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Handwerk macht Schwarz-Rot schöne Augen

Berlins Handwerkskammer hofft beim verschobenen Mobilitätsgesetz auf mehr Parkplätze für den Wirtschaftsverkehr

Schrauber am Benziner: ein Bild im Haus des Deutschen Handwerks, das die Handwerkskammer eigentlich hinter sich lassen will
Schrauber am Benziner: ein Bild im Haus des Deutschen Handwerks, das die Handwerkskammer eigentlich hinter sich lassen will

Jürgen Wittke wirkt entspannt, entspannter zumindest als noch vor einem Jahr. »Der Winter-Blues ist vorbei«, sagt der Hauptgeschäftsführer im Hauptsitz der Berliner Handwerkskammer am Dienstag. Derzeit beurteilen 89 Prozent der Handwerksbetriebe in der Hauptstadt ihre Geschäftsergebnisse als gut oder zufriedenstellend. So zumindest lautet das Ergebnis der alljährlichen Frühjahrsumfrage, die Wittke zusammen mit weiteren Zahlen zur Konjunkturlage präsentiert.

Vor gut einem Jahr klang das noch anders: Unter dem Eindruck der Energiekrise hatten Handwerksunternehmen düstere Prognosen gewagt, rund 41 Prozent der Befragten eine negative Entwicklung für den eigenen Betrieb vorausgesagt. »Die Abfederungsmaßnahmen haben geholfen«, resümiert Wittke. Die Deckelung der Energiepreise, sparsame Bürger*innen, der milde Winter und das Ausbleiben der befürchteten Produktionsstopps hätten beim Handwerk für Entspannung gesorgt. »Die Auftragsbücher sind gut gefüllt«, sagt der Hauptgeschäftsführer. Auf 16 Wochen im Voraus seien die Betriebe im Schnitt ausgebucht – sechs Wochen mehr als noch vor zwei Jahren.

Nach wie vor aber hat das Handwerk mit Fachkräftemangel zu kämpfen, nach wie vor versucht es, sich als Branche der Klimaretter*innen für junge Menschen interessant zu machen. »Unsere Betriebe wollen jetzt loslegen und die Klimawende auf die Straße und an die Häuser bringen«, sagt Präsidentin Carola Zarth und fordert Gleichbehandlung im Bildungssystem: »Wir brauchen berufsnahen Werksunterricht an den Berliner Schulen und zwar über alle Schulformen hinweg.« Seit Jahren poche sie auf Umsetzung der »Bildungswende«, bis heute habe sie keine Taten wahrgenommen.

Den vor allem unter Rot-Grün-Rot vorangetriebenen Lösungsansatz der Ausbildungsplatzumlage sieht die Handwerkskammer kritisch. Mit ihr müssten Berliner Betriebe, die eine festgelegte Zahl von Ausbildungsplätzen unterschritten, in einen gemeinsamen Topf zur Finanzierung von Ausbildungskosten einzahlen. »Auf welche Frage ist die Ausbildungsumlage denn die Antwort?«, kritisiert Wittke. Dass die Umlage zu mehr belegten Ausbildungsplätzen führe, bezeichnet er als »Glaubenssatz«. Unternehmen suchten bereits verzweifelt, doch es fehle schlichtweg an Jugendlichen, die »wollen und grundsätzlich auch können«.

Der Geschäftsführer fordert stattdessen stärkere Lenkung der Ausbildungssuchenden. »Im Moment ist es so, dass die Arbeitsagenturen so unterwegs sind, dass der reine Wunsch des Jugendlichen das Maß aller Dinge ist.« Stattdessen solle stärker versucht werden, den jungen Leuten »eine Richtung zu geben«. Künftigen Auszubildenden müsse klar sein, wo die beruflichen Aussichten besser und wo sie schlechter aussähen. Vor der Ausbildungsplatzumlage zumindest muss sich die Handwerkskammer unter der Großen Koalition nicht allzu sehr fürchten: Ein im Koalitionsvertrag festgelegtes Quorum an Ausbildungsplätzen, das nur bei Nichteinhaltung zur Einführung einer Umlage führen würde, wird Wittke zufolge erfüllt.

Neben Problemen mit dem Fachkräftemangel plagt die Handwerkskammer die Verdrängung in der Hauptstadt. Gewerbeflächen würden immer weniger. »Jedes Jahr werden 34 Fußballfelder für andere Zwecke umgewidmet. Ein Zehntel der Betriebe sehen sich mit Standortwechsel konfrontiert«, sagt Präsidentin Zarth. Berlin verliere so nicht nur Zukunftspotenzial, sondern auch wesensprägende Teile des Stadtbilds. »Ich kann und ich will mir meine Heimatstadt Berlin nicht ohne die kleinen und mittleren Handwerksbetriebe in den Kiezen vorstellen.« Wohnraum und Gewerbe dürften, so Zarth, von der Politik nicht gegeneinander ausgespielt werden. Wo immer es zu einer Umnutzung komme, müsse für einen standortnahen Ausgleich gesorgt werden.

Nicht zuletzt bereiten unklare Regelungen im Wirtschaftsverkehr Sorgen. Dass die CDU vor Kurzem eine entsprechende Änderung des Mobilitätsgesetzes auf den letzten Metern zur Gegenprüfung zurückgezogen und auf ungewisse Zeit vertagt hat, stört die Handwerkskammer allerdings nicht – im Gegenteil. »Es ist eine Gelegenheit, noch einmal pragmatisch über den Verkehrsweg zu diskutieren«, sagt Zarth, die sich im Gespräch mit Schwarz-Rot mehr zu erhoffen scheint als mit dem ehemaligen Senat. Im Kampf um Parkplätze hofft die Handwerkskammer auf mehr Zugeständnisse an Betriebe als bisher. Ein Handwerkerausweis helfe wenig, wenn sich kein Parkplatz finde, kritisiert Hauptgeschäftsführer Wittke: »Der Individualverkehr muss andere Regeln bekommen als der Wirtschaftsverkehr, der darauf angewiesen ist.« Hier müsse man sich als Stadt entscheiden.

Rückenwind verspüren Zarth und Wittke, obwohl mit dem Ex-Wirtschaftssenator Stephan Schwarz (für SPD) ein ehemaliger Präsident der Handwerkskammer von Franziska Giffey (SPD) abgelöst wird. Den Wechsel sieht Zarth »mit einem lachenden und einem weinendem Auge«. Auch Giffey habe dem Handwerk stets große Wertschätzung entgegengebracht, stamme selbst gar aus einer Handwerksfamilie. Man freue sich auf eine gute Wirtschaftssenatorin: »Wir haben an jeder ihrer Äußerungen gemerkt, dass sie versteht, wie Handwerk tickt.«

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