Brandenburg: Bürgerdialog in Gebärdensprache

Dietmar Woidke (SPD) beantwortet Fragen zu steigenden Mieten und Inklusion

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Radweg ist an sich eine feine Sache. Allerdings endet er ein paar hundert Meter vor dem beschrankten Bahnübergang. Diese Distanz müsste auf einer viel befahrenen Straße zurückgelegt werden. »Es ist gruselig mit den Autos, selbst wenn die 50 fahren«, sagt Uwe Kaufmann. Der Sprecher der Ortsgruppe Falkensee des Fahrradclubs ADFC hat schon viele Radfahrer beobachtet, die ihren Drahtesel lieber illegal über die Gleise tragen. Ob nicht eine Brücke für die Radfahrer gebaut werden könnte?

Kaufmann fragt das am Dienstagabend beim Bürgerdialog von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) in der Stadthalle Falkensee. Die Stuhlreihen mit insgesamt 224 Sitzplätzen sind gut gefüllt. Viele melden sich, und die Fragerunde wird spontan auf zwei Stunden verlängert, damit noch mehr Anliegen vorgebracht werden können.

In der ersten Reihe sitzen fast alle Minister der rot-schwarz-grünen Landesregierung, auch Infrastrukturminister Guido Beermann (CDU). Das Problem mit dem Radweg ist ihm bekannt. Man sei darüber im Gespräch mit der Deutschen Bahn AG, versichert er. Überlegt werde, einen zusätzlichen beschrankten Übergang für die Radler zu schaffen. Doch das sei wegen der Signaltechnik nicht so einfach. Eine Brücke wäre noch wesentlich komplizierter. »Wir bleiben dran«, verspricht Beermann.

Ein Bürger macht sich Sorgen wegen der Mieten und weiß, dass es ihm nicht allein so geht. »Viele haben Angst, dass sie aus ihrer Wohnung raus müssen.« Es solle nicht so werden wie in London, wo Wohnen für einfache Leute unbezahlbar geworden sei. Schon jetzt fühlt sich der Mann hier im Berliner Speckgürtel an Münchener Verhältnisse erinnert. Warum denn Mieten alle drei Jahre erhöht werden dürfen? Ließe sich da nicht ein Riegel vorschieben? Das treibt auch einen jungen Mann um, der Lehrer werden möchte. Er könnte zwar ein Studium in Potsdam anfangen, aber dort zu wohnen könnte er sich nicht leisten.

Andererseits meldet sich später ein Herr, der meint, theoretisch dürfte die Wohnungsnot gar nicht so groß sein. Als sich viele Bürger entschlossen, ukrainische Kriegsflüchtlinge übergangsweise bei sich aufzunehmen, habe sich gezeigt, wie viel Wohnraum eigentlich noch leer gestanden habe. Er schlussfolgert, dass noch mehr Eigentümer Nebengelasse ausbauen und vermieten würden, wenn die Regeln nicht so streng wären und man die Mieter schneller wieder loswerden könnte. Sein Vorschlag: Das Mietrecht lockern.

Für jede gute Idee, mehr Wohnraum zu aktivieren, ist Ministerpräsident Woidke offen. Aber beim Mietrecht wird er vorsichtig. »Für den Vermieter sind es Einschränkungen, für den Mieter ist es Schutz. Da in einer Mangelsituation ranzugehen, davor warne ich«, sagt er. Wohnen dürfe kein soziales Problem werden. Kommunen rät Woidke deshalb, Grundstücke nicht an Investoren zu verkaufen, die dann teure Eigentumswohnungen darauf errichten. Sie sollten besser die kommunale Wohnungsgesellschaft oder eine Genossenschaft dort bauen lassen.

Die Teilhabe von Behinderten ist unter anderem noch Thema an diesem Abend. Eine Rollstuhlfahrerin ist gekommen und auch eine Gehörlose, die sich mittels von zwei extra anwesenden Gebärdendolmetscherinnen an der Diskussion beteiligt. Überhaupt nicht gefragt wird zur Asylpolitik, die anderswo in Brandenburg die Gemüter erregt. Von den 45 000 Einwohnern von Falkensee haben nur 7000 schon vor 1990 hier gelebt. Die Zugezogenen neigen zunehmend den Grünen zu, weshalb sich deren Kandidatin Julia Concu bei der Bürgermeisterwahl am 11. Juni zu den Favoriten zählt. Amtsinhaber Heiko Müller (SPD) tritt nicht wieder an.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.