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Verbleib der Benin-Bronzen: Messing gegen Mensch
Bisher wenig beachtet in der Benin-Bronzen-Debatte blieb, dass das Metall für die Kunstwerke aus dem Sklavenhandel stammt. Aus diesem Grund fordert eine New Yorker Gruppe den Verbleib von Plastiken in den USA
Geschichte, auch Kunstgeschichte, hat immer wieder toxische Komponenten. Die Benin-Bronzen sind ein Paradebeispiel dafür. Sie wurden ab dem 13. Jahrhundert von Kunsthandwerkern des Königreichs Benin gefertigt und stellen vor allem Herrscherinnen und Herrscher dar. Einst sollten sie die verstorbenen Regenten ehren. Sie symbolisierten aber auch die Machtübergabe an ihre Nachfolger. Nach Europa gelangten sie vor allem im Zuge einer britischen Strafexpedition aus dem Jahre 1897. Der Raub löste ein regelrechtes Sammlerfieber aus, das neben Privatpersonen auch Vertreter zahlreicher Museen in Europa ergriff. Den Raubkunstmarkt, den damals noch niemand so zu nennen pflegte, befeuerten die kolonialen Beutestücke ebenfalls.
Besonders brisant sind die Bronzen aus dem 15. bis 18. Jahrhundert. Denn sie wurden mehrheitlich aus sogenannten Manillen gefertigt. Das sind Messingspangen, die den Sklavenhändlern jener Zeit als Währung dienten. Europäische Sklavenhändler bezahlten damit afrikanische Sklavenhändler, die aus dem Inneren des Kontinents Männer, Frauen und Kinder zusammentrieben, die dann im Rahmen des großen transatlantischen Sklavenhandels vor allem nach Nord- und Südamerika gebracht wurden. Dort schufteten sie auf Plantagen, auf denen Luxusgüter für den europäischen Markt erzeugt wurden: Kaffee, Zucker, Bananen und Baumwolle vor allem.
Bis vor kurzer Zeit nicht bekannt war die Herkunft des Materials der Zahlungsmittel. Tobias Skowronnek, Geochemiker an der Technischen Hochschule Georg Agricola in Bochum, fand nun mithilfe von Isotopenmessverfahren vor allem am Bleigehalt der Plastiken heraus, dass das Metall aus Hütten des Rheinlands zwischen Köln und Aachen stammt. Die Ergebnisse veröffentlichte er Anfang April in einem Fachjournal. Er nutzte dabei einerseits bereits vorliegende chemische Analysen von Benin-Bronzen, die in Datenbanken erhältlich waren. Andererseits untersuchte er Manillen, die aus Schiffswracks geborgen oder bei Ausgrabungen an Land gefunden wurden. Bemerkenswert dabei ist, dass das letzte dieser Wracks, die »Douro«, erst 1843 sank. Fast drei Jahrzehnte nach dem offiziellen Verbot der Sklaverei durch den Wiener Kongress wurde das Sklaverei-Zahlungsmittel also noch munter über den Atlantik transportiert. In den USA wurde Sklaverei ohnehin erst nach dem Bürgerkrieg 1865 abgeschafft, in Brasilien gar erst 1888.
Für die zwischen dem 15. und 17. Jahrhundert gefertigten Benin-Plastiken wurden Skowronneks Team zufolge fast ausschließlich Manillen mit Metall aus dem Rheinland benutzt. Zum einen war das in jener Zeit das vorherrschende Zahlungsmittel im Sklavenhandel. Sie waren ab 1450 im Handel, während die in England gefertigten Birmingham-Manillen erst ab ca. 1625 im Umlauf waren und die sogenannten »Popo«-Manillen aus Wales ab ca. 1600 nachgewiesen sind. Vor allem sollen sich die Rheinland-Manillen aber durch hervorragende Gusseigenschaften ausgezeichnet haben, weshalb die Kunsthandwerker am Hof der Könige in Benin sie offenbar bevorzugten.
Das Königreich Benin spielte eine bedeutende Rolle im transatlantischen Sklavenhandel. In der Hafenstadt Gwato richteten die europäischen Sklavenhändler schnell Stützpunkte ein, in denen die einheimischen Eliten sie mit Sklaven versorgten. Knapp zwei Millionen der insgesamt mehr als 12 Millionen Menschen, die im sogenannten Dreieckshandel zwischen Europa, Afrika und Amerika versklavt wurden, wurden von der Bucht von Benin aus verschifft. Die lag im Herrschaftsgebiet des Königreichs von Benin.
Genau deshalb fordert die Restitution Study Group in New York nun einen Stopp der Rückgabe der Benin-Bronzen, die in der Zeit des Sklavenhandels geschaffen wurden, an Nigeria. »Das sind die Nachfahren der Sklavenhändler, die davon profitierten, dass unsere Vorfahren verkauft wurden«, argumentiert Deadria Farmer-Paellmann, Initiatorin der Restitution Study Group. Ihren Angaben zufolge wurden seinerzeit 50 Manillas für eine Sklavin und 57 für einen Sklaven gezahlt. »Die Nachfahren der Menschen, die für diese Manillas verkauft wurden, haben ein Anrecht, die Bronzen dort zu sehen, wo sie leben«, teilte sie der britischen BBC mit. Farmer-Paellmann reichte vor Gericht sogar eine Klage ein, die die Rückgabe von Benin-Bronzen aus dem Smithsonian Museum in Washington verhindern soll. Vertreter aus Nigeria reagierten pikiert darauf und werfen der Restitution Study Group vor, Positionen einzunehmen, die denen der Europäer und Nordamerikaner, die sich bis vor Kurzem noch der Rückgabe widersetzten, ähneln.
Auf die deutschen Rückführungsbemühungen hat diese Initiative bislang keinen Einfluss. Die fünf deutschen Museen mit dem größten Bestand an Benin-Plastiken, das Hamburger Museum am Rothenbaum, das Ethnologische Museum in Berlin, das Kölner Rautenstrauch-Joest-Museum, die Völkerkundemuseen in Leipzig und Dresden und das Stuttgarter Linden-Museum, haben im letzten Jahr bereits die Eigentumsrechte an 1100 Objekten an Nigeria übertragen. Die ersten 20 Objekte übergaben im Dezember 2022 auch Außenministerin Annalena Baerbock und Kulturstaatsministerin Claudia Roth bei einem Aufenthalt in Nigeria ganz physisch an ihre dortigen Amtskollegen.
Die Debatte, die die Restitution Study Group anstößt, ist aber relevant zum Verständnis des damaligen Sklavenhandels. Denn ohne lokale Komplizen hätte das groß angelegte Sklavengeschäft – und mit ihm die Luxusgüterproduktion für den europäischen Markt – gar nicht vonstatten gehen können. Auf sehr blutige Art sind Bergbaustätten im Rheinland über den Sklavenhandel zwischen Afrika und Amerika mit Museen ganz in der Nähe, wie eben dem Kölner Rautenstrauch-Joest-Museum, verbunden. Zumindest die Provinienzforschung erhielt im Zuge der Untersuchung der Benin-Bronzen einen kräftigen Schub. Vorbildlich aufgearbeitet sind inzwischen Herkunft und Verbleib von mehr als 10 000 Objekten, die 1897 aus Benin gestohlen wurden und in mehr als 100 westlichen Institutionen lagern. In Zukunft soll in Nigeria ein Museum gebaut werden, in das die Objekte zurückgeführt werden. Es wäre wünschenswert, wenn die Aufarbeitung der lokalen Dimension des Sklavenhandels dabei ebenfalls eine Rolle spielte.
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