Mameloschn

Jiddisch ist wirklich die zärtlichste Sprache der Welt. Außer du sagst ein Wort mit »ch«

  • Alexander Estis
  • Lesedauer: 3 Min.
Wenn du auf Jiddisch ein Wort mit »ch« sagst, dann klingst du wie einer, der sich mit Fisch verschluckt hat, aber nicht einfach mit Fisch, sondern mit gefilte Fisch, aber nicht einfach mit gefilte Fisch, sondern gefilt mit lauter Gräten.
Wenn du auf Jiddisch ein Wort mit »ch« sagst, dann klingst du wie einer, der sich mit Fisch verschluckt hat, aber nicht einfach mit Fisch, sondern mit gefilte Fisch, aber nicht einfach mit gefilte Fisch, sondern gefilt mit lauter Gräten.

Mameloschn, das ist die Sprache der Mame, der jiddischen Mame, also das Jiddische.

Was ist das Jiddische? Das Jiddische, sagt Kafka, besteht nur aus Fremdwörtern. »Ich spreche zehn Sprachen«, sagt Rapoport, »ich spreche zehn Sprachen – und alle auf Jiddisch.«

Wenn du Jiddisch sprichst, machst du Liebe, und zwar viel, und nicht mal allein. Du machst Liebe mit einer Sprache, aber gleichzeitig gehst du mit einer anderen fremd, aber gleichzeitig denkst du wiederum an eine dritte. Und das Schönste daran: Sie alle haben nichts dagegen!

Vielleicht ist gerade deshalb keine Sprache so zärtlich wie Jiddisch. Sie klingt, als hättest du den Mund voll Honigzimmes. Keine Sprache hat so viel Zauber, chejn, keine Sprache klingt so wejch.

Außer du sagst ein Wort mit »ch«. Wie zum Beispiel wejch. Oder chejn. Dann klingst du wie einer, der sich mit Fisch verschluckt hat, aber nicht einfach mit Fisch, sondern mit gefilte Fisch, aber nicht einfach mit gefilte Fisch, sondern gefilt mit lauter Gräten.

Oder, noch schlimmer, du sagst sogar ein Wort mit zwei »ch« wie Chochme. Dann klingst du wie ein Schweizer, und das nicht, weil CH für Schweiz steht, sondern weil die Schweizer das »ch« so aussprechen, wie sie es eben tun, was wiederum höchstwahrscheinlich der Grund dafür ist, dass CH für Schweiz steht. Wenn du auf Jiddisch ein Wort mit »ch« sagst, klingst du also wie ein Schweizer, aber nicht einfach wie ein Schweizer, sondern wie ein Schweizer Rabbiner. Aber nicht einfach wie ein Schweizer Rabbiner, sondern wie einer, der sich verschluckt hat. Aber nicht mit irgendwas und auch nicht mit gefilte Fisch, sondern mit Schweinebraten.

Aber ansonsten ist Jiddisch wirklich die zärtlichste Sprache der Welt. Das könnt ihr mir glauben, so wahr ich nicht weniger als zwei Ohren habe. Wenn du singst – auf Jiddisch, klingt es zärtlich. Wenn du klagst auf Jiddisch, klingt es zärtlich. Sogar wenn du schimpfst auf Jiddisch, klingt es zärtlich. Niemand nimmt dich ernst, wenn du auf Jiddisch schimpfst: »Oj, oj, asoj a chalomeskopp, asoj a chuzpeponim, asoj a otzen-potzen, asoj a gonev-schmonev.«

Genau deshalb gibt es im Jiddischen mehr Beschimpfungen als in jeder anderen Sprache. Abgesehen natürlich von jenen Sprachen, die ihre Beschimpfungen von den Juden geliehen haben: Anstatt nämlich diese Beschimpfungen zurückzugeben, veranstalteten sie, wie es so zu gehen pflegt, einfach einen Pogrom, behielten die Wörter mir nichts, dir nichts für sich – und fanden plötzlich auch noch eigene dazu, weil sie natürlich auch welche brauchten, um die Juden zu beschimpfen.

Es gibt also im Jiddischen mehr Beschimpfungen als in jeder anderen Sprache. Nur dass es im Jiddischen keine Beschimpfungen sind, in den anderen Sprachen aber schon. Die Ische ist im Jiddischen schlicht eine Frau, nicht mehr und nicht weniger, und die Kalle ist im Jiddischen schlicht eine Braut, was zwar schon mehr ist als weniger, aber trotzdem nicht anders als gleich.

Alles Schmonzes! Denn auch wenn es keine sind, gibt es im Jiddischen dennoch mehr Beschimpfungen als in jeder anderen Sprache. Warum? Wo du im Deutschen ein einziges Wort, ja eine einzige Silbe, ja vielleicht sogar überhaupt nichts brauchst, um jemanden niederzumachen, da brauchst du auf Jiddisch schon eine ganze Flut an Wörtern, und am Ende steht er trotzdem da, der miesnik (Miesling), der kasnik (Wüterich), der chuzpenik (Frechling) – dass ihm a fischknejdl im Hals stecken bleibe, während er ein Wort mit drei »ch« ausspricht!

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