Iron Maiden: Eddie schlägt sich durch

Wenn die Welt brennt: Iron Maiden gibt es nun als Comicreihe

  • Matthias Penzel
  • Lesedauer: 5 Min.
Für immer Coverboy: Eddie, das Maskottchen von Iron Maiden, das sechste Rad am Bandwagen
Für immer Coverboy: Eddie, das Maskottchen von Iron Maiden, das sechste Rad am Bandwagen

Wer dabei war, wird nie vergessen, wie das war. Ein Moment, wo einem die Lichter ausgehen und die Sicherungen rausknallen, gestandene Männer niederknien und mit gestrecktem Arm die Faust in die Höhe strecken. Finger arrangiert zur gehörnten Hand, dem körpersprachlichen Esperanto zum Gruß Satans. Und was lacht dann einen auf der Leipziger Buchmesse am Sammelstand für Graphic Novels an, finster und sinister, grobschlächtig und wie von der Innenseite übelster Albträume rausgekratzt? Eddie! Darüber in Großbuchstaben: IRON MAIDEN. »Legacy of The Beast«, das Vermächtnis des Biests, der britischen Band, die allein in Europa an die 30 Millionen Alben verkauft hat, weltweit doppelt so viel.

Das Porträt Eddies auf einem Buch, diese schaurige Fratze, als Ausgangspunkt für einen Comic: wie abgefahren und logisch. Der Moment ist beeindruckend wie die originale Erscheinung Eddies 1980. Da kam irgendwer an mit der ersten Iron Maiden mit ihm vorne drauf. Die LP sah aus wie keine zuvor. Anders als »Back In Black« von AC/DC oder die Rasierklinge von Judas Priest animierte schon allein der Anblick des Covers zum Headbangen. Kein Gruppenporträt, sondern der grob gemalte Schädel eines Untoten, wie aus einem »U-Comic« geflüchtet, auf direktem Weg von der Hölle in Unterwelten. Eine auf Anhieb einleuchtende Expression für Teenager: so hart wie ihr Alltag (so wie sie ihn sahen).

Der Bandname wie auch der Albumtitel und der Titelsong (als letztes Lied auf der B-Seite) über das mittelalterliche Folterinstrument »Heilige Jungfrau« drückten diesen Horror aus. Es war – wie auch der akademische Pop-Snob heute eingestehen muss – der finale Sargnagel für den ganzen Punk-Hype. Was für kein anderes Genre gilt, ist Heavy Metal gelungen: »Die Welt brennt ...«, im Irak und Malaysia, Brasilien oder Japan betäuben sich die Leute mit Metal. Versteht jeder weltweit, was gemeint ist. Und deshalb heißt der erste Comic auch »Legacy of the Beast«. Und die ISBN endet mit »the number of the beast«: 666. Kein Scheiß! Und – wie auch der zweite Band »Night City« limitiert auf jeweils 666 Exemplare. Hardcover, 1300 Gramm schwer, im Plattenregal ein paar Zentimeter höher als der Rest. Wer da nicht zitternde Knie kriegt, kann kein True Metal sein!

Die Cover-Gestalt Eddie vereinte mehr, versprach mehr, als sich mit tausend Worten ausdrücken ließe. Eingeklemmt in der Zwischenzone zwischen Leben und Tod, Horror und Fun, Alltag und Eskapismus. Wo der drauf war, da konnte man die Platte ungehört kaufen. Und dann hörte man sie: Der Sänger – ehemaliger Skinhead, Lederjacke wie ein Biker – singt, wie er mit sixteen nicht sweet little war, sondern auf der Flucht oder im Knast, running, running free, weil er einer Frau irgendwie ... und da wird’s schon diffus. Hat er ihr jetzt am glitzernd engen Top rumgefummelt, oder dreht es sich um das »bottle-top« einer Pulle Whisky? So mehrdeutig wie das Cover, heavy und aggro wie Rock, ohne Tabu wie Punk, und irgendwie aber: Kunst, oder? Und der Coverboy wurde zum Maskottchen, sechstes Rad am Bandwagen, Teil des Appeals, des Erfolgs und der Merchandise-Einnahmen.

Kreiert wurde Eddie – mitsamt dystopisch-apokalyptischem Umfeld – von Derek Riggs. Der kam aus einfachen Verhältnissen und fand Hardrock eher blöde. Hier geraten wir in die zwielichtige Zone, in der Neues wuchert. Riggs hauste in London in besetzten Häusern (Finsbury Park, später Keimzelle von Terroristen), London erschien ihm wie abgefuckte Science-Fiction mit einer Dosis Punk, H.P. Lovecraft im Bett mit no future. Für die Plattenfirma EMI gestaltete er ein paar futuristische Plattenhüllen und dann eben Eddie.

Ziemlich konfus, aber schockend. So wie der Sound von Iron Maiden, mal mit – eigentlich eher Oldschool-Boogie-Beat zu – »Running Free«, dann episch, monumental wie Stahl, und über sieben Minuten lang, und wieder hauteng und straff arrangiert. In den Texten: Transylvanien, käufliche und eiserne Jungfrauen: alles dabei. So gesehen optimal für Fluchten abseits des Alltags. Und diese atmosphärischen Themen – Verliese, Unterwelten und kriegerische Auseinandersetzungen – fliegt einem vielfarbig auf fetten großen Seiten der Comics um die Ohren. Wer Maiden mag, liebt sie. Wer von der Band den Hals gar nicht voll genug kriegen kann, wird an den Büchern Spaß haben. Vorausgesetzt, man ... tja? Man erwartet nicht zu viel. Zu einer richtigen Geschichte mit dreidimensionalen Charakteren, Entwicklung der Figuren, Dramaturgie im konventionellen Sinn, sind die Lyrics vermutlich doch nur limitiert geeignet. Da mag es noch so tiefschürfend und abgefahren wirken, wenn Iron Maiden Legenden und Mythen von Schlachten und Folter und »Geschichte« ausräubern – für die Stories der Bücher gibt das letzten Endes etwas wenig her.

Im ersten Band, »Legacy of the Beast«, kämpft Eddie gegen die sogenannten Mächte der Finsternis. Im zweiten, »Night City«, dessen Cover aussieht wie das von »Killers«, dem zweiten Iron-Maiden-Album, gibt es die Vorgeschichte. Die Story setzt ein in London, kaputt und rauchend, ein Metal-Kid wie du und ich wird zu Eddie, weil die Welt brennt, alles in Flammen aufgeht. Die folgenden Referenzen und Kloppereien sind nicht ganz chronologisch; spannend eher gar nicht – Eddie gewinnt immer. Geschuldet ist dies der Genese des Projekts, denn es basiert auf dem Ego-Shooter-Spiel »Ed Hunter«. Das geht dann so: Eddie von einem Haufen Böser in die Enge getrieben, schlägt sich durch, gewinnt, gerät aufs nächste Level; dort: Eddie von einem Haufen Böser in die Enge getrieben, schlägt sich durch, gewinnt, gerät aufs nächste Level. Ego-Shooter in Endlosschlaufe. Macht trotzdem Lust, die alten Platten wieder hervorzukramen.

Llexci Leon, Ian Edinton, Kevin West: Iron Maiden – Legacy of the Beast. A.d. Engl. v. Alexander Kaschte, Insektenhaus Verlag, 128 S., geb., 39,95 €.
Llexci Leon, Ian Edinton, Kevin West: Iron Maiden – Night City. A.d. Engl. v. Alexander Kaschte, Insektenhaus Verlag, 164 S., geb., 42,95 €.

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