Überwachung in Seenot

Frontex spürt Geflüchtete im Mittelmeer über Handys auf

Von Frontex gecharterte Überwachungsflugzeuge auf Sizilien.
Von Frontex gecharterte Überwachungsflugzeuge auf Sizilien.

Das Ende Februar vor der süditalienischen Stadt Crotone gesunkene Flüchtlingsboot wurde mit Technik zum Aufspüren von Telefonen entdeckt. Das bestätigt der neue Direktor der Grenzagentur, Hans Leijtens, in einer dem »nd« vorliegenden Antwort auf eine Anfrage der Linke-Europaabgeordneten Özlem Demirel. Die Fahrt des Holzbootes im Ionischen Meer zwischen Griechenland und Italiens Stiefelspitze sei demnach »durch die bordeigene Satellitentelefon-Erfassungsanlage« eines Frontex-Flugzeuges angezeigt worden. Dessen Besatzung habe das Boot dann weiter beobachtet und verfolgt.

Bei dem Unglück wegen rauer See waren vermutlich um die 80 Menschen vor der kalabrischen Kleinstadt ertrunken. Die Staatsanwaltschaft in Kalabrien ermittelt deshalb gegen vier türkische Fluchthelfer. Weitere Ermittlungen richten sich gegen mögliche Verantwortliche der Küstenwache und des Militärs, die das Boot in Seenot zwar festgestellt, aber nicht gerettet hatten.

Frontex hat im Mittelmeer private Charterfirmen mit Überwachungsflügen beauftragt. Dieser »Mehrzweckflugdienst« gehört zu den neuen Fähigkeiten, mit denen sich die Agentur von Ausrüstung und Personal der Mitgliedstaaten unabhängig machen will. Inzwischen wird die kleine Flotte durch zwei große Drohnen ergänzt. Wie die bemannten Luftfahrzeuge werden sie von einer privaten Firma geflogen. Den Auftrag dazu erhielt Airbus mit Sitz in Bremen. Der Rüstungskonzern chartert dazu Militärdrohnen aus Israel.

Mit der an Bord befindlichen Überwachungstechnik sollen Geflüchtete nicht abgehört, aber anhand ihrer Telefone geortet werden. Möglich ist dies etwa in Satellitennetzen der Anbieter Iridium, Thuraya und Inmarsat. Schleuser in der Türkei oder auch in Libyen statten die Bootsinsassen häufig mit derartigen Geräten aus. In Tunesien ist die Satellitentelefonie allerdings für Private verboten, berichtet die Solidaritätsplattform Migration Control. Deshalb können von dort startende Geflüchtete oft keine Notrufe absetzen.

Das Aufspüren von Telekommunikation gehört nicht zu den Anforderungen, wie sie Frontex für den Flugdienst vertraglich festgelegt hat. Vielmehr würden die Firmen die Technik in eigener Verantwortung mitführen, so Leitjens gegenüber Demirel. An Bord sei sie auch nur bei den bemannten Charterflugzeugen. Als Dienstleister für die von Malta und Kreta fliegenden Drohnen macht Airbus hierzu jedoch in einer Firmenpräsentation gegenteilige Angaben.

»Die Rüstungs- und Sicherheitsindustrie boomt auch im Bereich der Grenzüberwachung und trotzdem ertrinken fast täglich Menschen auf der Flucht im Mittelmeer«, sagt die Fragestellerin Demirel dazu dem »nd«. Diese EU-Politik müsse sich ändern, kritisiert die Abgeordnete.

Neben der Ortungstechnik haben die Luftfahrzeuge im Frontex-Auftrag elektrooptische Sensoren und eine Wärmebildkamera an Bord. Zum Unglücksboot von Crotone legten deren Bilder die Anwesenheit vieler Menschen unter Deck nahe. Diese und andere Informationen will Frontex verschiedenen Behörden in Italien mitgeteilt haben, bevor das Überwachungsflugzeug wegen Treibstoffmangels nach Sizilien zurückkehren musste.

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