließen, zählt zu den Prioritäten von Premierminister Rishi Sunak. »Stoppt die Boote«, heißt der Slogan.

Wenn das Gesetz in seiner jetzigen Form durchkäme, dann würden alle Menschen, die auf irreguläre Weise nach Großbritannien gelangen, in ein sogenanntes »sicheres Drittland« deportiert werden. Sie hätten überhaupt kein Recht auf Asyl mehr. »Die Vorlage sendet die klare Botschaft, dass Leute, die Großbritannien auf illegale Weise betreten, sich hier kein Leben aufbauen können«, sagte Robert Jenrick. Die Regierung plant, einen Großteil dieser irregulären Migranten nach Ruanda abzuschieben. Sie hat im vergangenen Jahr ein entsprechendes Abkommen mit der Regierung in Kigali geschlossen.

Wenig überraschend ist das harsche Migrationsgesetz sehr umstritten. Etliche Flüchtlingskampagnen haben humanitäre Bedenken angemeldet, zudem gibt es rechtliche Einwände: Die Gleichheits- und Menschenrechtskommission gibt sich »sehr besorgt, dass die Vorlage die internationalen Verpflichtungen Großbritanniens verletzt und Menschen schweren Schaden zufügen könnte«. Die Vorlage sieht unter anderem vor, dass auch Kinder und schwangere Frauen in Auffanglagern festgehalten werden können.

Aber einige Tories machten sich vor der Abstimmung ganz andere Sorgen: Sie klagten, dass die Vorlage nicht weit genug gehe. Besonders die Tatsache, dass der erste Abschiebeflug nach Ruanda im vergangenen Juni vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in letzter Minute blockiert wurde, empfinden viele Tories als tiefe Schmach. Um ihre Hardliner-Kollegen zu besänftigen, führte Braverman eine kleine Änderung in die Vorlage ein: Künftig sollen britische Minister die Weisungen des Menschenrechtsgerichts einfach übergehen können. Das freut manche Tories, aber erneut haben Rechtsexperten gewarnt, dass dies der internationalen Reputation Großbritanniens schaden könnte.

Die britische Asylpolitik ist aktuell auch aus anderem Anlass in der Kritik. Die Eskalation der Kämpfe im Sudan hat tausende Menschen in die Flucht in Nachbarländer getrieben, und britische Flüchtlingskampagnen fordern sichere Routen nach Großbritannien. Aber das Innenministerium winkt ab: Das habe man nicht geplant. Braverman sagte, dass sich die Flüchtlinge stattdessen ans Uno-Flüchtlingskommissariat (UNHCR) in der Region wenden sollen; dort könne man sich um Asyl in Großbritannien bewerben.

Das Problem ist nur: Das stimmt nicht. Das UNHCR publizierte ein Statement, nachdem es »keinen solchen Mechanismus gibt«. Im Klartext: »Es gibt kein Asyl-Visum oder eine ›Warteschlange‹ für das Vereinigte Königreich.« Die überwältigende Mehrheit der sudanesischen Flüchtlinge habe keinen Zugang zu sicheren und legalen Routen nach Großbritannien. Als Migrationsminister Jenrick am Mittwoch mit dieser Klarstellung konfrontiert wurde, ignorierte er sie einfach.

Laut offiziellen Angaben kamen zwischen 2018 und 2022 rund 5500 Sudanesen über den Ärmelkanal. Experten gehen davon aus, dass wegen der Krise im Sudan bald deutlich mehr Menschen aus dem nordostafrikanischen Land in Europa Schutz suchen werden. »Die Idee, dass sudanesische Flüchtlinge ins Vereinigte Königreich gelangen, nur um dann nach Ruanda deportiert zu werden, ist absolut erschreckend«, sagte die Grünen-Abgeordnete Caroline Lucas. »Die Inkompetenz und Unmenschlichkeit der Flüchtlingspolitik dieser Regierung ist atemberaubend.«

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