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Bremer Linke: »Wir haben bewiesen, dass wir gute Arbeit leisten«
Für bezahlbaren Wohnraum und Bildungsgerechtigkeit: Sofia Leonidakis über die nächsten Ziele der Linken in der Bremischen Bürgerschaft
Die Linke konnte ihr gutes Ergebnis der Bürgerschaftswahl 2019 am Sonntag wiederholen. Was sehen Sie als wichtigste Faktoren für den Erfolg?
Wir haben in den letzten Jahren, in der Opposition und in der Regierung konsequent die Interessen derjenigen im Blick gehabt, die in der Gesellschaft nicht unbedingt auf der Sonnenseite stehen. Wir haben bewiesen, dass wir gute Arbeit leisten, dass wir kompetente Senatorinnen und ein gutes Team haben, dass wir aber auch dafür kämpfen und einstehen, konkrete Verbesserungen für die Menschen in Bremen und Bremerhaven zu erreichen. Das wird wertgeschätzt.
Sofia Leonidakis ist Kovorsitzende der Linksfraktion in der Bremischen Bürgerschaft und deren Sprecherin für Flucht, Soziales
und Kinder.
Die Erfolge, die die Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard im Umgang mit der Corona-Pandemie vorweisen kann, stehen auch in Medienberichten zum Agieren der Linken in Bremen im Vordergrund. Welche Errungenschaften rechnen Sie der Linken darüber hinaus an?
In der Coronakrise haben wir mit Landesmitteln die Lücken gefüllt, die die Hilfsprogramme des Bundes gelassen haben, um Insolvenzen zu vermeiden und Arbeitsplätze zu erhalten. Wir haben aktuell einen Rekordstand an sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung in Bremen. Wir haben auch kleine und mittlere Unternehmen und die Veranstaltungsbranche unterstützt. Zuletzt haben wir im März die bundesweit erste Ausbildungsumlage zur Schaffung von Ausbildungsplätzen auf den Weg gebracht. Zur Bekämpfung von Obdachlosigkeit haben wir Housing First eingeführt, ein Landesaufnahmeprogramm für Menschen aus Afghanistan beschlossen und das erste Legalisierungsprogramm für Menschen ohne Papiere in der Geschichte der Bundesrepublik eingeführt. Wir haben auch einen Härtefallfonds gegen Energie- und Wassersperren und weitere Entlastungsmaßnahmen für Privatverbraucher*innen zur Abfederung der Inflation geschaffen. Darüber hinaus haben wir die Klimanotlage erklärt und kreditfinanziert 2,5 Milliarden Euro für Investitionen in den Klimaschutz bereitgestellt. Gleichzeitig stehen wir dafür, dass Klimaschutz sozial abgefedert wird.
Stichwort Bildung: Sie wollen eine Enquetekommission einsetzen, die einen Fahrplan zur Überwindung der in Bremen besonders gravierenden Bildungsungerechtigkeit erarbeitet. Das klingt nach einem Langfristprojekt. Was wollen Sie in dem Bereich kurzfristig erreichen?
Wir brauchen mehr Bildungsgerechtigkeit. Der Bildungserfolg muss von der sozialen Herkunft entkoppelt werden. Dafür müssen wir mehr in Kitas und Schulen investieren, und dafür braucht es Personal. Wir haben aktuell ungefähr 100 unbesetzte Lehrer*innenstellen und viele weitere im Kita-Bereich. Das bedeutet, wir müssen ganz massiv Fachkräfte im gesamten Bildungsbereich gewinnen. Dafür müssen wir eine Ausbildungsoffensive starten, aber auch zusätzliches Personal durch Quereinstiege und die Anerkennung von ausländischen Abschlüssen gewinnen.
Wo sehen Sie die dringendsten Baustellen für Die Linke für die kommende Legislatur?
Wir brauchen eine weitere Dezentralisierung der Gesundheitsversorgung. Wir brauchen nicht nur viele Arbeitsplätze, sondern auch gute. Es gibt nach wie vor einen großen Niedriglohnsektor in Bremen. Deshalb muss auch die Tarifbindung weiter gestärkt werden. Als Linke in der Bürgerschaft stehen wir für soziale Gerechtigkeit – und gleichzeitig dafür, dass wir Herausforderungen wie den Klimaschutz annehmen. Da setzen wir auch auf Vorhaben wie den kostenlosen ÖPNV, um die Verkehrswende mit sozialer Gerechtigkeit zusammenzubringen. Da werden wir hart verhandeln müssen.
Gab es diesbezüglich bereits Aufgeschlossenheit bei den Koalitionspartnern?
In Abstufungen haben sie einiges davon auch als Ziel formuliert. Aber es ist kein Selbstläufer, dass wir uns mit verbindlichen Umsetzungsplänen durchsetzen können. Es wird haushaltspolitisch eher schwieriger, und wir werden Verteilungskämpfe führen müssen für Bildungsinvestitionen und für sozialen Wohnungsbau – auch in den Innenstadtbezirken. Wir haben eine massive soziale Spaltung der Stadtteile, und wenn wir mehr soziale Vielfalt in jedem Stadtteil haben wollen, um zum Beispiel auch Lernvorbilder in den Schulen zu haben, dann muss viel mehr in bezahlbaren Wohnraum investiert werden. Zum Thema haben wir vor der Wahl ein Positionspapier erarbeitet. Die darin enthaltenen Vorschläge wären in der kommenden Legislatur mit öffentlichen Ausgaben in Höhe von 115 Millionen Euro verbunden.
Stichwort Friedenspolitik: Hat Ihnen die Bremer Linie, sich auch für Waffenlieferungen an die Ukraine auszusprechen, insgesamt genützt?
Ja. Der Angriff Russlands auf die Ukraine beschäftigt Wählende durchaus, war allerdings nicht das Thema Nummer eins im Wahlkampf. In Gesprächen an unseren Infoständen sahen die meisten Leute, die uns darauf angesprochen haben, die Haltung einiger Linker auf Bundesebene sehr kritisch und fanden, dass sie zu wenig Solidarität mit der Ukraine zeigen. Schlussendlich ist unsere Erfahrung: Die Menschen beschäftigt mehr, ob sie einen Kitaplatz bekommen und gute Schulen vorfinden, die Inflation oder sozialer Klimaschutz als friedenspolitische Grundsatzfragen.
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