Wahl in Bremen: Denkzettel für die Grünen

Die einstige Ökopartei ist die einzige Wahlverliererin in Bremen

Die SPD scheint in Bremen langsam wieder zu alter Stärke zurückzufinden – dank des unaufgeregt-nüchternen Agierens von Bürgermeister Andreas Bovenschulte und vielleicht auch wegen seiner pragmatischen, unideologischen Arbeitsweise. Bildete er die Landesregierung 2019 noch aus einer historischen Defensive heraus – die Sozialdemokraten waren mit 24,9 Prozent erstmals zweitplazierte Partei nach der CDU geworden –, so kann er jetzt entscheiden. Und er hat offen gelassen, ob er in der »geräuschlos und skandalfrei« (so die Linke-Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt) Koalition mit Grünen und Linkspartei weitermacht oder zur CDU als Partnerin wechselt.

Das amtliche Endergebnis wird erst für Mittwoch erwartet. Grund dafür sind Besonderheiten bei den Wahlmodalitäten im kleinsten Bundesland. So wird die Auszählung der Wählervoten in Bremen und Bremerhaven, auch durch Berücksichtigung anderer Besonderheiten, noch dauern. Zudem haben die Wähler fünf Stimmen, die sie beliebig auf Kandidatinnen und Kandidaten sowie Parteien verteilen können. Der jüngsten Hochrechnung vom Montagnachmittag zufolge kommen die Sozialdemokraten gar auf über 30 Prozent. Damit sind sie wieder nah am Ergebnis von 2015 (32,8). Die CDU mit Herausforderer Frank Imhoff an der Spitze verlor gegenüber der letzten Hochrechnung vom späten Sonntagabend dagegen 0,7 Prozentpunkte und lag am Montag bei 25 Prozent. Die Linke hielt ihr Ergebnis nahezu, was für die Partei, wenn sie in Regierungsverantwortung war, Seltenheitswert hat. Sie kam auf 11,1 Prozent gegenüber 11,3 vor vier Jahren.

Größte Verlierer der Bremer Wahl sind die Grünen. Sie kamen auf nur zwölf Prozent der Stimmen – ein Verlust von 5,4 Prozentpunkten gegenüber 2019. Während die einstige Ökopartei damals heimliche Chefin in den Koalitionsverhandlungen war, dürfte sie jetzt – theoretisch – nicht mehr zu sagen haben als Die Linke.

Die Grünen auf Landesebene wie auch im Bund zeigten sich in der Folge zerknirscht, schoben sich aber auch gegenseitig die Verantwortung für die Schlappe zu. So kündigte Spitzenkandidatin Maike Schaefer zwar ihren Rückzug aus der Landesregierung an, zeigte aber zugleich mit dem Finger auf die Bundeszentrale. »Ich ziehe als Spitzenkandidatin die Konsequenz aus diesem Ergebnis gestern und stehe für die kommende Legislaturperiode nicht mehr als Senatorin zur Verfügung«, sagte die bisherige Senatorin für Klimaschutz, Umwelt, Mobilität, Stadtentwicklung und Wohnungsbau am Montag. Eigene Fehler mochte sie nicht als Ursache für das Ergebnis erkennen. »Es ist auch eindeutig so, dass es keinen Rückenwind, sondern eher starken Gegenwind auf Bundesebene für die Grünen gab. Ich will nur das Thema Wärmepumpe einmal erwähnen«, sagte die 51-Jährige.

Sie spielte unter anderem auf die schlechte Kommunikation der Pläne der Grünen in Bezug auf die Heizungsumstellung in Privathaushalten wie auch auf die Personalpolitik im Bundeswirtschaftsministerium an.

Der Grünen-Bundesvorsitzende Omid Nouripour gab den Schwarzen Peter umgehend zurück. »Maßgeblich sind es Bremer Gründe, die dazu geführt haben, dass wir enttäuscht sind«, sagt Parteichef Omid Nouripour am Montag in Berlin. Auch wenn der »Rückenwind« von der Bundesebene tatsächlich gefehlt habe, wie er einräumte: In Schleswig-Holstein, wo am Sonntag Kommunalwahlen stattfanden, seien die Ergebnisse für die Grünen, die sich auf 17,7 Prozent verbessern konnten, »mehr als passabel« gewesen. Nouripour verwies zudem auf eine Umfrage, wonach für 78 Prozent der Wähler die Politik im Land ausschlaggebend war und nur für 19 Prozent die im Bund.

Maike Schaefer gebühre aber, so Nouripour, »unser Respekt und unsere Dankbarkeit für jahrelang gute Arbeit«. Er betonte, seine Partei stehe »weiterhin bereit, Verantwortung zu übernehmen«. Zu einer möglichen großen Koalition im Zwei-Städte-Bundesland sagte er, die vergangenen Jahre hätten gezeigt, »dass Grokos Stillstand bedeuten«.

Die Grünen-Kovorsitzende Ricarda Lang erklärte, die Partei werde an Kernprojekten wie der Klimaneutralität festhalten. Sie müsse aber besser darin werden, diese Themen mit dem »materiellen Kern der sozialen Sicherheit zu verbinden«, sagte sie am Montag gegenüber dem Sender RTL/ntv.

Dass die maßgeblichen Ursachen für die Schlappe in der Landespolitik lagen, wird indes auch vor Ort innerhalb der Partei so gesehen. Denn eigentlich haben sie im dortigen urbanen Milieu eine starke Stammwählerschaft. Zuletzt machten sie bundesweit in den sozialen Medien unter dem Schlagwort »Brötchentaste« Negativschlagzeilen. Gemeint ist die Abschaffung des kostenlosen Kurzzeitparkens durch die Verkehrsverwaltung. Vor allem aber sorgten in der Stadtgesellschaft unverständliche Verkehrsversuche an Straßen und Radwegen für Unmut. Der erhofften autofreien Innenstadt kam Bremen unter Schaefer nicht näher.

Grünen-Landeschef Florian Pfeffer räumte denn auch ein, die von den Grünen im Senat verschuldete Verunsicherung der Bürger habe dazu geführt, dass »Leute im Wahllokal auch sagen: Weiß ich jetzt nicht genau, mach ich mein Kreuz vielleicht woanders«.

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Anton Hofreiter machte derweil die Konflikte in der Berliner Ampelkoalition und namentlich die Bundes-SPD mitverantwortlich für den Einbruch in Bremen. »Man muss sich darüber im Klaren sein, dass das Kanzleramt den Grünen ungern Erfolge gönnt, und deshalb braucht es eine noch klarere und härtere Verhandlungsstrategie«, sagte er der Deutschen Presse-Agentur und fügte hinzu: »Wir müssen uns stärker absichern, dass gefundene Kompromisse auch von allen Seiten getragen werden.« Er bezog sich etwa auf die Pläne für mehr Klimaschutz bei Heizungen. mit Agenturen

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