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Kroatische Exilgruppen in der BRD: Das falsche Auge zugedrückt
Der Terror rechter Exilkroaten führte in der frühen BRD zu falschen Konsequenzen. Matthias Thaden hat die Geschichte rekonstruiert
Als am Osterwochenende 2023 der Kongress »We want our world back« stattfinden sollte, intervenierte der Verfassungsschutz. Die Hamburger Universität kündigte daraufhin den Vertrag mit den Veranstalter*innen. Grund war die angebliche politische Nähe zur in Deutschland und in der Türkei verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK. Ein solches Vorgehen deutscher Staatsorgane reiht sich in eine lange Geschichte von Verfolgungsmaßnahmen gegen kurdische Strukturen ein. Grundlage sind die berüchtigten Paragraphen 129a und 129b des Strafgesetzbuches, die die Mitgliedschaft oder Unterstützung von in- und ausländischen terroristischen Organisatoren sanktionieren. So wurden langjährige Haftstrafen verhängt oder kurdische Literatur- und Musikverlage als angebliche Teilorganisation der verbotenen PKK verfolgt. Diese Repression gegen die kurdische Bewegung lässt sich nicht nur als deutsche Unterstützung für das autoritäre Erdogan-Regime in der Türkei erklären, sie gilt auch der Bestrebung, antikapitalistische und feministische Organisationsformen zu unterdrücken.
Dieser Aspekt wird besonders deutlich, wenn man den Umgang westdeutscher Staatsapparate in ganz anderen Fällen, etwa mit rechten oder gar protofaschistischen Exilorganisationen, betrachtet: mit jenen Exilkroat*innen, die Anhänger des Ustascha-Regimes waren, einem engen Bündnispartner Hitlerdeutschlands. Diese kroatischen Exilgruppen einte der Hass auf Linke und Juden. Nachdem kurz vor Ende des Kriegs die jugoslawische Partisan*innenbewegung unter Tito die kroatischen Faschisten vertrieben hatte, fanden manche von deren Funktionär*innen Zuflucht in Nazideutschland. Nachdem der Nationalsozialismus besiegt worden war, konnten diese Personen vom beginnenden Kalten Krieg profitieren und fast unbehelligt in der Bundesrepublik agieren. München wurde ihre inoffizielle Hauptstadt. Bisher ist die Geschichte der rechten kroatischen Exilopposition in der BRD kaum aufgearbeitet. Insofern hat der Historiker Matthias Thaden mit seinem gut lesbaren Buch »Migration und Innere Sicherheit« über die kroatischen Exilgruppen in der Bundesrepublik zwischen 1945 und 1980 Pionierarbeit geleistet.
Im Antikommunismus vereint
Anhand vieler Quellen und Dokumente weist Thaden nach, dass die rechten kroatischen Exilorganisationen bis in die 1960er Jahre ihren Kampf gegen den »Jugokommunismus« fortsetzen konnten. »Lange Zeit waren kroatische Nationalisten, unter ihnen Anhänger des faschistischen Ustascha-Regimes, eine der aktivsten Exilgruppen in der Bundesrepublik Deutschland. Global eng vernetzt und untereinander zum Teil spinnefeind, einte sie der Kampf gegen das sozialistische Jugoslawien, den manche Akteure auch mit politischer Gewalt austrugen«, schreibt Thaden. Dabei richtete sich die Gewalt gegen Angehörige jugoslawischer Institutionen, aber später auch gegen nichtfaschistische jugoslawische Arbeitsmigrant*innen, die mit dem euphemistischen Begriff Gastarbeiter*innen versehen wurden.
Thaden beginnt mit einem Exkurs zum Ustascha-Staat, der sich Unabhängiger Staat Kroatien (NDH) nannte und an der Seite Nazideutschlands und des faschistischen Italien stand. Die ultranationalistische Ustascha-Bewegung verübte im Inland Massenmorde an Jüdinnen, Juden und vermeintlichen Kommunist*innen. »Das Programm der Ustascha und die im NDH verübten Gewalttaten stellten in ihrer Radikalität andere NS-Satellitenstaaten und kollaborierende Regime in den Schatten«, beurteilt Thaden das Regime. Allein zwischen 1941 und 1943 wurden unter Ustascha-Herrschaft nach neuesten Schätzungen 310 000 Serb*innen, etwa 26 000 Jüdinnen und Juden sowie 20 000 Angehörige der Roma-Minderheit ermordet.
Nicht wenige Täter*innen, denen die Flucht vor der siegreichen Partisan*innenbewegung gelang, konnten in der BRD des beginnenden Kalten Kriegs im alten Sinne weiterwirken. Eine antikommunistische Gesinnung diente dabei als beste Qualifikation und selbst die enge Kollaboration mit den Nazis war kein Hinderungsgrund. Sogar Mitglieder der wegen ihrer Mordaktionen besonders berüchtigten Waffen-SS-Division »Handschar« konnten in der BRD unbehelligt agieren, vor allem in München. Unterstützt wurden sie vom Klerus und politisch hielt das Bundesvertriebenenministerium, ein Tummelplatz von Altnazis, die Hand über die kroatischen Faschist*innen. Thaden beschreibt, dass es im Zuge dessen öfter zu Auseinandersetzungen mit dem Bundesaußenministerium kam. Zwar gab es auch dort viele ehemalige Nazis, aber das Ministerium musste zumindest zur Kenntnis nehmen, dass im westlichen Ausland mit Unverständnis auf die Kontinuitäten des Nationalsozialismus reagiert wurde.
Andersherum führte auch in den kroatischen Exilstrukturen die Frage, ob man taktische Zugeständnisse an die neue Zeit machen sollte, zu Zerwürfnissen und Spaltungen. So bemühten sich die Mitglieder des Kroatischen Nationalkomitees (HNO) in Deutschland, als Kämpfer*innen für das Abendland und gegen den Bolschewismus aufzutreten sowie die NS-Bezüge zurückzustellen. Dagegen standen die Vereinigten Kroaten (UHNj) Deutschlands. Sie propagierten ein ungebrochen positives Verhältnis zur faschistischen Vergangenheit Kroatiens und bezeichneten selbst taktische Neuausrichtungen als Verrat. Thaden zeigt aber auch an verschiedenen Beispielen, dass die angeblich gemäßigtere HNO enge Kontakte zu Altnazis pflegte.
»Ausländischer« Terror
In Thadens Buch werden die spektakulären Terroraktionen der Exilkroat*innen gegen Büros und Einrichtungen des Staates Jugoslawien ausgiebig beschrieben. Den Höhepunkt bildete der Überfall der kroatischen Faschisten auf die jugoslawische Handelsmission in Mehlem bei Bonn am 29. November 1962: »Sie warfen die Sprengkörper und übergossen Möbel, Teppiche und Akten mit Benzin, sodass binnen weniger Minuten alles in Flammen stand.« Dem Hausmeister der Handelsmission wurde im Beisein seines zwölfjährigen Sohnes in die Lunge geschossen, er starb kurz darauf. Dieser faschistische Terrorakt sorgte für Aufmerksamkeit auch im Ausland. In der BRD wurde über »Ausländerkriminalität« gesprochen. Thaden beschreibt sehr detailreich, wie hier ein neues Betätigungsfeld für die repressiven Staatsapparate geschaffen wurde, die sich bereits in den 60er Jahren gegen linke Exilstrukturen beispielsweise aus dem Iran oder mit der BRD verbündeten afrikanischen Ländern richtete.
Thadens Forschung liefert damit wichtige Erkenntnisse über die kroatischen Exilstrukturen. Eine Schwäche des Ansatzes liegt aber im liberalen Staatsverständnis des Autors. So betont dieser immer wieder das Informationsdefizit und behauptet, den Ermittlungsbehörden hätten keine Informationen über das Treiben der rechten kroatischen Exilanten vorgelegen. Dabei wäre doch eher zu fragen, ob es nicht der westdeutschen Politik in den Nachkriegsjahren entsprach, die Faschisten agieren zu lassen. In den 1960er Jahren änderte sich jedoch im Zuge der Entspannungspolitik auch etwas: Das blockfreie Jugoslawien wurde zum Partner der BRD und die Aktionen reaktionärer Kräfte passten dabei nicht ins Bild.
Schlussstrichpolitik
In einem der letzten Kapitel seiner materialreichen Studie geht Thaden auf die Kontakte zwischen rechten Kroat*innen und verschiedenen alt- und neofaschistischen Gruppen in der BRD ein, darunter die Deutsche Volksunion und die »Deutsche Nationalzeitung«, aber auch jüngere Neonazis. Mit Verweis auf das »Antifaschistische Infoblatt« erwähnt Thaden, dass diese Verbindungen in den 90er Jahren dazu führten, dass bekannte Rechte aus Deutschland auf der Seite Kroatiens gegen die jugoslawische Armee kämpften.
Die von Deutschland vorangetriebene Politik der Zerschlagung Jugoslawiens erfüllte auch ein zentrales Ziel der rechten Exilkroat*innen: ein eigener Staat, der sich in der Gedenkpolitik positiv auch auf Gestalten aus dem Ustascha-Regime bezieht. Damals gab es noch eine deutschlandkritische Linke, die auf diese Kontinuität hinwies. Mittlerweile scheint sich die damals von vielen befürchtete Schlussstrichpolitik weitgehend durchgesetzt zu haben. Diese Tendenz erinnert auch an andere Fälle wie etwa den der Ukraine. In diesem Sinne wäre es eine lohnende Forschungsaufgabe, auch die Geschichte der exilukrainischen Strukturen in der BRD nach 1945 genauer zu untersuchen. Ukrainische Nationalisten waren ebenfalls zu Teilen mit dem NS verbunden und flohen mit der Wehrmacht beim Zusammenbruch nach Deutschland. Auch sie ließen sich vorzugsweise in München nieder, wo etwa der ukrainische Nationalistenführer Stepan Bandera 1959 wahrscheinlich durch einen KGB-Anschlag starb.
Matthias Thaden: Migration und Innere Sicherheit. Kroatische Exilgruppen in der Bundesrepublik Deutschland 1945–1980. De Gruyter, br., 347 S., 24,95 €.
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