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Offshore-Windenergie: Ende des Dauerfeuers
Küstennahe Offshore-Windenergieanlagen werden in deutschen Gewässern bald nur noch bei Bedarf beleuchtet
Urlauber, die sich im Sommer 2024 auf dem Darß oder auf der Insel Rügen einquartieren werden, können sich freuen: Die Offshore-Anlagen, die sich im Küstenmeer, also in der Zwölf-Seemeilen- und in der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) der Ostsee befinden, werden in den Nachtstunden nicht mehr nervig rot aufleuchten. Sie werden nur noch dann warnend blinken, wenn sich ein Flugobjekt den Windenergieanlagen nähert. Dies ist der gesetzlichen Pflicht (Paragraf 9 Absatz 8 im EEG) einer bedarfsgesteuerten Nachtkennzeichnung (BNK) zu verdanken, die mit der Frist bis Ende 2023 in allen bestehenden und noch kommenden Windparks innerhalb der deutschen Ostsee installiert sein muss.
Diese Vorschrift gilt ebenso für Offshore-Anlagen in der Nordsee, allerdings nicht für die weit von der Küste entfernt liegenden Parks, sondern nur für diejenigen, die sich in der Zwölf-Seemeilenzone oder in der Zone 1 des Offshore-Netzentwicklungsplans der AWZ befinden. Während nach Angaben des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrografie (BSH) in der Nordsee zum Stichtag 1. Januar 2024 insgesamt Anlagen mit einer Kapazität von 3874 MW umgerüstet sein müssen, sind es in der Ostsee Einrichtungen mit 1001 MW.
»Wir sind mit der Umrüstung unserer Anlagen in unseren beiden Ostsee-Windparks Baltic 1 und Baltic 2 gut im Zeitplan«, unterrichtet Miriam Teig, Pressesprecherin des Betreibers EnBW Baden-Württemberg AG auf Anfrage. »Generell halten wir für alle Standorte an Land aber auch eine bedarfsgerechte Befeuerung an küstennahen Standorten für sinnvoll. Wichtig war es uns, dass die Transpondertechnik eingesetzt werden kann und nicht nur die sehr teure Radarlösung«, so Teige weiter. Dafür werden die Transpondersignale der Flugzeuge ausgewertet. Sobald sich im Überwachungsraum ein Flugobjekt bewegt, schaltet sich die Nachtkennzeichnung ein.
Bei der Lösung mit Aktivradar hingegen werden aktive Radarstationen aufgestellt, die die Luftverkehrsteilnehmer im Abdeckungsbereich detektieren und das Anschaltsignal für die Nachtkennzeichnung an die Windparks weitergeben. Optional gibt es auch die Variante mit Passivradar. Bei dieser Ortungstechnik wird im Gegensatz zum herkömmlichen Radar keine elektromagnetische Energie ausgesendet, um deren Reflexionen zu analysieren. Stattdessen werden Reflexionen und der Dopplereffekt von Ausstrahlungen bekannter konstant strahlender Sender wie etwa Rundfunk oder Mobilfunk ausgewertet.
Fristgerechte Umsetzung noch unklar
Auch wenn sie günstiger ist als die Radarlösung, muss Betreiber EnBW für die Transpondertechnik beispielsweise knapp 2,5 Millionen Euro berappen, um die Lichtverschmutzung an seinen Standorten in der Ostsee zu reduzieren. Aber es sei eine wichtige Investition in eine größere Akzeptanz in den Küstenregionen, so der Konzern. »Wir machen mit der Umrüstung das Richtige«, unterstreicht auch Matthias Wehkamp, Geschäftsstellenleiter der Stiftung Offshore-Windenergie. Allerdings bezweifelt er, dass tatsächlich bis zum Ende des Jahres auf allen betroffenen Offshore-Anlagen die Umrüstung vollbracht sein wird, da es an vielen Stellen an Personal fehle und auch die Genehmigungsprozesse ihre Zeit in Anspruch nähmen. Das beurteilt man in den Reihen des BSH anders. »Wir gehen fest davon aus, dass alle Betreiber der gesetzlichen Verpflichtung fristgerecht nachkommen werden«, so Jeannette Edler, die für das Thema Nachtkennzeichnung beim BSH zuständig ist. Nach anfänglichem Aufschrei in der Offshore-Branche habe sich aber mittlerweile die Überzeugung durchgesetzt, dass die gesetzliche Vorgabe letztlich die Akzeptanz erhöhe. Wenn es zusätzlich der Vogelwelt diene, umso besser.
So wird die deutsche Offshore-Branche, ob mit Verspätung oder doch rechtzeitig, die Umrüstung durchziehen – zumal der Gesetzgeber bei Nichtinstallierung mit dem Wegfall der Marktprämie droht. Bemerkenswert ist, dass die Deutschen offenbar in Sachen bedarfsgesteuerter Befeuerung – international betrachtet – eine Vorreiterrolle spielen, denn im Ausland wird sie noch nicht verbindlich eingefordert. Seitens der Niederländer, aber auch von dänischer Seite besteht aber großes Interesse daran, es den Deutschen gleichzutun.
Im 280-MW-Offshore-Windpark Nordergründe wurden die Dauerlichter bereits ausgeschaltet. Wer aber als Außenstehender glaubt, dass nach der Installation eines BNK-Systems die Befeuerung ständig ausbliebe, der irrt. »Doch, doch, die sind öfter an, als man glaubt«, sagt Thomas Schäffer, zuständiger Projektmanager bei der Offshore-Unit der Deutschen Windtechnik Offshore und Consulting GmbH. »So liegt beispielsweise der küstennahe Offshore-Windpark Nordergründe in der Fluglinie derjenigen Hubschrauber, die zu den Offshore-Windparks unterwegs sind, und außerdem liegt der Luftwaffenstützpunkt Mariensiel in der Nähe«, klärt Schäffer auf. »Die Befeuerung mit Transpondertechnik von unserem Partner Funke Avionics GmbH schaltet immer dann auf aktiv, wenn sich ein Flugzeug im Radius von vier Kilometern einer Anlage befindet.«
Schäffer verweist darauf, dass die Nachrüstung wesentlich aufwendiger sei, weil die Monteure mit Schiffen herausgefahren würden, auf die Gondeln klettern und Leuchten auswechseln müssten. Weniger kostenintensiv ist es dagegen, wenn die BNK mit entsprechender Leuchttechnik und Hardware schon bei der Fabrikation an Land eingebaut worden ist. So stattet Hersteller Siemens an seinem Produktionsstandort Cuxhaven die Megawattanlagen für zukünftige Projekte in der Zone 1 schon an Land mit geeigneter Technik aus.
Weniger Vogelschlag erwartet
Wehkamp von der Stiftung Offshore-Windenergie erhofft sich durch die BNK nicht nur eine Versöhnung mit den Küstenbewohnern und dem Tourismus, sondern erwartet auch echte Vorteile für die Vogelwelt. »Ich denke, es wird dadurch weniger Vogelschlag geben, weil die Vögel von den dauerhaften Lichtquellen gerade bei schlechten Sichtverhältnissen angezogen werden, was bei der Installation von BNK wegfällt«, hofft der Biologe. Welche positiven Effekte am Ende mit der BNK für die Vogelwelt erreicht werden, ist jedoch derzeit nur schwer zu sagen. »Grundsätzlich haben wir zu BNK noch keine abgeschlossene Positionierung, auch weil der Wissensstand um Effekte von bedarfsgerechter Befeuerung noch recht dünn ist«, sagt beispielsweise Anne Böhnke-Henrichs vom Naturschutzverband Nabu. »Für eine BNK spricht, dass man bei windsensitiven Seevögeln, insbesondere Seetauchern, erste Hinweise hat, dass eine BNK zu verminderten Meideradien führen könnte. Das würde den großräumigen Lebensraumverlust dieser Art verringern helfen. Die Tiere meiden Offshore-Windparks bis in 16 Kilometer Entfernung«, so Böhnke-Henrichs weiter.
Die Nabu-Expertin gibt zu Bedenken, dass »Zugvögel oder umherziehende Seevögel, sofern sie in der Dunkelheit beziehungsweise Dämmerung fliegen, bei einer fehlenden Befeuerung die Anlagen schlechter erkennen können und das Risiko des Vogelschlags eher steigt«. Dennoch resümiert sie, dass es mit der bedarfsgerechten Befeuerung zu einer Minimierung des Vogelschlags kommen würde, wenngleich diese Technik vermutlich nicht das wirksamste Instrument sei, sondern eher gezielte Abschaltautomatiken effektiv wären. Immer mit der Voraussetzung, so die Nabu-Mitarbeiterin weiter, dass die Wahl der Standorte für Offshore-Windparks naturverträglich erfolge – und zwar außerhalb von Schutzgebieten und Vogelzugkorridoren.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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