• Berlin
  • Militärstrafvollzug der DDR

Ab nach Schwedt in den Armeeknast

Ausstellung über den Militärstrafvollzug der DDR im Potsdamer Landtag

  • Matthias Krauß
  • Lesedauer: 4 Min.

Ein Synonym für Schikane, Angst und Schrecken sei es gewesen, sagte Landtagspräsidentin Ulrike Liedtke (SPD), als sie dieser Tage im Foyer des Potsdamer Landtags die Ausstellung »NVA-Soldaten hinter Gittern« eröffnete. Wandtafeln und Ausstellungsstücke in Vitrinen legen Zeugnis ab von den Umständen des Militärstrafvollzugs zwischen 1968 und 1990.

Detlef Fahle hatte einen Interessenbund ehemals im NVA-Militärgefängnis in Schwedt inhalftierter Soldaten gegründet, der diese Schau zusammenstellte. Bei der Eröffnung im Landtag berichtete er von seinen Erlebnissen in den drei Monaten, die er in der Disziplinareinheit im uckermärkischen Schwedt zubringen musste. Ihm zufolge war es seine Homosexualität, die zwar in der DDR nicht mehr bestraft wurde, die ihn aber letztlich in die Strafeinheit führte. Vor Nachstellungen in der Nationalen Volksarmee (NVA) sei er nicht geschützt gewesen. Ein Fähnrich habe nachts vor seinem Bett gestanden, mit der Pistole gefuchtelt und geschworen, er werde zu verhindern wissen, dass Fahle andere Soldaten mit seiner »Krankheit« anstecke. Da sei ihm eine Sicherung durchgebrannt, sagte Fahle. Er habe einen Militärlaster gekapert und sei einfach abgehauen. Ohne Licht fahrend, wurde er rasch gestellt. Wäre Fahle wegen Fahnenflucht verurteilt worden, wären ihm mehrere Jahre Freiheitsentzug sicher gewesen. So aber hat der Kommandeur offenbar die Gesamtumstände bei der Bewertung des Falles einbezogen und über ihn drei Monate Strafarrest in Schwedt verhängt.

Das war eine Bestrafungsart, die das DDR-Militärgesetz ab 1982 neben der regulären Verurteilung zur Haft im Militärstrafvollzug zuließ. In jenem Jahr wechselte auch die Zuständigkeit für das Gefängnis vom Innenministerium auf die Armee. Der Strafarrest konnte ohne Anklage und ohne Gerichtsverfahren angeordnet werden. Schwerwiegend für die Betroffenen: Die in Schwedt verbrachte Zeit musste nachgedient werden.

Laut Präsidentin Liedtke kam nach Schwedt, wer beispielsweise Fahnenflucht beging oder Vorgesetzte angriff. Aber auch »hanebüchene Gründe« wie ein politischer Witz oder Flapsigkeit konnten eine Bestrafungsart nach sich ziehen. Vergehen wie Vergewaltigung und Diebstahl gehörten auch zu den Haftgründen. Die Insassen waren laut Liedtke »der Willkür ihrer Vorgesetzten ausgeliefert«.

Fahle selbst präzisierte, dass die körperliche Unversehrtheit der Inhaftierten garantiert werden musste. Sie durften selbstverständlich nicht geschlagen werden. Die eigentliche Strafe habe im ständigen Gebrüll und einer nicht enden wollenden Hetze bestanden. Die verschärfte militärische Disziplin sei eisern durchgesetzt worden. Vom Wecken morgens um 4 Uhr, sonntags um 6 Uhr, über den Arbeitseinsatz im örtlichen Betonwerk, die militärische Ausbildung, die politische Schulung bis zur Nachtruhe ab 20 Uhr.

Zum gründlichen Waschen sei morgens nicht ausreichend Zeit gewesen. Das Essen sei zwar nicht schlechter gewesen als in anderen Armeeeinheiten, aber die Arrestanten konnten es nicht in Ruhe einnehmen. Man habe in den wenigen Minuten Brot mit Mostrich beschmiert, um so viel wie möglich in sich hineinzustopfen. Strikt verboten sei es gewesen, Lebensmittel aus dem Essensaal mitzunehmen. Einmal in der Woche konnten die Insassen in einer Verkaufsstelle auf dem Gelände des Militärgefängnisses Zigaretten, Kekse und Cola kaufen.

In den Reden zur Eröffnung und auf den Tafeln selbst wurde eindringlich der »mythische« Charakter der Strafanstalt in Schwedt unterstrichen, der noch lange nach 1990 bestanden habe. Mit »Schwedt« sei innerhalb und außerhalb der Nationalen Volksarmee ein düsteres Geheimnis verbunden gewesen, es herrschte eine bewusste Unklarheit. Fahle bestätigte, dass es den Entlassenen unter Strafandrohung verboten war, über ihre Erlebnisse dort zu berichten. »Man stand unter einem Druck, der über Jahrzehnte anhielt.« Erst 2013 hatte Fahle den Verein ehemals Betroffener gegründet. Zuvor hatte er in der Zeitung gelesen, dass die noch existierenden Gebäude unter Denkmalschutz gestellt werden.

Das Geheimnis um Schwedt ist inzwischen gelüftet: Es liegen eine Reihe von Publikationen zu diesem Thema vor. Die Vereinsmitglieder schätzen, dass bis 1990 rund 8000 NVA-Soldaten im Militärgefängnis Schwedt einsaßen und etwa 2500 den auf maximal drei Monate begrenzten Strafarrest ertragen mussten.

Zwar wird darüber informiert, dass es in der Bundeswehr keine eigenständige Militärjustiz gegeben hatte. Aber es hätte den Wert der Ausstellung möglicherweise gesteigert, wenn Vergleiche zur Militärjustiz jener Jahre in anderen europäischen Staaten gezogen worden wären.

Ausstellung »NVA-Soldaten hinter Gittern. Der Armeeknast Schwedt als Ort der Repression«, bis 16. Juli, arbeitstäglich von 8 bis 18 Uhr geöffnet, Landtag, Alter Markt in Potsdam, Eintritt frei

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