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  • Parteitag von Österreichs Sozialdemokraten

Österreich: Zerstrittene SPÖ stellt sich neu auf

Österreichs Sozialdemokraten wählen nach internen Querelen Parteiführung

  • Stefan Schocher, Wien
  • Lesedauer: 4 Min.

Es brodelt in der österreichischen Sozialdemokratie. Es geht um Vorsitz und Richtung bei der SPÖ. Wie mit der FPÖ umgehen? Wie das Asylthema anpacken, das von der FPÖ so genüsslich, populistisch und vor allem erfolgreich (laut Umfragen liegt die rechtsextreme Partei bei knapp 30 Prozent) ausgeschlachtet wird?

Für den Vorsitz der SPÖ gibt es zwei Kandidaten, zwischen denen die Fetzen fliegen. Abgestimmt wird auf dem Parteitag am Samstag in Linz: Da ist Hans Peter Doskozil, einst Polizist, später Verteidigungsminister und schließlich Landeshauptmann des Burgenlands. Und da ist Andreas Babler, bisher Bürgermeister der Stadt Traiskirchen südlich von Wien. Ein Linker. Ein Marxist, wie er offen bekennt.

Am Mittwoch wurde ein Video-Podcast publik, in dem der sonst eher besonnen auftretende Babler ganz unbesonnen über die EU herzieht. Dass diese ein Friedensprojekt sei, sei ein »Scheißargument«, sagt Babler da. Die EU, so sagt er, sei »überhaupt nicht leiwand« (großartig, d. Red.). Er sei gegen den Beitritt Österreichs aktiv gewesen. Denn die EU sei ein »US-amerikanisches Konstrukt in der übelsten Art und Weise«. Sie sei »das aggressivste außenpolitische militärische Bündnis, das es je gegeben hat«.

Aussagen sind das, die auch im latent EU-skeptischen Österreich herausstechen. Denn in dieser Tonalität argumentiert nicht einmal die FPÖ. Nach Veröffentlichung war Babler bemüht, die Gemüter zu beruhigen – allerdings mit eher bescheidenem Erfolg.

Was hinter dem Video steht und wer es gerade zu diesem Zeitpunkt aus dem Archiv geholt hat, ist nicht klar. Doskozils Team bestritt, es verbreitet zu haben. Nur so viel ist klar: Das Ringen um den Parteivorsitz ist zu einer Schlammschlacht geworden. Und im Ring stehen zwei sichtlich angeschlagene Kandidaten: Doskozil, der den Putsch gegen die Parteispitze ursprünglich betrieben und mit einem Durchmarsch gerechnet, es dann aber plötzlich mit linker Opposition zu tun hatte; und eben Babler, der Doskozil überraschend ein linkes Stöckchen zwischen die Beine geworfen hat, um sich dann aber rhetorisch zu vergaloppieren.

Verheerender könnte das öffentliche Bild, das die SPÖ damit abgibt, kaum sein: Von links bedrängt von einer KPÖ, die plötzlich wieder Wahlen gewinnt (siehe Salzburg), und von rechts bedrängt von der FPÖ, die sehr ähnliche Themen bespielt wie die SPÖ, aber die einfacheren Antworten auf die komplizierten Themen der Gegenwart hat. Und all das, während sich die SPÖ in den vergangenen Monaten vor allem selbst zerfleischt hat. Die scheidende Parteichefin Pamela Rendi-Wagner wollte nicht einmal zu der Versammlung der Partei nach Linz kommen. Kein Abschied mit Applaus von der Parteispitze also. Viel eher ein entnervter Rückzug ohne jegliche Sentimentalitäten.

Rendi-Wagner hatten die internen Querelen in den vergangenen Monaten kaum Raum gelassen, Oppositionspolitik zu machen. Intrige folgte auf Intrige und Patzer auf Patzer. Erst die offene Herausforderung Doskozils durch die linke Opposition in der Partei, dann die Entscheidung, die Mitglieder zu befragen, die zum Fiasko wurde: 73 Personen bewarben sich um den Vorsitz. Drei wurden schließlich im Parteipräsidium für die Abstimmung ausgewählt: Parteichefin Rendi-Wagner, Doskozil, Babler – mit dem Ergebnis, dass sich die Stimmen der Mitglieder fast gleichmäßig auf alle drei Bewerber aufteilten (Doskozil 33,7 Prozent, Babler 31,5 Prozent, Rendi-Wagner 31,4 Prozent) und sich die Hoffnung auf eine klare Entscheidung damit in Luft auflöste. Und dann der sichtbare Kontrollverlust der Parteiführung: etwa als die Hälfte der SPÖ-Abgeordneten während einer Videorede des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Parlament den Saal verließ, um dann zum Beispiel schriftlich als Grund dafür anzugeben, dass die Ukraine Russland mit »Phosphat-Bomben« angreife. Seitens der Parteispitze: Schweigen.

Das Ergebnis der Mitgliederbefragung ist nicht bindend, der Parteitag kann also frei entscheiden. Einem spannenden Duell zwischen Doskozil und Babler steht nichts im Wege. Ganz im Gegensatz zur SPÖ, die sich zuletzt selbst im Wege stand.

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