Großbritannien: Kampf gegen Symptome

Peter Steiniger zum Angriff auf das Streikrecht in Großbritannien

Der Klassenkampf soll gefälligst von oben geführt werden: Die Schwächung der Gewerkschaften ist auch weiterhin ein zentrales politisches Ziel der britischen Tories. Premierminister Rishi Sunak präsentiert sich so als ein würdiger Erbe der »Eisernen Lady« Margaret Thatcher. Das in der kommenden Woche im Parlament zur Abstimmung stehende Gesetzesvorhaben seiner Regierung über ein Mindestdienstniveau in sechs Schlüsselsektoren bei Streiks soll Arbeitsniederlegungen den Zahn ziehen. Denn auf diese Weise sollen Streiks das öffentliche Leben nicht mehr empfindlich stören können. Sie büßen damit einen Teil dessen ein, was sie für die Gewerkschaften in Auseinandersetzungen zum wirksamsten Druckmittel macht. Zudem hebelt das Gesetz die gewerkschaftliche Autonomie aus. Die Regierung wird damit ermächtigt, ein während der Arbeitskämpfe einzuhaltendes Niveau an Dienstleistungen einseitig zu verfügen, falls die Gewerkschaften darüber nicht mit den sogenannten Arbeitgebern vorab zu einer Verständigung gelangen. Selbst Gewerkschaftsmitglieder sollen trotz Streiks zur Arbeit befohlen werden können, Verweigerern droht künftig die Kündigung.

Die Gewerkschaften laufen gegen das Projekt Sturm. Und die Labour-Partei macht das vorgezogene Wahlversprechen, das Anti-Streik-Gesetz wieder zu kippen. Man wird sehen. Mit den drakonischen Regeln revanchieren sich die Konservativen für die große Streikwelle, die das Land erlebt. Nicht zufällig sind die Bereiche Gesundheit, Bildung und Verkehr, wo heftige Arbeitskämpfe stattfinden, von dem Gesetz mit erfasst. Ob Bahn, öffentlicher Dienst oder Gesundheitswesen: Die Auseinandersetzungen sind kein Selbstzweck, sondern eine Notwendigkeit. Extrem gesunkene Reallöhne lassen den Gewerkschaften gar keine andere Wahl. Angesichts der horrend gestiegenen Lebenshaltungskosten sind die Streiks für viele Briten nichts anderes als Notwehr – ein elementares Recht.

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