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Bundesrat für bessere Arbeitsbedingungen in der Paketbranche
Länderkammer übernimmt Forderungen von Verdi nach einem Ende von Werkverträgen für Zusteller
Es war ein durchaus bemerkenswerter Vorgang: Am Freitag wurde im Bundesrat ein Entschließungsantrag beschlossen, welcher – analog zum »Arbeitsschutzkontrollgesetz« – auf bessere Arbeitsbedingungen insbesondere bei Subunternehmern von Paketdienstleistern abzielt. Grundlage ist die Kampagne »fair zugestellt statt ausgeliefert« der Gewerkschaft Verdi.
Der entsprechende Antrag war von Bremen, Niedersachsen, dem Saarland und Thüringen in die Länderkammer eingebracht worden. In der Entschließung wird die Bundesregierung aufgefordert, Werkverträge bei der Paketzustellung gesetzlich zu verbieten. Zur Begründung wird darauf verwiesen, dass in diesem Bereich bei Kontrollen immer wieder schlechte oder sogar rechtswidrige Arbeitsbedingungen aufgedeckt würden. Dazu gehörten Verstöße gegen das Mindestlohngesetz oder das Arbeitnehmerentsendegesetz sowie die Missachtung von Vorschriften des Gesundheitsschutzes.
Bei einem Verbot von Werkverträgen würden die großen Paketdienstleister für die Einhaltung von Vorschriften haften. Verwiesen wird auf das Beispiel der Fleischwirtschaft, wo eine ähnliche Regelung bereits umgesetzt wurde. Ausnahmen von dem Werksvertragsverbot soll es nach dem Willen der Länder geben, wenn Subunternehmen ausschließlich sozialversicherungspflichtig Beschäftigte zu tariflichen Entgeltbedingungen einsetzen.
Den Antrag hatte ursprünglich die Bremer Bürgerschaft in den Bundesrat gebracht. »Paketboten leisten harte Arbeit. Dafür erhalten sie in vielen Fällen Entgelte unterhalb des Mindestlohns«, kommentierte im Vorfeld die Bremer Arbeitssenatorin Kristina Vogt (Die Linke) gegenüber »nd«.
Weitere Forderungen von Verdi nach einer Ausweitung von Zollkontrollen und einem Maximalgewicht von 20 Kilogramm für Pakete, die von einer Person zugestellt werden, nahm der Bundesrat indes nicht auf. Rechtlich bindend ist die Entschließung nicht, verleiht als Appell den Gewerkschaftsforderungen aber weiteren Nachdruck.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte zuletzt erklärt, er wolle sich dafür einsetzen, dass zumindest die Gewichtsbegrenzung als eine von mehreren Arbeitsschutzmaßnahmen in eine Novelle des Postgesetzes aufgenommen wird. Ein entsprechender Entwurf werde noch dieses Jahr erwartet. Zum Bundesratsantrag könne sich das Arbeitsministerium jedoch nicht äußern, teilte ein Sprecher auf »nd«-Anfrage vorab mit. Die Bundesregierung werde jedoch noch zu der Entschließung Stellung nehmen.
Laut ver.di 48 Prozent der Zusteller*innen über Werkverträge für Subunternehmen unterwegs. Käme es zu einem Gesetz, müssten diese knapp 150 000 Fahrer*innen beim bisherigen Vergabeunternehmen und, sofern vorhanden, nach geltenden Tarifbedingungen angestellt werden. Tanja Post, Verdi-Verantwortliche für Postdienste im Bezirk Weser-Ems, schildert die Bedeutung dieser Strukturen: »Das Geschäft funktioniert nur durch Lohndumping. Das Subunternehmen erzielt Gewinne, indem es weniger an die Beschäftigten weitergibt, als der Auftraggeber ohnehin schon zahlt.«
Laut statistischem Bundesamt mussten die Beschäftigten der Branche über Jahre überdurchschnittliche Reallohnverluste hinnehmen. Zwischen 2011 und 2021 seien die Entgelte um lediglich sechs Prozent gestiegen. Zugleich zogen die Verbraucherpreise in diesem Zeitraum um 14,6 Prozent an. Das durchschnittliche Bruttoeinkommen lag um 1000 Euro unter dem Durchschnitt der Beschäftigten. Zudem sind Menschen, die in der Paketbranche tätig sind, überproportional häufig befristet angestellt (31 Prozent im Vergleich zu 19 Prozent im Durchschnitt der Beschäftigten). Mehr als ein Viertel der Zusteller*innen hat keinen deutschen Pass, während dieser Anteil über alle Branchen bei 13 Prozent liegt.
Gleichzeit wächst der Markt beständig. Nach Angaben des Unternehmens Pitney Bowes, das jährlich den »parcel shipping index« herausgibt, wuchs der Umsatz der Branche in Deutschland allein zwischen 2017 und 2021 um 67 Prozent auf 25 Milliarden Dollar.
Die Deutsche Post DHL Group (DPDHL) fühlt sich von der Bundesratsinitiative kaum angesprochen: »Mehr als 98 Prozent der DHL-Pakete werden durch unsere eigenen Zusteller*innen ausgeliefert,« erklärte ein Sprecher des Konzerns. Während DPDHL auf tarifierte Arbeitsplätze setze, würden »Wettbewerber von deutlich niedrigeren Lohnkosten« profitieren. Dort seien undurchsichtige Subunternehmerstrukturen und prekäre Arbeitsbedingungen zu beobachten.
Konkurrent Amazon wollte die Bundesratsinitiative nicht kommentieren. Ein Sprecher teilte »nd« jedoch mit, man biete durch die Fremdvergabe »lokalen Lieferpartnern die Möglichkeit, mit Amazon zu wachsen«. Gleichzeitig greife man selbst auf deren Expertise zurück. Amazon verpflichte seine Partner zur Einhaltung der Gesetze. Bei Vertragsverletzungen oder illegalen Handlungen beende man die Zusammenarbeit. Die Zusteller könnten über eine Hotline anonym und in sämtlichen Sprachen Feedback geben.
Auch der Bundesverband Paket & Expresslogistik (BIEK), der unter anderem die Zustellfirmen UPS, GLS, Hermes und DPD vertritt, legte »nd« eine ausführliche Erklärung vor. Die Forderungen der Länder würden »Unternehmen wie Arbeitnehmer*innen entmündigen und die wirtschaftlichen Verhältnisse ignorieren«, heißt es darin. Es gebe keinen Grund, die Entscheidungen der Paketdienste unter dem »Mantel sozialpolitischer Fürsorge« durch politisches Handeln zu ersetzen. Gute Arbeitsbedingungen seien eine Grundvoraussetzung, deren Aushandlung aber Aufgabe der »Sozialpartner«. Ein Arbeitsschutzgesetz könne zudem die wirtschaftliche Handlungsfreiheit einschränken und damit die Verfassung verletzen, heißt es in dem Statement weiter.
Die Beratungsinitiative Faire Mobilität des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) dokumentiert seit langem Missstände in der Branche. Koordinatorin Tina Morgenroth weist gegenüber »nd" auf die Schwierigkeiten gewerkschaftlicher Arbeit in diesem Bereich hin: »Die Beschäftigten sind schwer als einheitliche Belegschaft erreichbar. Sie sind einzeln unterwegs und kommen kaum mit Kolleg*innen in Berührung.« Gerade wegen der vielen Subunternehmen sei der Kampf um bessere Arbeitsbedingungen äußerst mühsam.
Mit DPDHL, UPS, Hermes, DPD hat Verdi Tarifabschlüsse erreicht. Und Werkverträge sind eine Größe, die sich per Tarif regulieren ließe. Mit DPDHL handelt die Gewerkschaft regelmäßig Begrenzungen bei der Fremdvergabe aus. Auch ein Limit bei den Paketgewichten zählt zum klassischen Handlungsfeld von Gewerkschaften und Betriebsräten. Warum also hier der Ruf nach staatlichem Eingreifen? Dazu meint Tanja Post: »Wir haben es mit einem systemimmanenten Problem der Aufsplittung in viele kleine Subunternehmen zu tun.« Man stehe an einem Standort manchmal zehn Subunternehmen gegenüber, die keinen Betriebsrat und eine hohe Befristungsquote hätten. Hinzu komme die zunehmende Komplexität von Kooperationen. So sei Amazon über seine Netzwerke in der Lage, punktuelle Streikbewegungen durch Auftragsverschiebung zu eigenen Standorten im europäischen Ausland auszubalancieren.
Wenn die Gewerkschaft diese Regelungen indes nicht aus eigener Kraft einführen kann, wird sie auch deren Einhaltung nur schwer kontrollieren können. Zollkontrollen und sich anschließende Maßnahmen treffen Arbeitnehmer*innen aber mindestens ebenso wie Subunternehmen und jene umso schwerer, je prekärer ihr Status ist. Die großen Vergabeunternehmen haben diesbezüglich selten Konsequenzen zu befürchten. Zu dieser Problematik findet sich bei Verdi jedoch noch nichts.
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